Unterhaltung

Zum Glück muss

ich mir keine Block-Neujahrsrede aus der Rippe hauen, weil ich einen Freund habe, der eh schon alles gesagt hat, wie es der Songdog-Autor und -Verleger Andreas Niedermann eben so zu tun pflegt.

„Wir hier, liebe Gemeinde, wir machen einfach weiter unseren Job. Uns Autoren ist es vollkommen blunzen, was für ein Jahr ist. Wir stehen auch diese Feiertage durch, mit all den Amateursäufern und ihrem Zwang zur Fröhlichkeit und zum Kauf von Glücksbringern. Wir glauben nicht ans Glück. Wir Autoren glauben ans Schreiben und an die Arbeit, an Großzügigkeit, Rache, Herzensgüte und Nassrasur. Wir glauben daran, dass man sich tüchtig verirren und trotzdem wieder auf den Weg kommen kann. Wir glauben an Drogen und Alkohol. Manchmal an die Liebe. Und wir glauben daran, dass wir uns bemühen müssen. Wir glauben an die Freiheit und an gute Gedichte, und an die grundgütige Wirkung von rotem burgenländischen Wein und viel Sport. So, liebe Gemeinde, sieht es aus. “

Wer einen Nachhall auf die letzte Mitternacht braucht, soll sich den von King Dynamite holen und bei Youtube „Roman Signer Rampe 2008“ hineintippen.



VON DER GEBURT BIS ZUM TOD

könnte man sein Block-Leben verbringen, indem man nur Zeugs aus Magazinen kommentiert, und würde sich wohl schon nach einem Jahr aufhängen müssen, um in einen sinnvolleren Zustand überwechseln zu können.

Aber bei den sog. Intelligenzblättern ist es schon manchmal ganz interessant. Wenn sie so schlau herumtun, aber dann kräht einem die furchtbarste Kleingeistigkeit, Spießigkeit und Dummheit entgegen, zu der meine Oma, die keine Volksschule abgeschlossen hat, sich niemals hätte hinreißen lassen.

Dann gehn wir mal rein: eine (natürlich edel gemachte) Fotostrecke, mit dem Titel „Die Welt ist eine Scheibe“, die Fotos werden kommentiert. Foto von Amy Winehouse: „Fahrt ins Vergessen“. Aufgenommen nach einem Club-Konzert in London.

„Sie kämpft sich durchs Gedränge“, schreibt der Kommentarschreiber, „gerät mit einem Fotografen aneinander, spuckt, schreit. Vor nicht langer Zeit hat sie ihr Comeback desavouiert, weil sie betrunken auf der Bühne erschienen ist. Das Bild der am 17. September aus dem Auto pöbelnden Winehouse wird zum Dokument ihres Scheiterns – obgleich der Gig im Jazz After Dark brillant war“.

Darauf muss man erstmal kommen: nach einem brillanten Konzert pöbelt sie ein paar Säcke an, die sie nicht in Ruhe lassen, und ist deswegen gescheitert. Ist das Logik? Oder sollte man jemanden, der das darunter versteht, bei einem sog. angesehenen Wochenblatt, feuern? Oder den Chef vom Dienst? Der vielleicht seit 30 tapferen Jahren behauptet, Fotografen könnten keine griffigen Bildunterschriften verfassen? Würde der „griffig“ sagen? Kann ich mir vorstellen. Auch egal. Genaueres findet man wie immer an der Quelle: Die Zeit Nr. 51/2009.



IST DIETER ALTHAUS

eigentlich auch so ein „Dr.“? Ich weiß es nicht. Aber ich habe ihn am 27.8. im thüringischen Sonneberg gesehn, gehört, gesprochen. Ja, es war noch eine andere Welt, aber ist sie das nicht jeden Tag schon wieder?

Der Dieter war – neben Rockröhre Petra Zieger (und ihrer Band), die nun seit über 25 Jahren auf Rocktour ist, was wohl niemand mit klarem Verstand überstehn könnte, seien wir ehrlich, und einem Pro7-Moderator, der mich zur Frage brachte, warum ein TV-Moderator auch ein Parteiveranstaltungs-moderator sein kann, egal, das sind Kleinigkeiten, die eine Demokratie wohl locker wegstecken können muss – die Vorband für Dr. Merkel, die dann zu den Klängen der Rolling Stones´ „Start Me Up“ die Bühne betrat, weswegen ein Bier nur 1,50 kostete und man lügen müsste, wenn man behauptete, so ein günstiges Bier würde so einer politischen Angelegenheit nicht einen schönen Bonus verpassen.

Die Idee des politischen Stuntman ist nun immer noch nicht aus der Welt geschafft („geschaffen“?!) bzw. hinreichend glaubwürdig dementiert in den Einzelfällen, und deshalb war ich mir zumindest fast ganz vollständig sicher, dass der Mann, mit dem ich mich nach der Veranstaltung unterhielt, der Dieter war. Er sah aus wie er, und er nickte auch noch verständig, als ich ihm aus gesundheitlichen Gründen riet, sich vielleicht doch weniger im Politikmachen zu üben und stattdessen mehr im Skifahren, also durfte ich doch sicher sein, dass er der Dieter ist, aber seit heute bin ich mir dann doch wieder nicht so sicher.

Aber verstehen kann ich das in jedem Fall, weil mich selbst bei guten Ratschlägen auch immer gleich der Zweifel plagt; andererseits ist es natürlich wichtig im Leben, manchmal einen guten Rat als solchen zu erkennen. Manchmal frage ich mich dennoch, ob es überhaupt gut ist, irgendwas zu den Klängen der Rolling Stones zu machen, und sei es nur was im Haushalt. Aber manchmal frage ich mich das dann wieder nicht.

Ein Freund meinte dann, er hätte lieber „Rocky I“ genommen, wenn er was zu sagen gehabt hätte. Ich meinte dann, dass ich „Rambo I“ tausendmal besser als „Rocky I“ finde. Dann haben wir uns aber ganz schön gestritten. Ehe wir nach Stunden dahinter kamen, dass er vom Soundtrack, ich aber vom Film sprach. Das war dann schon etwas blöd, aber weil wir Freunde sind, konnten wir auch drüber lachen. Obwohl da das Bier schon wieder 3,20 kostete.

Es stimmt so vieles nicht in Deutschland! Deshalb haben wir uns fest vorgenommen, das bei der Wahl zu berücksichtigen.



DAS XXX ZDF

hat es tatsächlich geschafft, die geplante Serie mit Friedrich Anis “Kommissar Süden” nach zwei Folgen zu stoppen. Als könnten sie je was Besseres bekommen als die zweite Folge “Süden und der Luftgitarrist”: Anis Drehbuch zu seinem Roman verfilmt von Dominik Graf. Mit Zuschauerzahlen, die für sowas Gutes um 20.15h überraschend hoch waren.

Gnade uns Irgendwer, wenn wir mit unserer Arbeit jemals von solchen miesen, feigen, unterbelichteten Bürokraten abhängig sein sollten.



ICH LESE SIE

immer mit Gewinn, die Zeit nämlich. Diesmal gibt mir ein Satz von Philipp Mißfelder zu denken, der nämlich der Vorsitzende der Jungen Union Deutschlands ist.

Er bespricht das Buch eines Journalisten, der “die Parteien in der Nachwuchsfalle” sieht: “Wenig hilfreich ist es allerdings, wenn eine gemeinhin unbeliebte Berufsgruppe, die der Journalisten nämlich, die Politiker als ebenfalls eher unbeliebte Berufsgruppe verfemt”.

Verfemt und zugenäht! Ist das jetzt eine Zeitfalle oder ein Denkloch? Oder doch das fast schon legendäre Denkloch in der Zeitfalle? Und erinnert mich auch noch an die peinliche Situation, als mich der Lehrer eines Tages aufforderte, nämlich sofort einen Satz mit “gemeinhin” zu bilden.

“Unser Pfarrer langt mir immer gemeinhin”. Weil ich nämlich kein Mitglied in der Jungen Union bin. Dachte ich mir später. Kurz bevor ich mir dachte, Zeitungen, lasst mehr JU-Mitglieder schreiben, die können´s doch nämlich auch.



S!A!U!

war Anfang 1980 eine umwerfende Entdeckung für mich: ein von Punk und New Wave deutlich inspiriertes Literatur- und Filmmagazin. Texte, Briefe, Karten, Entwürfe von Achternbusch, Fels, Lemke, seitenweise von/über Devo, Patty Smith, XTC etc. Herausgegeben von Eckhart Schmidt, ein Filmer aus der Münchner Gruppe.

Die Story “Der Fan” wurde in S!A!U! gedruckt, dann als Film legendär; die junge Desirée Nosbusch frisst ihren Star… Und Schmidt hat auch viele tolle Dokumentarfilme gemacht, die von seiner starken Amerikanifizierung erzählen und seiner Liebe zum Film, zuletzt “Glamour vs. Paparazzi”.

Eckhart Schmidt und Karl Bruckmaier sind meine Gäste im Benno-Ohnesorg-Theater in den Münchner Kammerspielen am 29.3. um 21h.

Schmidt ist vor allem mit seinem neuen Fotoband “Window Girls” dabei, die Schaufensterpuppen vom Hollywood Boulevard, die bald einer Shopping Mall weichen müssen (Belleville Verlag). Ein Stapel Fotos wird kommentiert.

Karl Bruckmaier, seit vielen Jahren wichtigster SZ-Popjournalist und BR2-DJ, stellt eine seiner Arbeiten vor und hat einen neuen Band mit Short Stories des Blues/Experimental-Gitarrenhelden John Fahey dabei, “Orange” (edition suhrkamp), den er herausgegeben und übersetzt hat. Bruckmaier (wie Fahey) ein Wanderer durch die populäre Kultur: hat mit “Haschplatten” ein extremes Label gemacht, die ersten Poetry Slams in Deutschland organisiert, und ist mit seinen Hörspiel-Inszenierungen in fremde akustische Welten aufgebrochen.

Wird eine sehr amerikanische Nacht. Und irgendein Bezug zum Theaternamen könnte sogar auch noch auftauchen. Falls uns das interessieren würde/wird/kann.



TISCHTENNIS

ist die mieseste von den abscheulichen Sportarten, schlimmer als Dressurreiten, Schumi und Langlauf. Wollte ich gestern schreiben und brüllen.

Aber heute habe ich a) Deutschrock Gabi (die Gewinnerin des Viktor Cup 2000) und b) Hütte (Gewinner 2002 und 4.8.2007) besiegt. Und jeweils 2:0.

Ich war schon immer der Meinung, die Welt ist vollkommen eins a okay so wie sie ist.



DIE ENTE UND DAS KROKODIL

Wer glaubt, ‘La Paloma’ wäre immer und für alle ein stimmungshebender Unterhaltungsschlager, täuscht sich.

In seiner Biografie (bei dtv) erzählt Coco Schumann, dass er es auch spielte auf Befehl von SS-Männern, die etwas unterhalten werden wollten, während sie ihrer verantwortungsvollen Selektionsarbeit in einem Vernichtungslager nachkommen mussten.

Der jüdische Jazzer ist wahrscheinlich, neben Little Jimmie Dickens, der am längsten tätige Musiker auf diesem Planeten. Und Coco Schumann erzählt leidenschaftlich gern Witze. Hier darf ich mal einen weitererzählen.

Eine Ente schwimmt im Fluss und sagt dauern zu sich selbst: Wer bin ich? Ich weiß nicht mehr, wer ich bin! Sie schwimmt so dahin und fragt sich dauernd: Wer bin ich? Wer bin ich denn?

Kommt ein Krokodil dahergeschwommen. Die Ente sagt zum Krokodil: Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, weißt du, wer ich bin? Ja, sagt das Krokodil, du bist eine Ente. Aber, sag mal, weißt denn du, wer ich bin? Ja, sagt die Ente, du bist ein Italiener mit einer Lederjacke und einem langen Schwanz.

Dann, erzählte Coco Schumann weiter, habe er den Witz einmal einem Italiener erzählt, und der Italiener sagte zu ihm: Nicht alle Italiener tragen eine Lederjacke.