Musik

STEVE TRAIN & HIS BAD HABITS

(Veröffentlicht in junge Welt v. 7.12.:)

ROCKABILLY ÜBERLEBT ALLE

In Berlin am 7.12. mit Steve Train & His Bad Habits

 Es war Rocko Schamoni, der vor einigen Jahren in einem Booklet verkündete: „Rockabilly ist das nächste große Ding!“ Dass er sich auskennt, wusste man seit Schlagern wie „Sex, Musik und Prügeleien“, doch die Vehemenz des Statements verblüffte. Oder war´s nur Rocko-Humor? Wie schon Miles Davis meinte: So what.

Sicher ist, dass Rockabilly den Superbruder Rock´n´Roll überlebt hat. Was wohl auch daran liegt, dass Rockabilly wenige dieser Megahits hatte, die das Genre Rock´n´Roll platt machten. Auf „Die Knaller der 50&60er“-Samplern findet sich kaum je ein Rockabilly-Klassiker, außer Carl Perkins´ „Blue Suede Shoes“ natürlich.

Im Grunde hat „Rockabilly´s Main Man“ Charlie Feathers alles dazu gesagt: Sowohl Rockabilly als auch Elvis waren nach Elvis´ ersten fünf Sun Records-Singles fertig. Dass der Raum hinter seiner Aussage allerdings riesig ist, sieht man schon daran, dass zu dem Zeitpunkt Feathers´ eigenes Werk gerade mal angedeutet war.

Rockabilly wurde/wird immer wieder ausgegraben und renoviert und wird alle überleben. Weil es eine offene, kompatible Form ist. In die sich jeder Ska-, Jazz-, Gypsy-, Country- oder versierte Popmusiker leicht einmischen kann. Das ist auch, aber auch gern mehr als eine Nostalgienummer; es ist Retromania, aber für manche eben eine Maschine, um weit zu reisen. Joe Strummer kann man dazu nicht mehr befragen, aber bei Konzerten von Jon Spencer oder Smokestack Lightning kriegt man´s mit.

Oder bei deren Freunden Steve Train & His Bad Habits  Freitagnacht im Berliner Bassy Cowboy Club. Wo man nicht nur zu ihrem so heißen wie eleganten Rockabilly abgehn wird, sondern auch eine gute Dosis Garagenbeat und Swingbilly bekommt. Anfang des Jahres erschien ihr erstes Album „The Lost Jack Rhodes Tapes“. Damit verbunden ist eine schöne Geschichte. Ich habe sie in den Liner Notes erzählt.

Diese Songs sind scheinbar vom Himmel gefallen. Vor vielen Jahren hat sie drüben in Texas Jack Rhodes (mit-)geschrieben. Für wen? Von mir aus vielleicht für diese Bayern, die man wegen ihrer schlechten Gewohnheiten zurecht die Texaner Germanys nennt, dachte sich Rhodes, die sollten endlich mal was Gutes tun! Dann warf er die Aufnahmen in die Luft. Eine riskante Methode: prompt wurden die meisten dieser neun Songs nie veröffentlicht. Ehe sie in der Ex-US-Militärbasis Augsburg in guten Händen landeten. Spielte keine Rolle, dass bei Jack Rhodes´ Tod 1968 keiner von Steve und seinen Freunden geboren war. Denn die wissen, was Webb Pierce einst gesagt hat: Good taste is timeless! Und Yessir, es wurden schon weniger seltsame Begebenheiten zu Wundern erklärt.

In Süddeutschland ist Steve Train als langjähriges Mitglied des DJ-Teams Go-Go-Club bekannt, und ich darf hinzufügen, dass die actionfreudige und äußerst musikinteressierte Rockabilly-Truppe im eher etwas dämlichen Augsburg eines der wenigen Highlights ist. Außerdem ist der gelernte Grafiker ein großer Plattenjäger von Geburt an. Und so entdeckte er eines Tages im Weltnetz, dass jemand Kartons mit Tonbändern aus Jack Rhodes´ Studio verscherbelte.

Train hatte kein Tonband, aber ´nen guten Instinkt. Zu der Zeit probierte der viel mehr gefragte als bühnengeile Sänger und Gitarrist mit Freunden ein bisschen rum, die sich als Band The Snaaake Charmers nennen, oder auch mal Howlin´ Max Messer oder Beef Jerky; in jedem Fall können sie dem Teufel beide Ohren abspielen. Um sie als seine Bad Habits zu rekrutieren, musste ihnen Steve nicht erklären, wer the fuck dieser Jack Rhodes war.

Der 1907 geborene Texaner ist heute ziemlich vergessen. Obwohl jeder was von ihm kennt. An der Spitze „A Satisfied Mind“, 1955 ein Nr.-1-Hit für Porter Wagoner, gecovert von Dylan bis Jonathan Richman und mit Cash in „Kill Bill 2“. Der ältere Herr konnte das neue Ding Rock´n´Roll nicht besonders leiden – und wurde einer der großen „Rockabilly Poets“. Er war eigentlich kein Musiker, sondern „Songwriter/Songplacer“ (Kevin Coffey), ein Geschäftsmann, der Songs schrieb, um sie zu verkaufen. Gene Vincent wurde sein wichtigster Abnehmer, zuerst mit „Woman Love“; nicht nur „Rock-n-Bones“ und „Action Packed“ wurden zu Klassikern.

Was Steve Train auf den Bändern mit ca. 150 Songs hörte und in hellste Aufregung versetzte, war dies: Rhodes hatte in seinem Studio nur Skizzen aufgenommen, um Plattenfirmen einen Eindruck vom Song zu vermitteln. Den man auch anders interpretieren konnte. Und genau das machen die Bad Habits, sie spielen es, mit angemessenem Respekt, so wie sie´s für richtig halten. Die meisten der Songs auf dem Album kamen sozusagen noch nie vom Band und so kann sich jetzt jeder davon überzeugen, dass Rhodes mehr Perlen als die Hits, oder was später auf die Compilations von Ace und Norton kam, geschrieben hat.

Und damit ist unsere Stunde schon wieder um – jetzt geht raus und spielt schön und streitet euch nicht. Und wage es niemand, vor Sonnenaufgang wieder daheim zu sein.

 Konzert: Berlin, 7.12. Bassy Cowboy Club 21h. LP/CD beim guten Händler. “Voodoo Love” auf Youtube



MEIN SPIRITUELLER ANLAGEBERATER

Hubl G. hat einen großartigen Artikel über Musik und -machen geschrieben, genauer gesagt, es ist die genaue Skizze zur von ihm gehaltenen Rede anlässlich der Verleihung des Dr.h.c. der Universität von Irkutsk/Sibirien aufgrund seines musikalischen Lebenswerks, zu dem auch einige Produktionen mit der sibirischen Sängerin Stepanida Borisova gehören.

Unsere Wege hatten sich am Anfang gekreuzt: Ich schätze 1978 schrieb ich meinen ersten Artikel über Musik in den Schongauer Nachrichten und das war zugleich der erste Artikel, der über ihn (bzw. seine damalige Band Allgäu) geschrieben wurde. Um diese Begegnung zu verarbeiten, ließen wir uns auf verschiedene Kollaborationen ein (vgl. CD Ich möchte Musik machen können – A Tribute to Rainer Werner Fassbinder, für die wir einen Track als Fans mit Blumen einspielten, oder The DJ Hörspiel Ensemble) und tun das weiter bis übermorgen.

http://www.hubl.com/die-kraft-der-neugierde.html

(ex-Foto:) Mein spiritueller Anlageberater Hubl Greiner is “a devil-of-a-fellow and probably one of the most creative producers and musicians in his profession in Europe”, schrieb das Ear Magazine/New York.



NEUER BAYERNVOLKSPOP

Mit einigen Freunden, die sich mit dem anhaltenden Trend der neuen, jugendlichen, scheinbar so wahnsinnig lässigen, angeblich besonders talentierten bayerischen Volks- und Irgendwie-Popmusik ziemlich gut auskennen, hatte ich erst paar Diskussionen.

Die eigentlich keine Diskussionen waren, sondern Beschimpfungen in dieselbe Richtung. War keine große Überraschung, aber auch etwas beruhigend, dass der jeweils andere diesen pestartigen Trend im Fahrtwind von La Brass Banda, für die sich auch schon keiner begeistern konnte, auch nicht leiden konnte. Manchmal ist es eben ein okayes Gefühl, zu merken, dass man nicht ganz allein in der Meinungswelt herumsteht.

Ich erinnerte mich vage, dass ich über diesen ganzen Mistkarren schon mal geschrieben hatte. Und tatsächlich. In Trash No.9,  1994, hatte ich die erste Welle mal kurz ins Visier genommen, anlässlich der Veröffentlichung von Attwengers „Luft“ auf Trikont. Hat also nichts geholfen, aber hinzufügen kann ich dem auch nichts:

„Es macht mir keinen Spaß, eine offene Tür einzurennen, und deshalb fällt mir zur Neuen Alpenländischen Volksmusik (NAV) was anderes ein: Aus regional bedingten Gründen interessiert mich die NAV schon die ganze Zeit und mittlerweile habe ich die meisten ihrer Mitglieder bei Liveauftritten oder im Fernsehen mitbekommen.

Und inzwischen gehöre ich zu der Gruppe, die glaubt, dass das meiste von der NAV ziemlicher Humbug ist. Ich weiß schon – die SPD-Chefin Renate Schmidt sagt öffentlich was ganz anderes. Sie findet die NAV „im Großen und Ganzen“ ziemlich toll. Aber schon Engholm hat sich positiv zu Hiphop geäußert und ist trotzdem Baden gegangen.

Das alte und immer kotzigere Problem der SPD: zu Allem und Jedem den super-modernen Max raushängen lassen, und wenn dann die Asyldebatten anstehen, den Schwanz einziehen und den Schulterschluss machen mit jedem x-beliebigen reaktionären Dreck.

Als solchen kann man jetzt keinen NAV-Text bezeichnen, aber doch viel zu viele gehen stark in Richtung dusslige Naturverbundenheit und Träumerei von einem Alpenland in zart gemalten Farben. Wobei mich selber die Beobachtung verblüfft hat, dass, musikalisch betrachtet, die Altmodischen spannender sind als die Fraktion der Schlagzeug- und E-Gitarren-Benutzer.

Das ist schon fast eine Faustregel: Was an Rock- und Popmusik in die NAV reingeraten ist, ist naiv, lächerlich, vorgestrig – mit einem Wort: haarsträubend.

Hubert von Goisern kann so authentisch reden und sympathisch abrocken wie er will, aber mit seinen Alpinkatzen hat er fast nur Mist eingespielt. Den hätten Sparifankal schon vor 15 Jahren aus dem Zelt gefegt. Wobei ich – schlimm genug – klarstellen muss, dass ich nicht zu denen gehöre, die behaupten, die Alpinkatzen dürften nicht zur NAV gehören, weil sie schon zuviel Rockmusik machen; auweh – wenn man sich diese Gruppe der NAV-Anhänger mal genauer ansehen würde: keinen Pfennig würde ich da auf irgendwas wetten!

Zumindest eins ist dem Kenner jetzt natürlich klar: Die Interpreten kann er mit dem Gemaule aber nicht meinen! Meint er auch nicht. Und Attwenger natürlich sowieso überhaupt nicht. Ich kanns drehen und wenden, wie ich will, von Text bis Bühne, von Traditionskenntnis bis Tonträger und von Leidenschaft bis Modernität: Attwenger sind einfach in der Hitparade der NAV eine Klasse für sich. Sie waren das von Anfang an und daran hat sich auch mit dem neuen Album „Luft“ nichts geändert.

Wie lange sie das durchhalten, kann ich nicht wissen. Nur eins würde mich glaub ich nachdenklich machen: Wenn sie zur Eröffnungsgala einer bayrischen Ministerpräsidentin aufspielen mit einer Renate Schmidt am Saxophon.“

Tja, da war inzwischen ne Menge Kommen und Gehen da draußen. Nur eins ist klar: Attwenger überleben sie Gottseidank alle, und, möchte man so gesagt hinzufügen, mit einer extremst hohen Nachhalltigkeit.

If in doubt consult your local Heimatpfleger. Fangen Sie das Gespräch mit „Kraudn Sepp konnte ja bekanntlich kaum Notenlesen“ an, damit er/sie Sie auch gescheit ernst nimmt.



NYC:NORTON REC NEEDS HELP!

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For the first time in Norton’s history, we are asking for your help. It has been entirely against our policy and nature to ask anyone for anything, in the entire history of our magazine and label. It hurts us to even suggest that any of you who have supported the label and our artists by purchasing Norton records over the years, to support us over and above with a donation. But it has indeed come to this. We have added a donate button to our website.  Here’s the story. Every penny of what you donate will go into remanufacturing record jackets and sleeves for the vinyl that we salvage. No donation money will go into our day to day expenses so long as we can go forward on a minimal budget. If we get to the point where we cannot meet our monthly budget, we will ask again. But now, all donations go into getting the Norton label records back out to the public. We will write more about the procedure in days and weeks to come. Several people have benefits in the works, and we are grateful to you all. Send us any benefit links and we will post and propagate on the Norton site. If any of you are computer, website, internet geniuses, share your smart thoughts with us.

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So, Norton Records and our print subsidiary Kicks Books has been savaged by Hurricane Sandy. Our stock and archive has been housed for the past seven years in Red Hook Brooklyn, at the historic Van Brunt Warehouses, pre-Civil War brick warehouses that were built to warehouse DRY GOODS — tea, coffee, spices, and sugar. In fact the Domino Sugar Co. warehouse was right next to our place until recently, when their silo was torn down. There was no doubt in our minds that the Red Hook warehouse was secure– it had withstood 150+ years of nature’s fury, after all. The insane and demonic combination of the hurricane, the high tide, the full moon and full-on interplanetary wrath resulted in a vortex that tore directly in through the waterways separating Brooklyn from Staten Island and straight into the island of Manhattan.

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Most of you know the history of the label. Billy Miller and myself (this is Miriam Linna here) started the label in 1986 as an audio offshoot of our Kicks Magazine which we had been publishing since 1979. The label is focused on music that has been forgotten by the main veins that feed the public. It’s been a struggle from the start but in celebrating the label’s 25th anniversary exactly one year ago, we truly felt that we have reached a point where we could at least continue with releasing records and exposing people to the greatest rock n roll on the planet. Here we are today, soaked to our skin with so much destruction.

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Nearly all of the Norton Records stock – our label’s LPs, CDs, 45s, picture sleeves, CD booklets, record labels and more, as well as the stock on other labels we distribute including Relic, Crypt and Stompin’ merchandise plus mail order-only stock he entire Kicks Books and Kicks Magazine stock was destroyed. We have small existing quantities of things at our home office, but very little. Thankfully, two full printings of the latest Kicks Books, GETTING IN THE WIND by Harlan Ellison and LORD OF GARBAGE by Kim Fowley, are high and dry at the printer.  Also, our new releases are scheduled in as soon as trucks are rolling- several new El Paso volumes, T. Valentine and Daddy Long Legs, the Horror Of Party Beach guys The Dynamic Delaires ZOMBIE STOMP, and  Kim Fowley KING OF THE CREEPS LP/CD. Release date is Nov. 20 for all things new. Our entire Norton archive went underwater, including all of our correspondence, photos, documents, reviews, master tapes, ephemera, posters, including at least ¾’s of my vintage paperback collection (several thousand books) and virtually all of the old magazines and fanzines which went back to the 1940’s, again, numbering into the several thousands, interview tapes, 25 years of correspondences with Norton artists, original photographs, original rock n’ roll and movie posters, Norton business records, family items, furniture, musical equipment, my Del-Aires-owned 1962 Slingerland drum kit (Ironically we have just released the Del-Aires LP, after years in the process–!– I’m goint to drag the kit out of the swampy rubble today, having set it to drain last week. If it’s bent and banged, so be it. Maybe it’ll be a new even more “warped sound” for the A-Bones and Figures of Light), recording equipment, our 1948 Lady Robin Hood pinball machine, Billy’s baseball collection….all waterlogged, and mos of it, if you will excuse the expressiton, dead in the water. The shock and horror of the loss on every level is difficult to deal with, but we are clinging to the hope of surviving as a label by saving the records. We will them proceed with re-manufacturing 7” sleeves and LP jackets one title at a time. We are hoping to still ship new releases by November 20th, and hope you guys and gals will get aboard with these releases, as we try very hard to get on track.

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We have a mind boggling 2013 release schedule for Norton Records and Kicks Books and it’s our hope that we can still DO IT. Billy’s Ultimate Kim Fowley Singles Discography 1959-1970 which was scheduled to appear on our website to coincide with Kim’s new book and album has been postponed indefinitely. We thank our friends at Interfuel who have worked diligently to launch our new website, which is on hold right now until we can assess what we need to remove from availability. We ask a few questions- can you people deal with 45’s without sleeves, in other words, will you buy our 45s if they just have white sleeves right now– it will take a long time and a lot of long green to get new sleeves made for all of them? Please let us know if any of you geniuses have ideas on how we can carry on, or move forward. We think if we get even a few volunteers with scanners and laptops and maybe drying space who can help dry documents and scan them. Like maybe one person would be willing to take a few artist files, separate and hang them to dry and then scan them.. how does that sound? That’s one thing that is a race against the clock. But vital is getting the vinyl washed and dried and resleeved.

                           VOLUNTEERS

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We could not have even gotten this far without the help of so many amazing volunteers – friends, family, neighbors and complete strangers. Fellow record companies like Sundazed, Daptone, Telstar (US) and even Sony Legacy have sent their able people over to provide their muscle and hustle. Norton Records is still in desperate need of volunteers to clean vinyl. Some much needed good news – the wonderful folks at the Spin-Clean Record Washer Company have donated a dozen record washing machines and gallons of cleaning fluid to help our cause. We can’t thank them enough as this will speed up our recovery process. If you would like to volunteer with our salvaging effort and clean records at our Prospect Height, Brooklyn office any day or time between 11AM-11PM,  please e-mail us at email hidden; JavaScript is required with VOLUNTEER in the subject line or call 718-789-4438 (office) or 917-671-7185 (Billy’s cell phone) and we will give you directions and updated information. No text or facebook replies for volunteering please.

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RY COODER (4)

„Great victory against bad people!“



OUT TAKE (FÜR DICH)

Thema:unglaubliche Outtakes. Hier einer von Nils. Auf keiner Platte.

http://www.youtube.com/watch?v=8IWuYYKOmL8



ROCK’N’ROLL FEVER (4)

„…you will be saved by Rock´n´Roll“, hat jemand ins Kondolenzbuch für Nils Koppruch geschrieben. Und ich will hoffen, dass es so ist.

Die Ausstellung „Rock´n´Roll Fever“ mit den Bildern von Guido Sieber wird, inzwischen (nach Frankfurt, Kassel, Berlin) zum 4. Mal, am 22. November in Schwerin eröffnet. Aus unserem bei Edel erschienenen Katalog hier der Text zu Washboard Sam, der am 6. November 1966 die Welt, die wir nicht kannten, verlassen hat:

„WASHBOARD SAM (Abb. 4) montierte den Teller eines Plattenspielers auf sein Waschbrett, um mehr Sound und Power zu haben. Im Chicago der 30er-Jahre wurde er zum beliebtesten Schrubber, nachdem er, wie üblich, die Ausbildung auf der Straße abgeleistet hatte. Seine jazzy pulsierenden Aufnahmen, die er auch als „Ham Gravey“ oder „Shufflin´Sam“ veröffentlichte, wurden mit Gitarre, Klavier, Klarinette verstärkt und waren erfolgreiche Vorläufer des heftiger werdenden Chicago Blues der 40er, in dessen elektrischem Trubel er nicht mehr mitmischte.

Eine frühe Blues-Karriere mit versöhnlichem Ausgang: Robert Brown alias >Sam machte bis 1947 Aufnahmen. Dann gab er die Musik auf und wurde in Chicago Polizist. Er führt mit seiner Familie ein ruhiges Leben im Süden der Stadt<, schreibt Samuel B. Charters, der vielleicht beim Schreiben so gerührt war, dass er ein paar spätere Aufnahmen zu erwähnen vergaß, ebenso das kleine Comeback, das den Cop sogar nach Europa führte, kurz vor seinem Tod 1966.“



NILS KOPPRUCH

hat den Song „Eckensteher“ über die Melodie eines alten Hamburger Volkslieds von Ludwig Wolf für das Trikont-Album „return of the TÜDELBAND (inspired by Gebrüder Wolf)“ geschrieben und mit seiner Band Fink eingespielt:

ECKENSTEHER

Mit den Eckenstehern steh ich in den Ecken rum / Und wir warten drauf dass irgendwas geschieht / Und wenn endlich was passiert stoßen wir uns an / Weil wir wussten dass sich irgendwas ergibt / Und wir wissen auch genau dass es so weiter geht / Wenn nicht irgendwann mal irgendeiner sagt / Lasst uns eine Ecke weiter gehen / Irgendwann komm´n die andern nach

Jo ne, doch, ne ich sag mal so / Mann muss ja sowieso / Irgendwann mal weg von hier / Und warum dann nicht jetzt schon

Und ich denk an all die Ecken wenn´s zu Ende geht / An all die Ecke wo ich schon mal stand / Und ich denk an all die Straßen die ich runter ging / Und all die neuen Ecken die ich dann noch fand / Und jetzt wart ich noch auf meinen letzten Atemzug / Und dass ich noch zum letzten Male sag / Lass uns eine Ecke weiter gehen / Irgendwann komm´n die andern nach

Jo ne, doch, ne ich sag mal so / Man muss ja sowieso / Irgendwann mal weg von hier / Und warum dann nicht jetzt schon.

***

Außerdem von Fink auf dem Album (US-0313, 2003) eine Coverversion des Ludwig Wolf-Schlagers „snuten un poten“.  Ebenfalls als Originalveröffentlichung von Nils (unter dem Bandnamen Mann ohne Schmerzen, mit Andreas Voss) erschien auf dem Trikont-Album „a boy named sue – Johnny Cash revisited“ 2002 ein Cover von „Big River“ (er sang englisch). (Die Songs von Fink bzw. Nils Koppruch auf den Compilationen Perlen Deutschsprachiger Popmusik Vol. 2 und 4 waren Auskopplungen von den Alben).

Hier die Diskographie der Alben mit Fink, Solo und Kid Kopphausen:

http://nilskoppruchsupport.wordpress.com/



NILS KOPPRUCH

kurz vor seinem Tod im TV:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1750268/TV-Noir:-Kid-Kopphausen-und-Late-Call



GRAM PARSONS

starb heute vor 39 Jahren. Für den Band SZ-Diskothek 1974 schrieb ich dies über ihn:

In My Hour Of Darkness

Das Leben des Gram Parsons war kurz, heftig, tragisch. Ein düsteres und durchgeknalltes Rock’n’Roll-Märchen: mit dem genialen Künstler und vielen Drogen, mit geerbten Millionen und einem gestohlenen Sarg.

Gram Parsons lebte nicht mehr, als im Januar 1974 sein zweites Solo-Album „Grievous Angel“ erschien; dieser verletzte, kaputte, traurige Engel, das        war er selbst. Nach den Aufnahmen in Hollywood fuhr Parsons mit Freunden zu seinem besonderen Ort im Joshua Tree Nationalpark, um auszuruhen, umgeben von Wüste und Felsen. Dort starb er am 19. September 1973 mit 26 Jahren in einem Motelzimmer an einer Überdosis verschiedener Drogen.  Seinem chaotischen Leben hatte er ein schmales Werk abgerungen, in dem es nicht einen kleinen Hit gab; auch das letzte Album war trotz diesem Tod und seiner irren Geschichte danach ein Misserfolg. Von den vier Platten mit anderen Bands schaffte es eine in den unteren Bereich der Top-100-Charts. Nur eine kleine Szene wusste, dass dieses unzuverlässig-unproduktive Genie ein bedeutendes Werk geschaffen hatte.

Wenige Jahre später wurde jede Produktion, die Parsons geprägt hatte, als Meilenstein gefeiert, er selbst als Pionier der Verbindung Country und Rock, als Erneuerer beider Genres. 1946 in Winter Haven, Florida, geboren, arbeitete er sich als Teenager schnellstens mit diversen Bands durch den Rock’n’Roll- und Folk-Rock-Katalog. Im Hintergrund seiner frühen Drogensucht: eine von Selbstmord und Alkohol zerstörte Familie und ihre mit Orangen-Plantagen angehäuften Millionen, die er als schlechte Basis für einen Country-Rocker betrachtete. In Los Angeles bekam seine International Submarine Band 1967 einen Vertrag bei Lee Hazelwoods Label, Parsons innovative „Cosmic American Music“ wurde von den Stars der L.A.-Szene bewundert.

Die Geschichte von Genie und Desaster konnte beginnen. Als die erste Country-Rock-Platte aller Zeiten erschien, gab’s die Band nicht mehr. Parsons war zu den Byrds gesprungen; angeheuert als Klavierspieler, setzte sich der Sänger-Gitarrist mit seiner Sound-Vision durch. Die fertigen Aufnahmen wurden von Hazelwood gestoppt, Parsons war bei ihm unter Vertrag und deshalb erschien 1968 „seine“ Byrds-Platte „Sweetheart Of The Rodeo“ (mit einer Ausnahme) ohne seinen Gesang. Weil er nicht im rassistischen Süd-Afrika spielen wollte (oder wegen seiner panischen Flugangst), verließ er die Band. Nach „seiner“ großartigen ersten LP mit den Flying Burrito Brothers wurde er wegen unkontrollierbarem Drogenkonsum gefeuert. Den Rolling Stones erteilte er Country-Lektionen, die auf ihren Platten dieser Jahre Spuren hinterließen; sein Freund Keith Richards wollte seine Solo-LP produzieren, aber selbst dieser Junkie schreckte dann vor dem Junkie Parsons zurück. Und: so weiter.

Dass er mit „GP“ (1973) und dem letzten Album seine Vollendung erreichte, lag auch daran: er arbeitete mit hochverehrten Musikern aus Elvis´ Live-Band und wollte sich vor ihnen keine Blöße geben; und mit seiner Duett-Sängerin, der damals unbekannten Emmylou Harris, verband ihn eine geradezu magische (musikalische) Beziehung. Mit ihr schrieb er seinen letzten Song, das Gebet „In My Hour Of Darkness“, eine Erinnerung an drei verstorbene Freunde. Bei der Beerdigung von Clarence White (von dem die zweite Strophe erzählt) hatte ihn das kirchliche Zeremoniell (angeblich) abgestoßen und er forderte von seinem Roadmanager das Versprechen, ihn eines Tages vor sowas zu bewahren. Und deshalb klaute der Freund den Sarg von Parsons am Flughafen, fuhr ihn zurück nach Joshua Tree und versuchte die Leiche zu verbrennen. Man weiß, es war eine eher dumpfe Aktion. Im Gegensatz zur puren Schönheit von Gram Parsons´ Musik.