Produktion

STANDING

Im Winter 2012 hat mein alter Freund und Berater Dr. Hubl Greiner mit den Dreharbeiten angefangen, und nach diversen anderen Projekten ist jetzt auch „Standing“ draußen, und steht auch noch auf dem großartigen Videoportal Dbate. Natürlich bin ich der Falscheste, der den 45´-Film irgendwie bewerten könnte, an dem neben Andreas Niedermann (Buch) und HF Coltello (Musik) einige Freunde mitgearbeitet haben, aber an eine Weisheit meines Großvaters erinnere ich mich besonders gern: Ich mag nicht alle Männer, die ich bin.

STANDING – Ein Portrait des Schriftstellers Franz Dobler



AN JEDEM 20. JULI

muss ich auch daran denken, dass meine Eltern 1944 an diesem Tag heirateten. Meine Mutter erzählte mir einmal, dass sie an diesem Tag eine riesige Wut auf diesen Hitler gehabt hatte, weil er ihre Hochzeit kaputt machte. Denn kaum hatten sie Ja gesagt, wurde schon der Attentatsversuch gemeldet, und dann drehte sich alles nur noch um Hitler und für die Hochzeit interessierte sich niemand mehr. Und der Urlaub ihres Mannes war anders als geplant sofort wieder beendet. Ich weiß nicht, von welcher Front er kam und wohin er zurückbeordert wurde, weil er nie was Nennenswertes über Krieg und Fronterlebnisse erzählte. Er war in Norwegen, Griechenland und Frankreich. In unserem Hausgang hing ein kleines Ölgemälde mit der Akropolis drauf. Ich weiß nicht genau, was er in diesen Ländern gemacht hat, und ich weiß heute auch nicht, ob ich es jetzt wissen wollen würde. Er war bei der Marine, und ich glaube, sie haben mir schon als Kind den Witz erzählt, dass er nicht schwimmen konnte. Er hat es auch später nie gelernt. Als er schon alt war, wurde ein Neffe (oder die Verlängerung eines Neffen, ich weiß es nicht mehr) des Attentäters von Stauffenberg sein Hausarzt, und ich kann mich erinnern, dass er das mehrmals und immer mit großem Respekt, also für den Attentäter und seine Familie, erzählte, und ich kann mich erinnern, dass mich das etwas verblüfft hat.



EIN SCHLAG INS GESICHT (2)

Es gibt Neuigkeiten zum Delikt Stalking bzw. es scheint zumindest irgendwas voranzugehen. Ich hätte noch die Möglichkeit, beim letzten Korrekturvorgang zu meinem neuen Roman, dessen Nr.1-Thema an der Oberfläche Stalking ist, etwas zu aktualisieren, aber ich stelle fest, dass es nicht nötig ist. Doch, das ist beruhigend. Zumindest was diesen Punkt betrifft.schlag-ins-gesicht

http://www.sueddeutsche.de/panorama/neues-gesetz-warum-das-strafrecht-gegen-stalking-oft-machtlos-ist-1.3073898

(Erscheint bei Klett-Cotta/Tropen am 24. September 2016)



EIN SCHLAG INS GESICHT

come hell or highwater, 24. 9. 2016, Tropen Verlag:

schlag-ins-gesicht„Robert Fallner ist ziemlich am Ende. Seinen Job als Kriminalhauptkommissar ist er endgültig los. Seine Frau wohl auch. Zeit für einen Neuanfang, den ihm ausgerechnet sein Bruder, selbst Ex-Bulle und Privatermittler, ermöglicht. Er drängt ihm einen speziellen Fall in seiner Sicherheitsfirma auf: Den Stalker einer bekannten Schauspielerin zu stellen, von dem keiner glaubt, dass es ihn gibt.“

Während ich grade Manuskriptseite 132 korrigiere: „Er hätte lieber eine Filiale der Deutschen Bank in einem x-beliebigen Kaff durchsucht als das Lessing. Obwohl es natürlich auch interessant gewesen wäre, das Lessing zu durchsuchen.“



BALKANBALKON (18) / EIN BULLE IM ZUG (12)

Hier der 8´30-Beitrag des kroatischen Fernsehens über Ein Bulle im Zug, deutsch mit kroatischen Untertiteln. Und der ersten Information zum neuen Roman.

http://www.hrt.hr/enz/knjiga-ili-zivot/

„Doblers eigene Sprache ist maximal ungemütlich und von der Treffsicherheit des übernächtigten Bewusstseins, sie hartgesotten und nicht jugendfrei zu nennen wäre stark untertrieben.“ Jürgen Kaube, Frankfurter Allgemeine Zeitung



BALKANBALKON (17)

In Belgrad in der Fußgängerzone kaufte ich mir die erste Platte, eine 10-inch in bretterdickem Vinyl. Sinti-Roma machten den Stand, der mehr Bücher als Platten hatte. Ich hatte natürlich keine Ahnung, wer Dorde Marjanovic ist, doch das Cover weckte mein Interesse, eine 8-Mann-Combo mit Kontrabass und Vibraphon, 1958, was sollte da schiefgehen. Aber es musste gehandelt werden, ich kam von 20 auf 5 Euro runter und wurde zurecht ermahnt, dass das viel zu teuer war, aber es war am zweiten Tag in der Fremde und ich hatte noch kein Gefühl für Geld. Ich verteidigte mich, dass ich das mit garantiert viel Gewinn weiterverkaufen könnte. Was man so sagt. Sehr nett: Während ich die Platten durchsah wurde ich von einer jungen Frau auf serbisch angesprochen, ein Schwall Worte, sie dachte, ich wäre der Chef vom Stand (noch bevor sie meine kaputten Zähne gesehen hatte!).

Aber folgendes, was ich dann doch sehr schön fand: Dorde Marjanovic ist heute 84, ein serbischer Star (und keineswegs ein „ehemaliger Sänger“ wie Wikipedia meint, denn es gibt keine lebenden ehemaligen Sänger, trotzdem Dank an das Lexikon!), der auch internationale Hits eingeserbischt hat und mit Lee Dorseys „Yaya“ in Kusturicas „Underground“ dabei ist. Mann. Ich hätte ihn in Belgrad vielleicht besuchen können, aber ich wusste zu spät, was ich da hatte … tolle Platte.

Ich erinnere mich, wie mir Jonathan Fischer mal erzählte, als er am Anfang als Musikjournalist in New Orleans mit den großen SängerInnen redete, und er hatte nur im Telefonbuch nachgeschaut, und sie waren überrascht, dass sich noch irgendjemand für sie interessierte. Ja, wir interessieren uns. Nichts ist vergessen – so wie manche Sachen eben auch weder vergessen noch vergeben werden können.

Hätten Sie anders entschieden?



KEINE AHNUNG

warum das Bild da drüben ist. Ausgerechnet am Feiertag des Reinheitsgebots technische Probleme! Und eine innere Stimme, die ich sehr ernst nehme, die zu mir sagt, das ist aber nicht dein bestes Buch. Aber auch eine innere Gegenstimme, die ich sogar noch ernster nehme, die zu mir sagt, aber wahrscheinlich dein seltsamstes und deshalb vielleicht sogar dein mutigstes.

BierherzMit politischen Geständnissen von bleibendem Wert: Die erste Fassung des Haupttexts „Bierherz“ war in Theater Heute 11/1987 erschienen, als Franz-Josef Strauß noch bayerischer Ministerpräsident war. Daher der Satz: „Wer aber wird ihm nachfolgen? Ich rutsche auf bloßen Knien nach Altötting, wenn uns Stoiber erspart bleibt.“ Die Buchfassung erschien 1994, was eine Fußnote dazu erforderte: „Und kann mich nicht darüber freuen, daß mir diese Tortur erspart geblieben ist. Jetzt haben wir die Sauerei daliegen, >der ausgewiesene Rassist Stoiber< (Franz Schönhuber) ist an der Macht. Daß die Reinheit des deutschen Biers nicht von EG-Richtlinien ins Reich der Vergangenheit geschickt wurde, das haben wir seinem couragierten Vorgänger Max Streibl zu verdanken.“

Aber auch mit einer sorgfältigen Analyse des Mythos Bier im Text „Die reine Wahrheit“: „Zu den Mönchen hat Gott gesagt: Braut, was das Zeug hält! Für euch selbst, daß euer Schwanz immer besoffen ist, und für die anderen, daß sie aus dem Pissen gar nicht mehr herauskommen. Immer, wenn ihnen der Kopf sagt, daß er jetzt einmal etwas nachdenken will, dann muß sofort die Blase brüllen, daß sie jetzt geleert werden muß; denn Deutschland ist das Land, an dem ich Gefallen gefunden habe, und von Pisse und dem anderen Dreck, mit der Mensch angefüllt ist, soll es überlaufen, und die Bayern sollen die Bademeister sein und aufpassen, denn nicht ersaufen sollen die Deutschmenschen, sondern fröhlich plantschen und lallen und glücklich sein sollen sie und im Vollsuff dahinvegetieren bis ans Ende ihrer Tage!“

Und mit abenteuerlichen fünfzig Seiten Tagebuch aus Louisiana: „Ich hatte genug von Hubert Fichte gelesen,  um zu wissen, dass wir ein Voodootaxi erwischt hatten.“ Und mit einem Dutzend Sprengtechnik-Bildern von Barbara Weikhart. Kein Wunder also, dass das Buch so erfolgreich war, dass es eine zweite Auflage gab.



DER KOMMISSAR VOM SCHWARZEN SEE

Nachdem wir im Norden Montenegros den „schwarzen See“, den 1400m hoch gelegenen Gletschersee Crno Jezero in der Nähe von Bijelo Polje besucht hatten, wurden wir auf dem Weg zurück zur Brücke über den Tara Canyon von einem Streifenpolizisten rausgewunken. Unser serbisches Nummernschild, sagte der Fahrer. Er blieb ruhig und gab ihm alle Papiere. Sie redeten. Der Polizist gab ihm die Papiere zurück und sie redeten weiter. Dann telefonierte der Polizist und der Fahrer lachte. Was ist denn los? Er hat gesagt, sein Chef muss heute auch nach Belgrad, ob wir ihn mitnehmen könnten. Wir konnten. Hättest du auch nein sagen können? Klar, sagte der Fahrer. Eigentlich hätte er niemanden mitnehmen dürfen, weil es ein Firmenauto war … was heißt hier eigentlich!

Der Polizist fuhr los, um den Chef abzuholen. Wir genossen die Aussicht über die ganze Hochebene, an deren Ende schneebedeckte Berge standen. Wer´s nicht in den Himalaya schafft, kann es sich hier ansehen.

Der Kriminalkommissar sah aus, wie man sich in Deutschland einen SEK-Mann in der Freizeit vorstellt: Turnschuhe, Trainingshose, Kapuzenjacke, Sporttasche, Haare etwa 0,5mm. Wir platzierten ihn neben dem Fahrer, sie konnten sich unterhalten. Der Kommissar sagte ihm, wo das Tempolimit kontrolliert wurde und wo er wieder auf die Tube drücken konnte, und er kannte die Wirtschaft an der Strecke, wo wir was essen sollten. Der Fahrer übersetzte, dass der Kommissar und seine Leute es seit einiger Zeit verstärkt mit deutschen Touristen zu tun hatten, die sich in der Natur dumm verhielten und gerettet werden mussten. Die beiden unterhielten sich so gut, dass wir kaum was übersetzt bekamen.

Der Fahrer aß dann wie immer Cevapi und rührte, wie der Kommissar, den Salat nicht an. Ich habe vergessen, was ich gegessen habe, aber es war gut. Meine Frau hatte Fisch, der auch gut war. Warum kann ich mich an ihr, aber nicht an mein Essen erinnern? Der Kommissar telefonierte viel. Falls ich´s richtig verstanden habe, hatte er Urlaub und fuhr zu seiner Frau nach Belgrad, wo er mal einige Zeit als Security an der montenegrinischen Botschaft eingesetzt war. Ich fragte mich, ob man ihn strafversetzt hatte. Im Film landet der Kommissar dann ja immer in der Natur; kann mich an keinen umgekehrten Fall erinnern.

Der Fahrer war so begeistert wie verblüfft, dass im Fernseher dieses Restaurants an der Straße doch tatsächlich eine Doku über Pina Bausch lief und erzählte dem Kommissar einiges über die Tänzerin und Regisseurin, von der auch ich keine Ahnung hatte (außer Wuppertal, das hat man sich gemerkt). Der Grund wurde nicht herausgefunden, also warum diese Doku a) mitten am Nachmittag lief und b) hier im Fernseher.

Der Kommissar stieg ziemlich am Anfang in den Blockbergen von Belgrad aus. Zuletzt gab er dem Fahrer seine Karte. Super, sagte der Fahrer, sollte ich in Montenegro jemals ein Problem haben, soll ich ihn anrufen. Ich musste daran denken, dass der Bibliotheksleiter mit dem stellvertretenden deutschen Botschafter viel über Politik diskutiert hatte; bald würde darüber abgestimmt werden, ob sich Montenegro auf die Seite Rußlands oder der EU stellen würde; der Bibliotheksleiter hoffte auf die EU und befürchtete, dass es im Moment nicht besser als 50/50 stand. Der Botschafter erklärte mir, dass Montenegro ein unbedeutendes Land war, allerdings mit einem Zugang zum Meer, an dem Rußland sehr interessiert war. Auf der Fahrt durch die Berge viele Häuser und Hütten, die nach Armut aussahen, und der Fahrer erzählte, dass es hier Wölfe und Bären gab und jeder eine Waffe hatte. Der Kommissar erzählte, dass hier jeder legal Schnaps brannte (was ja in der EU nicht so gern gesehen wird); bei Andrzej Stasiuk in Fado gelesen, dass hier noch das Gesetz der Blutrache galt und dass es nirgendwo in Europa innerhalb weniger Kilometer so riesige Unterschiede zwischen arm (Berge) und reich (Küste) gab bzw. einem Leben, das wie seit Jahrhunderten ablief, und einem, das wie in einem topmodernen TV-Magazin aussah … Es konnte also auf keinen Fall was schaden, wenn man einen Kommissar in Montenegro kannte, dem man mal geholfen hatte.

Inzwischen war es Nacht, wir waren seit zehn Stunden unterwegs, am Bahnhof wurde der Verkehr nervenzerfetzend zäh, die Arschloch!-Rufe des Fahrers häuften sich – und dann reichte es ihm plötzlich, er zischte ab wie in einem Highway-Cop-Film, überholte alles auf Teufel-komm-raus und brach in wenigen Minuten einen Berg von Verkehrsregeln. Dennoch hatten wir auch ohne den Kommissar überhaupt keine Angst.

Später gab es keine Einigung über die Frage, ob die spontane Mitfahrgelegenheit für den Kommissar typisch Balkan oder typisch Montenegro war. Und wenige Tage später bekam ich sogar noch eine verblüffende Polizeistory …



DIE FARBE DER FARBE

Mit der Farbe der Farbe stimmte was nicht. Ich glaube, es ging um rot. Zweimal in zwei Tagen. Beim  ersten Mal dachte ich mir nichts, also erst mal nicht viel. Dann kam ein zweiter Verkäufer. Schaute den Tausender an, winkte ab. Beim Rausgehen begegnete ich dem Security-Mann, den der Verkäufer an der Kasse schon benachrichtigt hatte, ohne dass ich es bemerkte. Dann das zweite Mal. Drei Leute in der italienischen Bar-Bäckerei sahen sich genau an, ob mit der Farbe der Farbe tatsächlich was nicht stimmte, und ich fing langsam ebenfalls an, über die Farbe der Farbe nachzudenken. Wieder kam jemand dazu und winkte nach kurzer Prüfung ab. (Während der Banker, bei dem ich am Tag vor dem Abflug Geld tauschen wollte, nicht mal wusste, welches Geld in Serbien gebraucht wird).

Und ein Rom, dem ich einen Schein aus dieser Bankomat-Serie gab, fing sogar an, auf mich einzureden. Aber dann doch nicht wegen der Farbe. Er dachte nur das, was ich auch gedacht hätte. Wenn dir jemand einen Tausender gibt, gibt er der vielleicht noch einen, also bleib dran. Es ist so ähnlich wie mit den Notizen, die man sich unterwegs macht; wenn du tausend gemacht hast, von denen du nicht mehr weißt, wie du sie überblicken, ordnen oder sonstwie verarbeiten kannst, dann bleib einfach dran und mach noch Tausend mehr.

Wie Selman Trtovac am „Tag der Weisheiten“ (wie wir ihn nannten) meinte: Ein Künstler darf sich nicht so ernst nehmen, sonst kommt nur Scheiße dabei raus. (Oder hat er gesagt: darf sich nicht immer so ernst nehmen? Ich muss nicht in meinen Notizen nachsehen, um zu wissen, dass ich es nicht genau notiert habe.)

Bildergebnis für tausend dinar

DON’T DO THIS AT HOME!



EIN WEISSES HEMD

habe ich mir in Zagreb mit der so freundlichen wie nötigen Hilfe von Snježana Božin, der Leiterin der Bibliothek des Goethe Instituts, gekauft (und wir haben dabei nicht über Thomas Bernhard und sein Stück „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ diskutiert).

Hier der Link zum 8-min.-Film, den Nebojsa Vasic und Vesua Grba auf der Zugfahrt von Belgrad nach Zagreb gedreht haben, der am nächsten Tag, nach viel Nachtarbeit logischerweise, vorgeführt wurde. Mit dem wunderbaren Servicemann in der eigentlichen Hauptrolle, den Wes Anderson sofort engagieren würde. Er hat mir gezeigt, wo ich mal eine rauchen kann, wenn die Kontrolleure nicht in Sichtweite sind, und den Kaffeebecher sicher neben dem Feuerlöscher abstellen.

https://www.youtube.com/watch?v=aFNqnZwVcrI

Und hier der Link zu den Kulturnachrichten vom 05.04. – ab Minute 6:54 mit Edo Popovic und mir, und mit der fuckin (würde Edo sagen, der öfter fuckin sagt als Tony Soprano) bitteren Ironie, dass zwei Minuten davor der neue kroatische Kultusminister in der Sendung ist, der „einfach nur ein Faschist ist, da gibt es nichts Drumherum zu reden“, und der Edo Popovic als einen der Protagonisten einer sehr breiten Protestfront gegen sich hat…

http://www.hrt.hr/enz/vijesti-iz-kulture/329616/