Musik

THANK GOD FOR BOB KAUFMAN & THE PLASTIC BEATNIKS

Die Plastic Beatniks sind LeRoy und Micha&Markus Acher, und sie haben mit ihrem großartigen neuen Album auf Alien Transistor (die Tracks aus dem Hörspiel „Thank God for Beatniks“ von Andreas Ammer, vgl. BR-Audiothek) BR-Musikjournalistin Judith Schnaubelt zu einer (weiteren) sehr schönen Sendung im Nachtprogramm angestoßen:

„The Plastik Beatniks reanimieren nun auf ihrem Album „All Those Streets I Must Find Cities“ die Kunst des afro-amerikanischen Beatniks Bob Kaufman mit jetztzeitigen Beats und Sounds aus Hip-Hop und Jazz. Gute Lyrics können auch die Tindersticks oder Calexico, und sie sind ebenfalls musikalisch vom Jazz inspiriert, auch wenn es aufs erste Hören gar nicht so scheint. Judith Schnaubelt fertigt aus all dem eine klingende Collage für diesen Podcast“ und hat den ganzen Stoff im Blick: „Während Beatnik Jack Kerouac selbst in jungen Jahren den Jazz feierte, werden seine Gedichte und sein Roman „On The Road“ von jeder Generation neu entdeckt und geschätzt. Nicht mehr so präsent ist heute, dass viele Jazzkünstler damals auch Dichter waren. Zum Beispiel Billie Holiday, Charles Mingus, Stanley Crouch: „And everything was sound and the words grew strong“, rappten die Last Poets im Jahr 1972 und bescheinigten dem Ganzen eine „sophisticated funkiness“. Arthur Lee von der kalifornischen Band L.O.V.E. reicherte seine Reime mit psychedelischem Rock an; Gil Scott-Heron verwebte politisch-poetische Lyrics mit Soul und Funk.“

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/podcasts/poeten-auf-dem-pop-planeten-100.html

https://theplastikbeatniks.bandcamp.com/

„The 12 wildly different songs and audi collages, on the transatlantically-produced album, „All the Streets I Must Find Cities For,“ is based on lyrics by Beat author Bob Kaufman. They were originally part of the radio play „Thank God for Beatniks,“ for which author Andreas Ammer („Ammer & Einheit“), brothers Markus and Micha Acher („The Notwist“, „Hochzeitskapelle“) and loop maker Leo Hopfinger („LeRoy“, „Das Hobos“)  formed „The Plastik Beatniks.“ On the eastern side of the Atlantic they composed music and crafted soundscapes. On the west side of the ocean, they asked three of the most renowned singers, activists and producers in the U.S. to recite or sing Bob Kaufman’s poetry.

Punk-pop icon Patti Smith immediately signed on to read Kaufman’s poem „Ginsberg (For Allen)“. Free jazz vocalist Moor Mother passionately performed Bob Kaufman’s „War Memoir“. American jazz clarinetist, composer, singer and “International Anthem” labelmate Angel Bat Dawid, a legitimate successor to Sun Ra, polyphonically read and sang such poems as „The Sun is a Negroe“ and „West Coast Sound 1956“ and included some clarinet solos on top. Also on the album, Bob Kaufman himself recites his previously unknown poems „Hollywood Beat“, „Would You Wear My Eyes“, and the „Jail Poem“ „All Those Streets I Must Find Cities For“. Beat chronicler Raymond Foye, who still lives at the Chelsea Hotel in New York, contributed an interview he conducted with late beatnik Allen Ginsberg about Bob Kaufman. Completing the circle was hip-hop artist Adam „DoseOne“ („13+ god“), who once gave Markus Acher a well-thumbed volume of Bob Kaufman, whom he admired. He contributed some raps. Thus 12 tracks emerged, as diverse as the artists, poets and musicians who contributed to it. More than an album. An epitaph. A work for the eternity of Beat.
Regarding Bob Kaufman – of course the FBI kept a file on him – first as a sailor, then a communist, and finally a Beat poet. As one of the mainstays of the movement, he edited the literary magazine „Beatitude“ in San Francisco and defined „Beatnik“ to Allen Ginsberg: half rhythm, half sputnik. Bob recited his poetry loudly on the streets (when he wasn’t sunk into years of silence in protest of the Vietnam War) and in the bars and bagel shops of North Beach. Once, he almost landed a pop hit („Green Green Rocky Road“), which then made Dylan’s companion Dave van Ronk famous. That Kaufman is today less known than his friend Allen Ginsberg may be because he was a black Beat poet, and also a Jew. This was not compatible with fame in the US of the 1950s. Though Kaufman had the same publisher, City Lights, as Ginsberg, he was frequently arrested and jailed, and was treated with electric shocks until he developed serious mental heath issues. There he wrote his „Jail Poems“. The seventh of these lent this album its name:

„Someone whom I am is no one / Something I have done is nothing
Someplace I have been is nowhere / I am not me
What of the answers / I must find questions for?
All these strange streets I must find cities for,
Thank god for beatniks.“
 

Umfangreiche neue Bob-Kaufman-Sammlung, übersetzt von Egon Günther:

„In den Anfangstagen der San Francisco Renaissance wurde Bob Kaufman so etwas wie eine Legende. Seine Dichtung entstand während der Dichterlesungen durchweg aus dem Stegreif, oft von Jazz inspiriert. Mit seiner Improvisationstechnik, dem surrealistischen automatischen Schreiben verwandt, schuf er ein Werk, das von visionärer Lyrik, durchsetzt von satirischen, meist dadaistischen Elementen, bis hin zu prophetischer Dichtung, gespeist aus politischem und sozialem Protest, reichte.“

http://www.stadtlichterpresse.de/buch/978-3-947883-08-0.html



BIRTHDAY PARTY

von irrem Ausmaß heute in Heaven and Hell, bekommen wir von Kai Keup mitgeteilt: „Allen alles Gute in nah und fern und heute ganz besonders:

# Hasil Adkins, der heute 85 Chickenburger nebst 85 Marlboros hätte verhaften können. # Willie Nelson darf heute 89 Sportzigaretten rauchen und zudem erscheint heute sein 72tes Album „A Beautiful Time“. # Klaus Voormann darf heute 84 Sangrias im Park trinken. # Tammi Terrell hätte heute 77 Gipfel mit Marvin Gaye erklimmen können. # Eddie Noack hätte heute 92 Steckerlfisch essen können.“



AUS DEM TAGEBUCH EINES ÜBEREIFRIGEN MUSIKSTUDENTEN (23)

MOANIN´ (Mingus) von Charles Mingus – MOANIN´(Timmons/Hendricks; wobei ich nicht weiß, wer zuerst ein MOANIN´ komponierte, bin zu faul, es rauszufinden) von Art Blakey – MOANIN´ (Mingus) von Mingus (auch um zu checken, ob es nicht vielleicht doch dieselbe Komposition ist … Unsinn, ich will es nur wieder hören) – MOANIN´ (Mingus) von The KutiMangoes – MOANIN´ (Mingus) von Mingus – MOANIN´ (Mingus) von The KutiMangoes (ich dachte, ich hätte mehr MOANIN´s, sicher, bin aber zu faul, danach zu suchen, also weiter KutiMangoes b-Seite von Afro-Fire) – MOANIN´ (Mingus) von Mingus (ich frage mich jetzt, ob die MOANIN´-Aufnahme von der Support-CD zur DVD Live in Europe 1975 at the Montreux Jazz Festival identisch ist mit der vom Album Blues&Roots) – MOANIN´ (Mingus) von Mingus´ Blues&Roots (ich bin zu faul, mich darauf zu konzentrieren, es ist ja auch so egal) – weiter mit Blues&Roots komplett mit MOANIN´auf A-3 nach Wednesday Night Prayer Meeting und Cryin´Blues – Wiederholung Mingus´ Blues&Roots komplett – Ich versuche, auf ein anderes Mingus-Album umzusteigen, aber ich hänge fest, ich komm nicht mehr aus MOANIN´ raus, ich brauche meinen Psychiater ifyanowattImean, 23:55, er geht nicht ans Telefon, steht auf ner Party rum voller Mitgefühl, auch egal, Wiederholung Blues&Roots mit MOANIN´, ja, das ist das – wie jemand mal fragte, was geht, wenn nichts mehr geht? – was geht, wenn nichts mehr geht.



BETTER GIT IT IN YOUR SOUL

am 100. Geburtstag von Charles Mingus – the revolution will not be televised, but the revolution was recorded…

Three or Four Shades of Blues - Wikipedia Deep Dive: Charles Mingus, SOMETHING LIKE A BIRD | Rhino

Charles Mingus Beneath the UnderdogSue Graham Mingus Tonight at Noon

Notizen. Erst sein (von ihm selbst geschriebenes) Buch hat mich ganz in den Mingus-Kosmos reingezogen und zum unheilbar Mingus-Süchtigen gemacht. Keine ordentliche Jazzgeschichte, sondern Literatur im Psychotaumel improvisierter Soundkaskaden (das Gegenteil von Miles Davis´ (von ihm selbst diktierter) Autobiographie könnte man sagen). Gerüchte, die ich noch nicht verifizieren konnte: +Sein Manuskript war viermal so lang, ehe es für die Veröffentlichung bearbeitet wurde. +Er ist mit dem Dichter Jack Micheline aufgetreten (Foto).



FÄUSTE

Join us at the greatest Faust of Krautrock: DAS HOBOS & Dobler und ZWEILASTER im FAUST STUDIO * 9.4. 20Uhr * 72516 Scheer

Keine Fotobeschreibung verfügbar.Keine Fotobeschreibung verfügbar.



DAS HOBOS & DOBLER KONZERT 7-4-22

Franz Dobler & Das Hobos (live) / Augsburg / 7. April 2022 / Grandhotel Cosmopolis

– – – w i c h t i g – – – Eintritt erfolgt unter folgenden Corona Regeln am Veranstaltungstag: Maskenpflicht auf den Wegen / 3G / 60 Personen – Bitte am Konzertabend den Namen (ggf. PayPal) beim Einlass für die Gästeliste nennen.

TICKET (includes unlimited streaming of Es ist laut via the free Bandcamp app, plus high-quality download in MP3, FLAC and more!) NUR HIER:

https://dashobos.bandcamp.com/merch/franz-dobler-das-hobos-live-augsburg-7-april-2022-grandhotel-cosmopolis

DAS HOBOS BRANDNEW 7“ VINYL Includes unlimited streaming of 5 a.m. | slip & slide via the free Bandcamp app, plus high-quality download in MP3, FLAC and more. ships out within 7 days * edition of 300 

https://dashobos.bandcamp.com/album/5-a-m-slip-slide



SOUNDS OF SURVIVAL FROM UKRAINIAN UNDERGROUND

(Ralf Summer, Zündfunk:) „Sounds Of Survival From Ukrainian Underground“ heißt ein Benefiz-Sampler von den beiden aus Regensburg stammenden Gebrüder Teichmann. Hannes und Andi haben den Sampler auf der Plattform bandcamp veröffentlicht, da die Künstler:innen dort – im Gegensatz zu anderen Musikplattformen – am meisten von den Einnahmen bekommen.

https://soundsofsurvival.bandcamp.com/?fbclid=IwAR3Yid_YkdmJrjytaNJXu9i0EUa9nuv3mlU-DXnJAllyhwNAvz6mgtPIq24

Andi und Hannes Teichmann wohnen in Berlin, sie haben in den letzten fast 20 Jahren in aller Welt aufgelegt – und sehr gerne waren sie immer wieder in der Ukraine. Dort haben mit einer ganzen Menge Artists Freundschaften geschlossen: „Seit 17 Jahren kooperieren wir schon. Daraus ist auch eine enge Freundschaft entstanden und aus dieser Perspektive haben wir uns große Sorgen gemacht. Ziel der Compilation war: Ein Raum für die Musik unserer befreundeten Künstler:innen zu schaffen. Ihnen wieder eine Sichtbarkeit zu geben. Einen Ort, wo die Musik stattfinden kann“, erzählt Hannes. Andi ergänzt: „Natürlich geht es auch um finanzielle Unterstützung. Die direkten Einnahmen gehen an das Kollektiv um die Musiker:innen, um ihre Familien zu unterstützen.“

Die Benefiz-Compilation veröffentlichen sie von Berlin aus über ihr Label “Noland”. Serge Dubrovsky aka Dubmasta (Kyiv), befreundeter Musiker und Koordinator der Compilation in der Ukraine, schickte den Gebrüder Teichmann diese Nachricht nach dem Release des Samplers:

„Eternal thanks and respect for your support. People love it, share it. Working on this compilation was like breathe of fresh air in these darkest days. Hope every minute this war is gonna stop. We can live in peace.“ (Serge aus der Ukraine)



BORSH DIVISION MUSIC & SPENDEN

Der berlinische Ukrainer Musiker und DJ und Trikont-Artist Yuriy Gurzhy hat diese, schon 2016 großartige Compilation mit Future Sound of Ukraine auf Trikont veröffentlicht, sie ist jetzt wieder erhältlich und die Einnahmen werden für ukrainische Kriegsopfer gespendet:

trikont.de

Trikont: „DIESE CD WERDEN WIR NICHT BEMUSTERN, sie ist ausschließlich zur Unterstützung der Ukraine gedacht und jede Verbreitung dieses Aufrufes wird ein kleines Puzzleteil der Hilfe für dieses geschundene Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner sein.
„BORSH DIVISION“ – DIGITAL DOWNLOAD HIER
Es gibt Zeiten, da fällt es schwer die richtigen Worte zu finden, da steht man fassungslos und ungläubig vor einem Desaster, das man sich in seinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen konnte. Ihr kennt das sicher auch und in diesen Zeiten hilft es, zu helfen und man ist froh, wenn sich eine Möglichkeit bietet.
Deshalb haben wir gemeinsam mit Yuriy Gurzhy entschieden, ab jetzt alle Erlöse aus der im April 2016 erschienenen CD „Borsh Division – Future Sound of Ukraine“ an die BRÜCKE DER HOFFNUNG (www.bdh.org) zu spenden. Yuriy Gurzhy, ein Ukrainer in Berlin und Herausgeber einiger Trikont-CDs hat diese tolle Musik für uns zusammengestellt.
Wladimir Kaminer, Autor und Trikont-Herausgeber, schrieb dazu 2016 unter anderem im Booklet: „Die Ukraine ist wirtschaftlich arm und vom Krieg gebeutelt, aber in seinem Geist ganz und gar Europa geworden. Ein Traum, den kein Präsident bisher verwirklichen konnte, wurde vom Volk aus eigener Kraft bewältigt. Die Menschen haben es geschafft, gehört zu werden. Das Selbstbewusstsein der Unkrainer ist unglaublich gewachsen, das zeigt die gute Musik, die die neue Ukraine macht, und die mein Freund Yuriy Gurzhy jetzt auf dieser CD versammelt: Sie hat ganz neue Töne. Hören Sie den Sound der ukrainischen Revolution – den neuen Sound Europas.“


WIR MUSSTEN LANGE WARTEN

auf die Trikont-Compilation SONGS OF GASTARBEITER VOL. 2 und vielleicht sogar verdammt lange. Aber die Sammler-Historiker Imran Ayata & Bülent Kullukcu haben es in diesen acht Jahren wieder so phantastisch gemacht, dass ich mich frage, warum ich jemals davon unbeeinflussten Germanen-/Brit-Pop hören wollte … Vol. 2 mit größerem Spektrum: neben türkischem Gastarbeiterpop gibt es griechischen und spanischen und mit Sonny Thet einen Blick zurück in den kambodschanischen „Bruderstaat der DDR“. Track 4 „No Seguiré“ von Dimension 77 haben übrigens FSK mal gecovert (okay, ich kann mich täuschen, aber es klingt wie die Wahrheit, ich schwöre).

Speziell gefeiert wird dabei Ozan Ata Canani (der letztes Jahr ein großes Comeback-Album veröffentlichte (siehe unten) und „unermüdlich betont, dass er ohne Songs of Gastarbeiter [Vol.1] nicht zurück zur Musik gefunden hätte“) mit dem das Album eröffnenden Shantel-Remix von „Alle Menschen dieser Erde“, das er im Schlusstrack in der „Acoustic Babo Version“ solo spielt, ein Solidaritätssong so groß wie ein Brecht-Klassiker.

Falls dieses Land Manieren hätte, würde es sich mal richtig für die Sound- und anderen Arbeiten bei diesen Leuten bedanken, aber von einem Land, das nicht mal seine sich ständig vermehrenden Nazis in den Griff bekommt, sollte man besser nichts erwarten.

https://trikont.de/shop/compilations/songs-of-gastarbeiter/songs-of-gastarbeiter-vol-2/

Songs Of Gastarbeiter 2 als CD trikont.de / CD, 2LP, MC und Digital (2* Vinyl im Schuber mit eingelegtem Booklet der CD-Edition inkl. Vinyl-only-Bonus-Tracks und Mp3-Download / CD / MP3 Download). ACHTUNG: Der LP-Versand ist wg langer Herstellungszeiten erst im Frühsommer möglich.

Ich schrieb in Konkret Nr.6/2021 in der Rubrik „Platte des Monats“ über Ozan Ata Cananis Album Warte mein Land, warte (Staatsakt/Fun In The Church):

In diesem Jahr ist das „deutsch-türkische Anwerbeabkommen“ 60 Jahre alt. Damit wurden der deutschen Wirtschaft Arbeitskräfte zugeführt, die nach zwei Jahren wieder heimgehen sollten. Wie es sich in Deutschland als „Gastarbeiter“ anfühlt, davon erzählt Saz-Spieler und Songschreiber Ozan Ata Canani eine Menge.

Dass er heute „Migrant“ genannt wird, ist für den deutschen Staatsangehörigen kein Fortschritt. Er ist mit „Ausländer Raus!“-Schildern aufgewachsen und sagt, dass es heute schlimmer ist. Der Name der Band, in der er vor 40 Jahren spielte, klingt aktuell: Die Kanaken. Um den immer wieder auftauchenden Heimat- und Leitkultur-Debatten der Germanen, die immer auch gegen andere jeder Art gerichtet sind, entgegenzutreten. Orient-Beat gegen Nazi-Rock, Canani-Lieder gegen Politiker-Sonntagsreden, „Kanak Sprak“ gegen die „Heimatschutz“-Armee. Denn „wir sind ja nicht zum Spaß hier“ (Deniz Yücel).

Auf Warte mein Land, warte, seinem ersten Album nach drei Cassetten von damals, präsentiert Ozan Ata Canani seine ganze Geschichte. Elf Songs, neue und alte, auch sein kleiner Hit „Deutsche Freunde“ von 1978, alles neu eingespielt mit Band. Geboren in Südost-Anatolien, wurde er von seinen Eltern als kleiner Junge nachgeholt. Er war so gut an der Langhalslaute Saz, dass er schon mit dreizehn von seinem Idol, dem alevitisch-türkischen Dichter und Sänger Aşık Mahzuni Şerif in Köln auf die Bühne geholt und sogar eingeladen wurde, mit auf Tournee zu gehen; was nicht nur ein streng muslimischer Vater nicht erlaubt hätte. Der Junge war aber nicht zu stoppen und gab sich diesen Künstlernamen: sein Rufname Ata ergänzt mit „Canani“ (der mit dem Herzen gibt und nimmt) und „Ozan“ (Dichter und Sänger), dessen Aufgabe sein Vorbild Aşık Serif darin sah, „die Problematiken seiner Zeit in seinen Liedern abzubilden“, und daran hat sich der Ozan Canani gehalten.

Er war tatsächlich erst 15, als er 1978 den Song schrieb, der ihn bekannt machte, ihm eine Musikkarriere versprach und heute wie ein Spiegel für seine Ups-und-downs ist. „Deutsche Freunde“ wurde sein signature song. Eine Anklage gegen diese angeblichen Freunde, die die Gastarbeiter brauchen, aber nur „als Schweißer, als Hilfsarbeiter, als Drecks-und Müllarbeiter“, und auf sie runterschauen und sie wieder abschieben wollen, wenn´s eine Krise gibt. „Es ist Atas Jahrhundertlied“, schreibt Musikforscher und DJ Booty Carrell in seinen Liner Notes, „und erscheint aus heutiger Sicht wie eine Prophezeiung“, denn es stellt auch die nie erledigte Frage: „Und die Kinder dieser Menschen sind geteilt in zwei Welten — ich bin Ata und frage euch, wo wir jetzt hingehören?“ Für sich hat er das inzwischen beantwortet: Die Türkei ist für ihn „nur noch ein Urlaubsland“ (in das er jetzt besser nicht einreisen sollte), und nach unserem Telefonat wird er von Leverkusen nach Köln fahren, um seine drei Enkelkinder zu besuchen.

Inspiriert von dem berühmten Max-Frisch-Satz „Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen“ war dieser Teenager also der erste, der einige gleichermaßen anatolischen wie deutschen Songs in die Diskussion oder auch Party reinbrachte. In seiner eigenen neuen Sprache, mit dem Mut, auf den Tisch zu hauen und für sich und die anderen Respekt einzufordern. Er kam damit in eine WDR-Dokumentation und 1982 in Alfred Bioleks populäre Sendung „Bio´s Bahnhof“. Und blieb doch zwischen den Stühlen hängen: den einen war´s wohl zu deutsch und den Deutschen sein Orient-Sound mit der Elektro-Saz zu fremd – erst 30 Jahre später wurden für den Sänger wieder ein paar Scheinwerfer mehr aufgebaut.

Die Gastarbeiterkinder Imran Ayata und Bülent Kullukcu, musikalisch sozialisiert mit Fugazi, Hüsker Dü und DAF, veröffentlichten auf dem Label Trikont 2013 die Compilation Songs of Gastarbeiter Vol. 1 (Vol. 2 kommt diesen Herbst), eine unglaubliche Lektion in Undergroundforschung, und da war „Deutsche Freunde“ Track Nr. 1; sogar frisch eingespielt, weil die Originalaufnahmen von seiner Ex-Frau entsorgt worden waren. Comeback für Ozan Ata Canani. Junge Migrant*innen interessierten sich für diese/ihre wenig bekannten Geschichten lange vor Rap, unter den Germanos gab es einen kleinen Orient-Balkan-Trend, angeschoben von Fatih Akins Film Crossing The Bridge – The Sound of Istanbul oder DJ Shantel und beim wie immer international informierten Trikont-Label vor allem von DJ Ipek Ipekcioglu („Import Export a la Turka“ u.a.) und Yuriy Gurzhy („Russendisko“ u.a.).

Für mich unvergesslich, wie ich irgendwann 2018 den Optimal Plattenladen in München betrat und der Chef und Gastarbeiterkind Christos Davidopoulos sofort sagte, ich müsste diese neue Single sofort hören! Dann donnerte Ata Catanis Song „Alle Menschen dieser Erde“ durch den Laden, ein Lied zum Losheulen, „alle Menschen groß und klein, wollen glücklich sein“, ein Solidaritätslied von Brecht´schem Ausmaß – und ein funky Orient-Pop-Dancetrack, das wird man wohl noch sagen müssen, und kann´s von einigen Songs sagen, neben denen jetzt einige dieser melancholischen Liebeslieder stehen, die alle Exilanten-Migranten-Tschuschen-Kanaken überall zu allen Zeiten singen. Es war quasi die Vorab-Single zu dieser LP, ebenfalls auf dem Staatsakt-Sublabel Fun In The Church, mit Karaoke-Version als b-Seite. Es ist auch ein Zeichen von Gerechtigkeit, dass das Album jetzt bei einem der in jeder Hinsicht besten deutschen Labels erscheint.

Es kommt mir etwas unfair vor, dass der politische Sänger hier den Musiker etwas verdrängt (obwohl ich das Instrumental „Maraşlım“ ständig höre, das man auch wie ein Echo auf Dick Dales Surf-Hit „Misirlou“ hören kann, den er ja aus dem griechich-türkisch-arabischen Raum importiert hat), aber das ist eben unvermeidlich. Für den Künstler ist das Album „voller realer Erfahrungen, die über Gastarbeiter erzählen“ und „von der Arbeitswelt der ausländischen Arbeitnehmer Deutschlands“. Mit einem todtraurigen Titelsong: Der Plan und Traum von vielen, irgendwann in die alte Heimat zurückzukehren, hat sich nie erfüllt, auch für seine Eltern nicht. Und sogar der sozusagen totalintegrierte Ata Canani kennt diese Sehnsucht und singt „warte mein Land, warte, ich komm ganz gewiss“ mal zurück, mit der bitteren Pointe, dass es dann „im Sarg ist.“

Wir haben uns auch darüber unterhalten, wie man seine Musik denn nennen kann. Sicher ist, dass sie (wie er auch von allen singt, denen „aus Italien, aus Portugal, aus Spanien, aus Griechenland und Jugoslawien“) eine starke Mischung ist und nichts Nationalistisches oder Authentisches, dieser unsinnige Ausdruck, der immer auftaucht, wenn was als „Worldmusic“ deklariert wird. „Lieder und Texte, deutsch und türkisch, basierend auf anatolischer Volksmusik“, sagt Ozar Ata Canani. Mit Anadolu Folk-Pop könnte er auch leben. Ganz egal. Ich würde gerne mit mehr Platten von ihm weiterleben.

 

 



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AlienDisko#5 2022