Zu meinem neuen Hörspiel für Bayern2 bzw. für den „Radio-Tatort“ gibt es Hintergründe: den Landstrich zwischen München und Dachau habe ich schon in meinem Roman Tollwut etwas detaillierter beschrieben. Und sowieso habe ich für „Bankraub und Gerechtigkeit“, wie immer, weniger erfunden als es den Anschein haben mag.
Alle Namen wurden aus Sicherheitsgründen geändert, aber den erwähnten legendären Ausbrecherkönig Theo Berger gabs wirklich (mein Nachruf nach seinem Selbstmord 2003 steht nicht nur in meinem Buch Sterne und Straßen, sondern auch hier unten). Den großartigen Jazzclub Dachau e.V. gibt es, als Ort für Extremjazz, wirklich (vgl. meine Story „Von Zazo zu Free Jazz“ in The Boy named Sue, 2004).
Die Band Das Hobos, die von der echten Radio/TV-Moderatorin Caro Matzko alias „Princess Charming“ angesagt werden, gibt es wirklich. Sie haben alle Hörspiel-Sounds, inklusive im Jazzclub Dachau, komponiert und gespielt, und wir spielen manchmal zusammen. Mehr davon: https://dashobos.bandcamp.com/
Die Autoleidenschaft von Kommissarin Jaqueline Hosnicz hat sich aus der Autoleidenschaft von Schauspielerin Bibiana Beglau ergeben, von der sie mir bei einem Interview erzählt hat. Die Vergangenheit von Kommissarin Hosnicz ist allerdings nicht die von Bibiana Beglau, sondern an die Herkunft von der von den NSU-Nazis ermordeten echten Kommissarin Michele Kiesewetter aus Thüringen mehr als nur angelehnt.
Noch was zu melden? Ach ja, das Schiller Café aus der Schlussszene gibt´s nicht mehr. Den Jugendarrest, in dem ich viele Stunden verbracht habe, aber schon noch … Und wer ist eigentlich der Table-Dance-Boss, den Heinz-Josef Braun so bösartig gut spricht? Jetzt reicht´s aber … nichts zu danken. Halt: Wenn jemand das von Johanna Bittenbinder gesungene Lied nachsingen möchte, das erklingt auf der CD Sonntag von Kraudn Sepp (auf Trikont, mit langen Liner Notes von mir) … Und jetzt grüßt Gott!
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NACHRUF THEO BERGER / junge Welt, 26.11.2003
Die letzte Flucht
Theo Berger, der »Al Capone vom Donaumoos«, hat sein Leben beendet
Von Franz Dobler
Die Zeiten haben sich ganz schön geändert! Nur 2 000 Mark Belohnung versprach die Landpolizeidirektion Schwaben im Februar 1969 für Hinweise, die zur Ergreifung des Theo Berger führen, der »wegen zahlreicher bewaffneter Banküberfälle zu 15 Jahren Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt« worden und zwei Monate zuvor aus der »Strafhaft« entwichen war. »Vorsicht!«, schrie es auf dem Plakat, »Rücksichtsloser Gewaltverbrecher!« Und genau das stimmte nicht, es war furchterregend übertrieben.
Drei Monate später hatten sie den »Al Capone vom Donaumoos« wieder. Der Bauernsohn aus dem zwischen Augsburg und Ingolstadt gelegenen Dorf Ludwigsmoos war 28 Jahre alt und sollte sich dann zu Recht den Titel »Ausbrecherkönig« erkämpfen. Bis 1983 verließ er das als besonders sicher geltende Gefängnis zu Straubing viermal ohne Genehmigung. Seine Fluchten dauerten aber nie lange, maximal einen Monat. Schuld daran war wohl seine Liebe zur Heimat, man fand ihn im Donaumoos oder allenfalls eine Zigarettenlänge (in einem schnellen Auto) davon entfernt. Als der Strafvollzug 1985 wegen seiner Leukämie-Erkrankung ausgesetzt wurde, bekam er die Hauptrolle in Oliver Herbrichs großartigem Dokumentarfilm »Der Al Capone vom Donaumoos«. Der dann nach einem Banküberfall wieder im Knast saß, ehe der Film ins Kino kam.
Eigentlich ist der Vergleich mit Al Capone eine Unverschämtheit. Als das Treiben der sogenannten Berger-Bande, zu der auch zwei seiner Brüder gehörten, 1967 von der Polizei beendet wurde, gingen auf ihr Konto etwa 70 Auto- und andere Diebstähle, außerdem Automatenbrüche und »sieben Raubüberfälle«. Im Film erzählt eine Bankangestellte, die zweimal von ihm besucht wurde, sie habe keine Angst empfunden. Denn Berger war ein Gentleman-Gangster, das Gegenteil eines Typen, der irgendwelchen Leuten brüllend und durchdrehend eine Pistole an den Kopf hält und sie Todesängste ausstehen läßt. Seine Verbitterung und sein Haß auf Polizei und Justiz ist leicht verständlich, wenn er im Film erzählt, daß er in seiner Karriere nie einen Menschen getötet oder schwer verletzt und keine Frau und kein Kind vergewaltigt hat, und doch mit einer höheren Strafe als solche Täter einsitzt. Zuletzt hatte er zweimal 15 plus 12 Jahre (»wegen versuchten Polizistenmordes«) mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Ist das vielleicht kein großer bayrischer Heimatroman? »Der schöne Theo« hat ihn selbst geschrieben. Nach einer dreijährigen Einzelhaft hatte er schwere Sprachstörungen, das Aufschreiben seiner Geschichte gehörte zur Therapie. »Ausbruch« wurde angeblich aus dem Gefängnis geschmuggelt und erschien als 300 Seiten starkes Buch 1989 im Augsburger AV-Verlag, eine Neuauflage 1998. Wer etwas über Bayern erfahren will, sollte nicht auf den Verkehrsminister und Todesfahrer Otto Wiesheu hören, sondern diese Memoiren lesen.
»Mein schwerstes Verbrechen war und bleibt, daß ich meinen Bruder sofort als Partner akzeptierte, anstatt ihn darüber aufzuklären, was dabei alles passieren könne und wie das eines Tages enden würde.« (Alfons Berger wurde 1981 von der Polizei erschossen.) »Es wäre sicher für uns kein Problem gewesen, wenn wir uns zusammen auf eine legale Sache konzentriert hätten (…) In meinem Kopf aber waren nur Polizei, Justiz und Zuchthaus. Denen und überhaupt allen wollte ich zeigen, daß mir niemals mehr jemand etwas nachweisen kann, auch wenn meine Verbrechen noch so groß werden sollten (…) Als ich nach Hause kam [nach der ersten Haft], weinte Mutter wie üblich. Vater schimpfte nur rum, ich hätte in so jungen Jahren mein Leben schon ruiniert. Sicher werde es nicht lange dauern und ich würde wieder im Gefängnis hocken. Noch am selben Nachmittag, ich traute meinen Augen kaum, kam doch schon der erste Polizeiwagen auf unseren Hof zugefahren.«
Berger gegen die Bullen, es war ein tragikomisches Spiel, das er nicht gewinnen konnte. Genaugenommen war der populärste Verbrecher Bayerns ein Produkt der Behörden. Als 20jähriger hatte er nach einigen harmlosen Vergehen wie Kneipenschlägerei und Fahren ohne Führerschein eine unverhältnismäßig hohe Haftstrafe von drei Jahren bekommen, und danach legte er eben erst richtig los. Nicht dumpf-brutal, sondern gewitzt-charmant. Das machte ihn zum Volkshelden, durchaus im Sinn von Kesse Girls und heiße Flitzer! Es war bayrischer Rock’n’Roll: Kirchgang, Lehrer, Schützen- und Sportvereine konnte er nicht ausstehen. In seinen besten Zeiten rief er bei der Polizei an, nannte die Adresse des Autohauses, wo er gleich das beste Stück rausholen würde und erklärte ihnen, an welcher Straßenkreuzung er auf sie warten würde, und so war’s dann auch, und sie schnappten ihn nicht. Bergers irrsinnige Haftstrafen waren das Zeichen einer irren Wut: Von dem lassen wir uns nicht verarschen!
Von seinen 62 Jahren hat er 36 in Gefängnissen verbracht. Im Jahre 2036 wäre er entlassen worden. Am Freitag, dem 21. November 2003, wurde Theo Berger in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Straubing erhängt aufgefunden.