Bildung

DIE EHRE

einen Henri-Nannen-Preis in der Essay-Abteilung zu bekommen, erging soeben an Bernd Ulrich von der Zeit.

Ein paar Stunden vor der Bekanntgabe hatte Otto Köhler, einer der großen (Geschichts-)Journalisten, seinen Kommentar zu Essay und Autor veröffentlicht. Dass die Kenntnis dessen an der Vergabe ggf. was hätte ändern können, sollte man wohl eher nicht vermuten:

Otto Köhler: „Favorit für die Sparte »Essay« ist Zeit-Vize-Chefredakteur Bernd Ulrich für seine Titelgeschichte »Wer sind wir, heute?« vom 30. August 2012, in der er »gern den nazivergleichenden Griechen und Spaniern einen Finger ihrer Wahl zeigen, der Ruderin einen Arm um die Schulter legen und sich dabei von dem Sänger etwas vorsingen lassen« möchte. Die Bundeswehr-Ruderin Nadja Drygalla mußte von den Olympischen Spielen in London abreisen, weil ihr Partner ein bekannter NPD-Landtagskandidat von den »Nationalen Sozialisten Rostocks« ist, und der Wagner-Sänger Evgeny Nikitin durfte in Bayreuth nicht auftreten, weil er ein Hakenkreuz auf seiner Haut trug. Bernd Ulrichs Geschichte trägt die Überschrift »Wer sind wir heute?« und ist Hauptbestandteil des mit einem Hitler-Bild garnierten Zeit-Titels »Wann vergeht Vergangenheit?«“

Hier sein Essay in voller Länge:  http://www.jungewelt.de/2013/04-26/016.php



HEUTE IST SCHON WIEDER

so ein spezieller Tag, der „Tag des Lärms“. Es ist wie mit dem Winter. Als ich klein war, war der Winter ein ganz ein anderer. Und es gab auch nicht so viele spezielle Tage, in denen etwas in den Mittelpunkt gestellt wurde. Allein hier im Block wurde in den letzten Tagen schon auf zwei Tage hingewiesen und man darf gar nicht daran denken, wieviele spezielle Tage wir in der letzten Zeit vergessen haben, jedoch ohne bösen Willen.

Ich möchte nichts gegen die anderen Tage sagen, jeder hat seine Berechtigung, das ist schon klar – aber der „Tag des Lärms“ ist mein Tag. Gut, er dauert nur noch eine knappe Stunde, aber das ist schon genug. Ich finde, dass jeder Tag ein „Tag des Lärms“ sein sollte.

Es gäbe nun viel hier zu sagen, aber ich möchte einfach auf die Kollegen von der Dachauer Redaktion des Münchner Merkur verweisen, die belegen, dass die Probleme mit dem Lärm selbst in einer bayrischen Kleinstadt vorhanden sind:

„Innehalten am Tag des Lärms

Dachau – Ob am Arbeitsplatz, im Verkehr oder durch Musik – nahezu überall sind die Menschen im Alltag einer Geräuschkulisse ausgesetzt. Um auf die Gefahren dieser Belastung hinzuweisen, wurde der „Tag gegen Lärm“ ins Leben gerufen. In Dachau gibt es einen großen Lärmfaktor: den Straßenlärm.

Google-Anzeigen

HD KabelfernsehenDigitales Fernsehen jetzt in HD: Der Kabelanschluss macht’s scharf. www.kabeldeutschland.de
Internet via SatellitKein Warten. Bis zu 20.000 kbit/s. Jetzt beim Marktführer bestellen! de.skydsl.eu/Sat-Internet

Am heutigen Mittwoch zeichnet die Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA) zum 16. Mal für die Aktion verantwortlich. Das Hauptziel ist, Aufmerksamkeit für die durch Lärm entstehenden Probleme zu erregen. Auch die Wichtigkeit von Ruhephasen für das Gehör soll den Menschen verdeutlicht werden. In der Arbeit, im Verkehr, durch Medien und sogar in der Schule ist das Gehör permanent einer Beschallung ausgesetzt. „In Dachau ist die Hauptquelle für Lärm der Straßenverkehr. Gerade an vielbefahrenen Straßen ist der Lärmpegel besonders hoch. Generell ist die Lärmbelastung über die Jahre durch ein höhereres Verkehrsaufkommen gestiegen“, sagt Volker C. Koch, der Stadtratsreferent für Verkehr in Dachau. Der Fluglärm sei in Dachau ebenfalls für viele Bürger ein Ärgernis, meint Koch.“

Tipp des Tages: Wer aktiv am „Tag gegen Lärm 2013“ teilnehmen möchte, kann heute für 15 Sekunden innehalten und bewusst die Ruhe genießen.

Den ganzen Artikel finden Sie bitte hier: http://www.merkur-online.de/lokales/dachau/dachau/dachau-innehalten-laerms-mm-2870366.html



ZUM SUPERTAG DES JAHRES

Ich zitiere mich wie immer ungern, diesmal aus einem Buch, das manche schon als Klassiker abgewrackt haben: „Kein Bier für Deutschland!“ (Bierherz, Edition Nautilus 1994).

Und da ist noch irgendein Supertag, der von den Schriftstellerinnen? Na, wie gesagt…



DAVE VAN RONK VS COEN BROTHERS

Musikforscher Christoph Wagner – auf dessen brandneues Buch „Der Klang der Revolte – Die magischen Jahre des westdeutschen Musikunderground“ (386 S., Schott Verlag) wir im Moment nur kurz, aber mit Nachdruck verweisen – (Hrsg. einiger großartiger Trikont-Compilations, seine Homepage rechts bei den Links) heute im Radio:

SWR2 Musikpassagen Sonntag, 21.4. | 23:03– 24:00 Uhr

Filmheld der Coen Brothers: Auf den Spuren von Dave Van Ronk und des amerikanischen Folkrevivals


Die Gebrüder Coen gehören zu den bedeutendsten Filmemachern der Gegenwart. Zu ihren größten Erfolgen zählen „The Big Lebowski“, „Fargo“, „True Grit“ und „No Country for Old Men“. Nach „O Brother where art thou“ thematisiert ihr neuer Film nun abermals ein musikalisches Thema. „Inside Llewyn Davis“ geht nach Greenwich Village in Manhattan in die 60er-Jahre zurück und porträtiert eine Woche im Leben des Liedermachers Dave Van Ronk, der im Film Llewyn Davis heißt. Van Ronk, der 2002 verstarb, war eine wichtige Figur des Folkrevivals der 60er-Jahre und gilt als Mentor von Bob Dylan. Christoph Wagner ist den Spuren von Dave Van Ronk in Downtown Manhattan nachgegangen, hat mit Zeitzeugen gesprochen und die Originalschauplätze besucht, wie das legendäre „Café Wah“ in der MacDougal Street, ein Brennpunkt des Folkrevivals, wo auch die Coen Brothers wichtige Sequenzen ihres Films drehten.

Die Sendung kann auch übers Internet empfangen warden: http://www.swr.de/swr2



WERNER HERZOG SAGT

Ein kranker

Hund

bringt mehr Geld.



VIELE VERLASSEN

unser Blockhaus nach der Lehrzeit mit den besten Grundlagen, die die deutsche Wirtschaft zu bieten hat, um eine ordentliche und anständige Karriere hinzulegen:

Quelle: http://grottu.tumblr.com/post/40674453141 Dorthin senden Sie die üblichen Bewerbungsunterlagen. Facebookmitglieder werden von unserer Smartphoneabteilung betreut.



VATERLANDSVERRÄTER

ist ein toller Dokumentarfilm. Schriftstellerportrait, Stasi-Portrait, harter Stoff. Von Annekatrin Hendel. Über und mit Paul Gratzik und mit Matthias Hering, Ernstgeorg Hering, Gabriele Dietze, Sascha Anderson u.a. D: 2011, 97′

Noch eine Woche in der Arte-Mediathek:

http://videos.arte.tv/de/videos/vaterlandsverraeter–7388454.html

„Paul Gratzik war Arbeiterschriftsteller und 20 Jahre lang IM bei der DDR-Staatssicherheit. Doch Mitte der 80er Jahre verweigerte er die Mitarbeit und enttarnte sich selbst. Sein wechselvolles Leben ist eine Geschichte, wie sie so – mehr als 20 Jahre nach dem Ende der DDR – noch nicht erzählt worden ist.

Paul Gratzik wird 1935 in einem kleinen Dorf in der Nähe der heute polnischen Stadt Gizycko geboren. Die Eltern waren Landarbeiter, der Vater fiel 1941. Als Zehnjähriger wird Paul Gratzik 1945 mit Mutter und Geschwistern aus dem ehemaligen Ostpreußen nach Mecklenburg umgesiedelt. Hier macht er eine Lehre als Bau- und Möbeltischler. Er arbeitet im Ruhrgebiet, in Berlin, in Weimar und im Braunkohletagebau in Schlabendorf. 1962 wird er Leiter in einem Weimarer Jugendklubhaus und beginnt seine schriftstellerische Karriere.

In dieser Zeit unterschreibt er eine Verpflichtungserklärung als IM für das Ministerium für Staatssicherheit. Von 1963 bis 1968 studiert er am Institut für Lehrerbildung in Weimar. 1968 wird er zum Studium am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig zugelassen, jedoch nach kurzer Zeit relegiert. Anschließend arbeitet er als Erzieher in einem Jugendwerkhof im östlichen Erzgebirge. Seit 1971 ist er freischaffender Schriftsteller und wird Mitglied des DDR-Schriftstellerverbandes. Seine literarischen Arbeiten beruhen im Wesentlichen auf eigenen Erlebnissen in der Arbeitswelt des Realsozialismus. Aber immer wieder gerät er mit seinem ungeschminkten Realismus, mit Berichten aus sogenannten Tabuzonen in Konflikt mit der DDR-Zensur.

Nach 1978 lebt Paul Gratzig als Autor in Berlin und ist zeitweilig Dramaturg am Berliner Ensemble. 1980 erhält er den Heinrich-Heine-Preis. Ein Jahr später kündigt er die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit auf (MfS). Zwischen 1984 und 1989 wird er dann als Operative Personenkontrolle (OPK) „Kutte“ vom MfS geführt und selbst überwacht. Seit Mitte der 80er Jahre lebt und arbeitet Paul Gratzik zurückgezogen in der Uckermark.“

Homepage: http://vaterlandsverraeter.com/trailer/

Neue Züricher Zeitung: „Die Wirklichkeit war oft wilder, schillernder und vor allem widersprüchlicher und sah eher so aus wie das Leben von Paul Gratzik in Annekatrin Hendels Filmporträt „Vaterlandsverräter“, das erstmals in so radikaler Weise von einem Täter erzählt.“



WER IN NEW YORK IST

sollte dies nicht verpassen!

get-attachment.aspx

Wer nicht in New York ist, das nicht:

Hier das ganze Programm: http://www.arsdilettanti.de/

Und für alle, die nirgendwo sein wollen, das neue Video des Society-Philosophen und Freizeit-Kampflyrikers Jan Off:

http://www.youtube.com/watch?v=aeYEq5feNiQ&list=PL4D5032F9329F52CC

Wer mehr Lebenshilfe aus diesem Block erwartet, sollte mal ne Sekunde über sich selbst nachdenken bzw. seine 30plus-Freunde am Facebook konsultieren.



WAS FUCKIN HELL IS RASSISMUS & ICH AUCH?!

Dazu ein Beitrag von unserem Wien-Korrespondenten Andreas Niedermann von songdog.at – es gibt Autoren, die nicht nur gut schreiben können, sondern auch noch Courage haben:

Aufpassen!

(Samstag, 27. Oktober 2012)

In der Garderobe des Geisteszentrums. Ich zog mich nach dem Training um, und ein Afrikaner kam herein, sein Spind lag so ziemlich neben meinem, und er begann sich ebenfalls umzuziehen. Er hatte geschwitzt, wie ich auch, und als ich angezogen war und an ihm vorbei ging, dachte ich wieder daran, was mein Vater gesagt hatte. Da es im Geisteszentrum viele Dunkelhäutige gibt, muss ich oft daran denken, was mein Vater vor über 50 Jahren gesagt hatte. Er hatte es nicht nur einmal gesagt, sondern immer wieder mal, bei Gelegenheit, wiederholt.

In meinen Ohren klang es, als hätte er gesagt, dass Bälle immer rund sind, und der Regen niemals von unten kam, dass Menschen Ohren hatten und Beine, und ich hatte keinen Grund daran zu zweifeln. Er sagte nämlich, dass “der Schweiß der Neger anders riecht als unserer. Er stinkt.”

Ich weiß. Es ist rassistischer Unsinn, es ist nicht wahr, aber manchmal, wenn ich an Afrikanern vorbeigehe, denke ich daran. Das ist perfid. Und es beweist, dass wir die Worte, die wir zu unseren Kindern sprechen, mit Bedacht wählen sollen.

Dass ich nach über 50 Jahren noch immer daran denke, gibt mir zu denken. So einfach ist das also? So simpel funktioniert Rassismus?

Und auch wenn ich weiß, dass es nicht wahr und einfach nur rassistisch ist, auch wenn es dutzendemale durch die Wirklichkeit widerlegt wurde, ich denke noch immer an die zwei Sätzchen meines Vaters. Er hätte das nicht tun sollen, finde ich.

Und ich bin mir leider ziemlich sicher, dass ich die zwei Sätzchen zu meinen Kindern auch schon gesprochen habe. Nicht dieselben, aber irgendwas wirds schon gewesen sein.

Aber um aus einem Kind einen Rassisten zu machen, braucht es offenbar mehr als nur zwei, gelegentlich, eingestreute Sätze. Das ist beruhigend. Aber vielleicht nicht wahr …

 Der Autor, Foto: Superbastard.de



BRECHTFESTIVAL AUGSBURG 2013 (7)

Zum Abschluss meiner Privatfeiertage eine Überdosis Musik. Was gibt es Schöneres als bei heftigem Schneefall vorm Fenster alle Platten rauszukramen und im Wohnzimmer Brecht-Vertonungen zu hören? Einiges. Hier ein paar Notizen (die nicht in der in der jungen Welt abgedruckten Serie erschienen).

1. DIE MUTTER („nach dem Buch des Genossen Gorki und vielen Erzählungen proletarischer Genossen“). Musik: Hanns Eisler. Aufnahme der Produktion der Theatermanufaktur in der Inszenierung von Ilse Scheer, 1980. Mit vielen „Lob“-Liedern: Lob des Kommunismus, des Lernens, des Revolutionärs, der Wlassowas, der dritten Sache, der Dialektik. Militärische Musik, jede U-Musik zurechtweisend, dabei natürlich zuviel tapfere Mutter-Musik. Wenn man sowas nicht gewohnt ist, klingt´s, möchte ich behaupten, großartig wie ´ne kalte Dusche.

 (Eine andere Brechtmutter)

Brecht zum Stück: „Für meine Aufgabe hielt ich es, von einer großen historischen Gestalt zu berichten, dem unbekannten Vorkämpfer der Menschheit. Zur Nacheiferung.“ Könnte die Berliner Band inspiriert haben, Mutter sollte Mutter vertonen. Besetzung hier: Masaki Mizuno Trompete, Takashi Ito Horn, Horst Zimmermann Schlagwerk, Rudolf Stodola Klavier. Franz Jung berichtet in seiner Autobiografie „Der Weg nach unten“, die Berliner Aufführung von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ sei von Chaos und Streit geprägt und gefährdet gewesen, und Brecht habe sich erst dann zu konstruktiver Arbeit hinreißen lassen, nachdem ihm die Aufricht-Produktion (für die Franz Jung das Stück produzierte) auf den Rat von Helene Weigel hin zusagte, auch sein Stück (bzw. wohl eher das von Mitarbeiter Günther Weisenborn) „Die Mutter“ zur Aufführung zu bringen. So geschehen am 31.1.1932. In das Album legte ich dann einen Artikel, den Stefan Siegert Ende Januar für die jW-Serie „Musik zur Unzeit“ schrieb: „Das Kapital spielt Hanns Eisler“. Siegert beschwert sich da nebenbei, dass der 50. Todestag des jüdischen Kommunisten Eisler 2012 nichtmal annähernd so beachtet wurde wie Richard Wagner im Wagner-Jahr, das jetzt auf uns einschlägt, um dann auf das Jazztrio Das Kapital aufmerksam zu machen, das grade „im Geist Sonny Rollins´, Archie Shepps´, Fred Frith´oder Jimi Hendrix´“ die Doppel-CD „Conflicts & Conclusions“ mit ausschließlich Eisler-Werken veröffentlicht hat.

2. DREIGROSCHENOPER. Musik: Kurt Weill. Die bekanntesten Songs, gesungen von Lale Andersen. Mit Orchester unter der Leitung von Friedrich Schröder. 1957, Baccarola 60048 UU. Während ich die immer wieder unterhaltsamen Schlager höre – die auch Gil Evans gefielen, der für sein 1964er-Verve-Album „The Individualism of Gil Evans“ u.a. mit Wayne Shorter und Elvin Jones eine 9:59 lange Interpretation von „The Barbara Song“ einspielte – frage ich mich, woher ich diese hübsche 10-Inch habe; auch der kleine Aufkleber „3.00 Neckermann“ auf dem Cover hilft mir nicht weiter. Vermutlich aus der Sammlung der Oma eines Freundes meiner Tochter („Niemand will das Zeug, jetzt schmeiß ich´s weg“ – „Nein, bist du wahnsinnig!!!“), aus der mich jedoch „Die Heilsarmee“-DoLP viel mehr begeisterte. Als wir mit dem DJ Hoerspiel Ensemble eines Abends in Dortmund einen Auftritt mit bzw. vor Jürgen Kuttner hatten, schaute sich der Kuttner beim Soundcheck meine Plattenkiste an. Was mich schon etwas nervös machte. Ehe der große Artist Kuttner selbst ein weeenig nervös wurde, als er in meinem Koffer „Die Heilsarmee“ und andere derartige Geschütze entdeckte. Ich hatte natürlich geahnt, dass wir uns verdammt warm anziehen mussten, um an diesem Abend nicht mit dem „Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ auf den Lippen unterzugehn. Es sollte viele Jahre später noch besser kommen:

 Die Schweizer wählten die Band der Heilsarmee (Foto:  http://www.heilsarmee.ch/eurovision/) zum Teilnehmer beim Europäischen Song Contest 2013. Dessen Verantwortlichen sofort der Arsch auf Grundeis ging: Die Band dürfe nicht Heilsarmee heißen und nicht in ihren Uniformen auftreten. Worauf der Armee-Pressesprecher verlautbarte, man werde beides zu regeln wissen. Das ist aber mal sicher: Die Truppe wird in jedem Fall besser aussehen als diese Bohlen-Tante namens Natalie Horler, selbst wenn sie im Einteiler mit Kopftuch auftreten sollte, und die Band-die-nicht-Heilsarmee-heißen-darf wird auch jede andere Brass-Bandal-Kapelle noch im Schlaf in den Chiemsee runterspielen.

3. LOST IN THE STARS – THE MUSIC OF KURT WEILL. Eine unfassbar große Platte, die ich immer wieder höre, vom großen Musikinszenator und Ideengeber Hal Willner 1985 für A&M entworfen und produziert, mir vorliegend als Amiga-Übernahme von 1989. Ja, die DDR war so böse wie kein Staat je zuvor, aber sie hatte ein staatseigenes Label, aber lassen wir das. Eine Stunde mit Steve Weisberg, Sting/Dominic Muldowney, The Fowler Brothers/Standard Ridgway, Marianne Faithfull/Chris Spedding, Van Dyke Parks, Schuckett/Butler/Dorough/Shipley/Petersen, Armadillo String Quartett, John Zorn mit „Der kleine Leutnant des lieben Gottes“, Lou Reed, Carla Bley/Phil Woods, Tom Waits, Dagmar Krause, Mark Bingham/Johnny Adams/ Aaron Neville, Todd Rundgren/Gary Windo, Charlie Haden/Sharon Freeman und zuletzt nochmal Van Dyke Parks mit „In No Man´s Land“. Es gibt einen Song auf der Platte, den ich so unerträglich finde, dass ich die Nadel heben muss, nein, Sting ist´s nicht, der es sozusagen nicht wagt, seinen Sting gegen Weill zu erheben. „Lost In The Stars ist ursprünglich der titel des letzten bühnenwerks (1949) von kurt weill, einer musikalischen tragödie im geiste der antiapartheid“ und würdigt in dieser Form „einen komponisten, der es zeit seines lebens sehr ernst nahm, unterhaltende musik zu schreiben“, schrieb Jörg Mischke in seinen Liner-Notes. Auf der Cover-Rückseite eine deutsche Geschichte in Preisen: oben „16,10 M“ wurde mit Kugelschreiber durchgestrichen und mit „5.-“ korrigiert, dann mit einem kleinen Aufkleber nochmal korrigiert: „€ 7,99“.

  Im Album ein Artikel aus der Süddeutschen von Stefan Mayr über Brecht als Lehrling Karl Valentins: „… Aus dem Jahr 1920 existiert eine Fotografie, die Brecht Flöte spielend neben dem Tuba blasenden Karl Valentin und Liesl Karlstadt zeigt. Manche behaupten gar, dass das Trio auf dem Oktoberfest eine Schaubude bespielte. Doch einen Beleg hierfür gibt es nicht. Das Foto ist anlässlich des Sketches „Oktoberfestschau“ entstanden … Brecht hat dabei nie mitgespielt. Warum er dennoch auf dem Foto auftaucht, wird ein Rätsel bleiben.“ Weniger rätselhaft ist, was Franz Jung über Brecht/Weill während der „Mahagonny“-Produktion schrieb: „Dabei beschuldigten sie sich gegenseitig, der eine verhindere nicht nur eine ursprüngliche Leistung des andern, sondern unterdrücke und verwässere sie obendrein … sie sind sich geradezu aus dem Weg gegangen … aber sie haben auch nicht übereinander gesprochen zu Dritten.“

4. DIE DREIGROSCHENOPER. Gesamtaufnahme, 3-LP-Box mit Programmheft und Edition Suhrkamp-Ausgabe. Polydor 1968. Mit u.a. Helmut Qualtinger, Franz Josef Degenhardt, Karin Baal, Berta Drews, Hans Clarin. Musikalische Leitung: James Last. Der von der Sache „nicht sonderlich angetan“ war, schreibt Wikipedia, „er hielt die Musik von Kurt Weill eher für berechenbar als herausragend, hatte dann aber doch Ideen zur Realisierung.

 Sein Werk führte zu Ärger mit Lotte Lenya, der Witwe Weills, welche die Rechte nicht freigeben wollte, weil ein E-Bass den akustischen Bass ersetzen sollte. Sie konnte aber davon überzeugt werden, dass das Werk keinen Schaden nehmen würde.“ Irgendwo im Berg meiner Singles ist eine mit Lotte Lenya vergraben. Aber sie zu finden, würde auch wieder nur zu Riesenärger führen. Den ich gerne in Kauf nehmen würde, wenn er mich zu Lotte Lenya führen würde. So ärgert man sich immer weiter. Bis der Ärger dann zum richtigen Ärger führt.