Literatur

OPTIMAL

13.10.2015, 20:30: Im Optimal, Kolosseumstr 6, München, stellen die Herausgeber Egon Günther und Florian Neuner ihre Zeitschriftenprojekte FEUERSTUHL und IDIOME – Hefte für Neue Prosa bei uns im Laden vor. Feuerstuhl ist eine entschieden antiautoritäre Zeitschrift, ein befeuerndes Scheit Holz, benannt nach einer mexikanischen Geschichte aus dem Roman Regierung des geheimnisvollen  B. Traven.  Die No. 1 mit stolzen 66 Beiträger/innen, von Manfred Ach bis Xunka’ Unka’ Utz’utz Ni’, bringt Prosaminiaturen, Zeichnungen, Zoten, Skizzen, surrealistische Billets, Fotografien, Palimpseste, Polaroids, Poeme, Aphorismen, Apophtegmata, anarchistische Essays, magische Mantras, nomadische Manifeste, kaleidoskopartige Ein- und Aussichten, territoriale Erkundungen & radikale Abschweifungen. »Die avanciertesten Vertreter experimenteller Prosa finden sich in der Zeitschrift Idiome.« So Michael Braun im Saarländischen Rundfunk, während der Essayist Sebastian Kiefer schreibt: »Es ist überaus bezeichnend, dass es im deutschsprachigen Bereich nur ein einziges Forum gibt, in dem verhandelt wird, was Prosa heute überhaupt sein kann, wenn man sie als Sprachkunst versteht.« Die aktuelle Ausgabe der zwischen Berlin und Wien entstehenden und im Klever Verlag erscheinenden »Hefte für Neue Prosa« enthält ein Werkstattgespräch mit Elisabeth Wandeler-Deck, Texte aus dem Nachlass von Chris Bezzel sowie neue Texte, u. a. von Jörg Burkhard, Jürgen Ploog, Nils Röller, Mathias Traxler und Jürgen Schneider, der an diesem Abend lesen wird.

Die Special GuestsSteve Dalachinsky ist eine der ganz großen Gegenwartsstimmen der amerikanischen Lyrik. Er trat in den USA mit legendären Vertretern des modernen Jazz, wie Anthony Braxton, Matthew Shipp, James ›Blood‹ Ulmer auf und versäumte wohl selten ein Konzert von Cecil Taylor. Die in Japan geborene  Dichterin, Kunstkritikerin und bildende Künstlerin Yuko Otomo lässt uns durch ihre Haiku die Welt um uns herum neu sehen und neu auf sie reagieren.



MAN SOLLTE DEN TRADITIONELL EXTREM GEFÄHRLICHEN BÜCHERHERBSTDSCHUNGEL NICHT UNBEWAFFNET BETRETEN

Der namenlose Tag Country



CORE

ist das Magazin der Randomhouse-Abteilung Heyne Hardcore und wie immer mehr als nur ein Werbeblättchen zum Verlagsprogramm. Die neue Ausgabe Nr.8 bringt u.a. das speziell für seine deutschen Leser geschriebene Nachwort von James Lee Burke zu seinem in diesen Tagen erscheinenden Roman Glut und Asche, den Originalbeitrag „Glam oder Aufstieg und Fall des Schminkköfferchens vom Mars“ von Karl Bruckmaier, eine Ergänzung zu seiner großen The Story of Pop, das im November als Taschenbuch erscheint, und ein Interview mit mir, das nicht zufällig den Titel „Donner und Dobler“ hat: im Januar kommt meine Jim Thompson-Übersetzung Fürchte den Donner, im April Ein Bulle im Zug als Taschenbuch.

http://www.randomhouse.de/CORE_das_HEYNE_HARDCORE_MAGAZIN/aid46754.rhd?men=2327&aid=46754

Core 8, Heyne Hardcore Magazin, PDFBild "Philip_Cover_news.jpg"Karl  Bruckmaier - The Story of Pop

James Lee  Burke - Glut und AscheFranz  Dobler - Ein Bulle im ZugJim  Thompson - Fürchte den Donner

„Literatur abseits der ausgetretenen Mainstream-Pfade … Das war die Maxime, als 2005 beim Bier die Idee für Heyne Hardcore geboren wurde“, schreibt Markus Nägele im Editorial, der das Label nicht nur erfunden hat, sondern seitdem lenkt – eines der interessantesten Programme im deutschsprachigen Raum mit inzwischen über 200 Veröffentlichungen. Wir hatten uns lange vorher kennengelernt, als er noch Redakteur des Fanzines Superstar in Frankfurt war, und ich kenne sehr wenige Männer, die im Lauf von so vielen Jahren nichts von ihrer Leidenschaft und Neugier verloren haben. Ein Buch wie Ry Cooders In den Straßen von Los Angeles wäre ohne seine Kooperation mit dem Kleinverlag Edition Tiamat nicht möglich gewesen, und es war nicht die einzige derartige Coproduktion. Im November gehen wir, zusammen mit Philip Bradatsch (Sänger und Gitarrist der Dinosaur Truckers, sein erstes Soloalbum When I´m Cruel neu auf Off Label Records), auf eine kleine Tournee, um die Willie Nelson-Autobiografie zu promoten … Also, ja, ich bin stolz darauf, in der Hardcorecrew aufzulaufen.



BERTOLT BRECHT +14.8.1956 OSTBERLIN

Hörend die Reden, die aus deinem Hause dringen, lacht man.

Aber wer dich sieht, der greift nach dem Messer

Wie beim Anblick einer Räuberin.

O Deutschland, bleiche Mutter!

Wie haben deine Söhne dich zugerichtet

Daß du unter den Völkern sitzest

Ein Gespött oder eine Furcht!



IN DER DEUTSCHEN LITERATUR

gehen dermaßen viele Auszeichnungen an Dichtungsgestalten, die sich in der Buchstabensuppe nur mit dicken Rettungsringen an der Oberfläche halten, dass man kaum glauben kann, dass mit dem Büchnerpreis an Rainald Goetz auch mal eine ernstzunehmende Entscheidung getroffen wurde.

Da muss es weder ihn noch seine Fans kratzen, dass aus dem sog. Blätterwald geradezu total Beifall kommt. Da hat dann natürlich auch der Porschekönig des deutschen sog. New Journalism, Ulf Porschardt, einen besonders Vollgas gebenden Vollgasartikel in der (bzw. seiner) Welt reingebrezelt, den er so sagenhaft lässig mit „yeah“ beendet, dass er vermutlich schon bald mit dem Journalistenpreis in der Kategorie „Easy New Writingism“ ausgezeichnet werden wird.

Soviel zu den Preisen. If in doubt consult your dealer.



KNASTLESEN (5)

Schon zum zweiten Mal las ich den Eingeknasteten in der Jugendarrestanstalt aus dem Roman Eine Tonne für Frau Scholz von Sarah Schmidt vor. Kam wieder gut an; Thema Berlin kommt an, auch die offensive (dabei nicht-jugendliche) Haltung zu Drogen, die etwas biestige Art der Ich-Erzählerin und der subtile Humor der Autorin. Ich bin ja immer wieder überrascht, was bei den 16-21jährigen (von denen nicht viele einen Hauptschulabschluss haben, fast nie sitzen Gymnasiasten, Abiturienten, Studenten ein) ankommt, z.B. hätte ich gewettet, dass Wolfgang Herrndorfs Tschick irgendwie interessiert, aber nichts da, warum, wurde mir nicht klar.

Neun Jungs und ein Mädchen waren dabei. Angenehme Stimmung. Der Junge neben mir war ein äußerst netter und freundlicher Typ; hatte auf dem rechten Arm fett ACAB tätowiert (All Cops Are Bastards). Ich wusste nicht, warum er sich einen Arrest eingehandelt hatte; ich frage nie jemanden und erfahre es nur, wenn sie selber drauf zu sprechen kommen. Nach einer Stelle im Buch sagte er, ohne im geringsten aggressiv zu werden, diese Ausländer seien ja wirklich überall und die gingen ihm total auf die Nerven.

Ich sagte nichts dazu und wollte mal sehen. Sofort bekam er von allen Seiten was zu hören, was er andernfalls so ähnlich auch von mir bekommen hätte. Ich erwartete, er würde ordentlich einsteigen und gegen sie anreden, aber er blieb freundlich und friedlich. Das Mädchen erzählte, sie sei drei Jahre mit so einem rechten Typen zusammen gewesen und diese Haltung sei grauenhaft. Ich traute mich leider nicht sie zu fragen, wie sich das genauer abgespielt und warum sie es dann doch so lange mit ihm ausgehalten habe.



KAPITULATION

Noch eine Momentaufnahme dazu, aus dem großartigen Roman Watschenbaum von Egon Günther, erschienen bei Edition Nautilus:

„Der zur Kapitulation bereite Bürgermeister, der die aus der Landeshauptstadt evakuierten Familien oft und gern schikaniert, für den Leichnam einer aufgrund der erlittenen Entbehrungen im Ort verstorbenen Großtante sogar kaltschnäuzig eine Grabstätte innerhalb der Umfriedung des Kirchhofs verwehrt hat, wurde von den einrückenden Franzosen auf dem Kühler des vordersten Jeeps als Geisel und Schutzschild durch die Ortschaft gefahren. Der alte Parteibonze war sichtlich von Angst gepackt, dass etwaige Heckenschützen des „Werwolf“ noch im allerletzten Moment auf ihn feuern würden.“

Watschenbaum Günther, Egon: Gangspuren  Bayerische Enziane Feuerstuhl No. 1, Zeitschrift für Brot & Rosen   Günther, Egon: allerlei entzwei, gedichte für besiegte

Mehr zum neuen, von Egon Günther hrsg. Magazin hier: http://www.feuerstuhl.org/index.html + Seine Gedichtbände im Verlag Peter Engstler.



KAPITULATION

Sieben Stunden nach der bedingungslosen Kapitulation des OKW, am frühen Morgen des neunten Mai des Jahres neunzehnhundertfünfundvierzig, schickten sich, auf einem Hügel tief im böhmischen Wald, wenige Schritte abseits einer Straße, über die sich, wie über alle Straßen Böhmens zu dieser Stunde, der brüllende Knäuel der westwärts fliehenden Wehrmacht wälzte, zwei Männer der Feldgendarmerie, von einem SS-Leutnant kommandiert, an, einen verzweifelt sich wehrenden gefesselten jungen Soldaten, der ein kleines, eilig geschriebenes Schild auf der Brust trug: „Ich war zu feige, Deutschland vor den Barbaren zu schützen!“, am Ast einer Eiche zu henken. Der junge Soldat schrie unablässig den einen Satz: „Aber der Krieg ist doch aus, aber der Krieg ist doch aus …“ …

Anfang der Erzählung Kapitulation von Franz Fühmann (1922-1984)



NEW HOPE

for the Dead“ ist Thema der neusten Folge der schönen Serie Der Anti-Kanon im Blog der Krachkultur:

http://www.krachkultur.de/blog.html

Cover New Hope For The Dead, Futura (1987)



IHREN ABSCHIED

von den Lesebühnen beschreibt Sarah Schmidt so großartig und offen, wie man´s von ihr kennt, mit einem Seitenhieb auf die Slam-Kultur. Ihr neuer Roman Eine Tonne für Frau Scholz (Verbrecher Verlag) kann nicht genug Nachfolger bekommen. Womit die gute Nachricht erwähnt ist.

https://verbrecherei.wordpress.com/2015/03/19/kein-blatt-vor-dem-mund/