Bildung

SPITZENSATZ (13)

„Nichts ist leichter, als in möglichst großen Geistern der jüngeren Vergangenheit den Antisemiten zu entdecken und heftig gegen die eigene antifaschistische Brust zu trommeln.“ (Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung, 29.10.2013)

Hm. Uns fallen doch ein paar Sachen ein, die leichter sind. Aber der Politredaktion in unserem Block fällt ja immer leicht was ein. Oder auf. Zum Beispiel, dass der Historiker-Journalist Otto Köhler zwei Seiten über den Fall schreibt, mit dem es sich Winkler hier so leicht macht, dass die Trommeln dem großen Geist in der Brust dröhnen.

http://www.jungewelt.de/2013/10-28/021.php?sstr=otto%7Ck%F6hler



DEM ATLANTIKSCHWIMMER

und Maler Heinz Braun (1938-86) ist in Regensburg, noch bis Sonntag, 20.10., eine Ausstellung gewidmet. Was eine Seltenheit ist. Wie die ersten Filme von Herbert Achternbusch, in denen er als Schauspieler tätig war. Falls er nicht als Postbote tätig war. Angeblich hat er, als ihm das mit der Post zuviel wurde, angefangen, Pakete zu bemalen. Auch den Katalog von der Ausstellung im Münchner Stadtmuseum 1988 gibt es noch.

 Katalog

Auf der Seite auch ein TV-Beitrag von damals:

http://www.kunst-und-gewerbeverein.de/programm.html



DER ERSTE HARTE WESTERN

(von einige Sergio-Szenen im Alten Testament mal abgesehen) wird hier mit einem sehr schönen kurzen Essay beleuchtet:

http://videos.arte.tv/de/videos/die-sogenannten-bremer-stadtmusikanten–7598174.html

 Foto: Sam Peckinpah

Aber wer ist wer?



SPITZENSATZ (10)

„Dass eine schwangere Frau in den Hungerstreik geht und damit ihr Ungeborenes gefährdet, muss sofort beendet werden.“

Christine Haderthauer, Bayerische Staatsministerin für Slasher-Filmförderung



GUSTL MOLLATH (3)

bleibt in der Geschlossenen sitzen. Das Gericht hat sich die Meinung sozusagen umgeschnallt, dass man von Mollath „außerhalb des Maßregelvollzugs weitere erhebliche rechtswidrige Taten“ zu erwarten habe (zitiert nach SZ, 13.6.).

Man möchte sich tot lachen: Der Psychiater, der das grundlegende Gutachter verfasste, ist jetzt „im Lichte der neuen Erkenntnisse mit einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt, diese verweigert der Gutachter nun offenbar.“

Das ist nur ein Teil des Desasters, um es mal gaaanz vorsichtig zu benennen: „Warum aber gibt es nichts Neues im Strafverfahren gegen Mollath? Weil sich das Regensburger Landgericht seit Monaten nicht in der Lage sieht, einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben.“

Und dennoch glauben wir so: Die Leute, die glauben, den Fall erfolgreich unterm Teppich zu halten, sollten sich mal umdrehn. Um die Lawine zu sehn, die auf sie niederkommen wird. Vielleicht nicht so schnell, wie sie´s verdient haben, aber vermutlich schneller als ihnen lieb ist. Dieter Hildebrandt hat es kürzlich angedeutet, als er Frau Merk die zurückgetretenste Ministerin der Woche nannte.

Sie und ein paar andere Figuren sind gut getroffen in diesem 45-Min.-Alptraum:

http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/die-story-im-ersten-der-fall-mollath?documentId=15028746



UND JETZT ABER WAGNER

Ohne den Wagnersound anyway faszinierend oder auch nur im Geringsten fucking erträglich zu finden, bin ich doch anscheinend – in dem Fall würde ich wirklich lieber „scheinbar“ verwenden können – auch von diesem Giganten des deutschen Erdbodens beeinflusst (geprägt wäre dann hoffentlich wohl doch zu stark). Also durchaus auch passend zur Zeit. Obwohl ich mich in der aktuellen Diskussion, man sollte Bayreuth nach Offenbach verlegen, noch zu keiner Meinung durchringen konnte. Denn schließlich ist ganz Deutschland ein Offenbach.

„Faschistisches Kabuki in Bayreuth“ ist der Titel des Texts von Harry Mulisch, ein Auszug aus seinem Buch „Die Zukunft von gestern. Betrachtungen über einen ungeschriebenen Roman“ (Edition Tiamat, 1995), der sich im Tiamat-Reader „Perlen & Trüffel. Eine kleine Reise durch 25 Jahre Verlagsgeschichte“ (erschienen 2004) findet. Beide Bücher schwer zu empfehlen.

Harry Mulisch: „Im August 1971 kam ich in Gesellschaft einiger Freunde zu den Festspielen. Ich fühlte mich wie ein Ethnologe, der ins Inland von Neuguinea gereist ist, um die letzten Überreste kannibalischer Rituale zu studieren. (…) Die achtzehnhundert Zuschauer wurden so still wie bei einer Totenfeier – mit dem Unterschied, daß es hier die Totschläger waren, die verstummten. Ich hätte gern gewußt, ob das Theater auch ausgereicht hätte, die Menschen zu fassen, die von den Anwesenden umgebracht worden waren. (…) Wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte, wäre es dort genauso gewesen, wie es jetzt ist – nur ohne mich und noch ein paar andere Menschen.“

Und selbst für die Ankündigung im Edition Tiamat-Katalog Herbst 2013 für mein neues Buch „The Boy named Sue. Aus den Memoiren eines zerstreuten Musikliebhabers“ kam ich ums Rumwagnerianern nicht rum:

„Ich würde mich in meinen dreckigsten Stiefeln auf den Schminktisch von jedem aus der Liga dieser von und zu Guttenbergs stellen und ihnen erklären, warum ich mich lieber im Schlamm zu den Gesängen von Woodstock wälzen würde, als an ihrem Arm durch die Hallen Bayreuths bis an den Rand des Orchestergrabens zu wandeln, obwohl mich auch das nicht glücklich machen würde.“



GRÜSSE VOM MISSISIHL

wie man im Züricher El Lokal den anliegenden Fluss nennt. Ein schöner Kosename für die Sihl. Denn zu Flüssen soll man freundlich sein.

Wer am Tresen nicht nur so gscheit daher redet und das Codewort R.E.S.P.E.C.T. erwähnt, kann das Hausmagazin der aktuellen Nr.6 „frankundfrei“ bekommen, ca. 100 Seiten Text und Illustration mit einer Vinylsingle und einer CD, auf der diesmal an die verstorbenen Künstler erinnert wird, die mal im El waren, Nils Koppruch, Calvin Russell, Nikki Sudden, Duane Jarvis u.a.

Man kann sich fragen, was das wohl für ein Lokal ist, in dem so ein Magazin sozusagen als Beilage erscheint und man kann dazu einen hauseigenen „Lokal Single Malt“ trinken (und eine Flasche kaufen) und sich auch mit einem anderen Getränk fragen, ob man einen guten Grund hat, woanders zu leben.

Und am 17. Juni kann man eigentlich nicht woander sein als dort, wenn die Madagascar All Stars spielen:

 http://www.ellokal.ch/?lang=de

„Weltklasse-Weltmusik vom zweitgrössten Inselstaat der Welt im Indischen Ozean auf unserer allerletzten Insel an der Sihl: Schön, den grossen Valiha-Virtuosen Justin Vali (Justin Vali Trio, Ny Malagasy Orkestra, Peter Gabriel) wieder bei uns zu haben. Diesmal als Mitglied der Madagascar Allstars mit Régis Gizavo (I Muvrini, Mano Solo, Cesaria Evora, Christophe Maé), Marius Fenoamby (Fenoamby), Erick Manana (Lolo sy ny Tariny, Feo Gasy, Graeme Allwright) und Dama Mahaleo (Mahaleo). Von denen ist jeder für sich schon ein Superstar. Die Bevölkerung Madagaskars hat ihre Wurzeln in Afrika, Arabien, Indien, Ozeanien und Europa. Mehr als 50 ureigene Instrumente. Ein Schmelztiegel der Stile, Hoffnungen, Träume & Sehnsüchte. Der Bogen spannt sich leicht von traditionellen Urklängen bis zu unserer zeitgenössischen Stilvielfalt – sozial engagiert, trance-kultig, lebensfroh und magisch. Narkotisierende Rhythmen, Klänge und Melodien. Wir tanzen den wilden Bal Poussière und sehen uns wieder wenn sich die Staubwolke legt und der letzte Ton in der Ferne des Horizonts verklungen ist. Also: Mandrapihaona! (Malagasy: bis bald!) Veloma! (und auf Wiedersehen!)“


VERLIERER DEMOKRATIE

Immer wieder verliert die Demokratie. Das macht uns seit vielen Jahren betroffen und die Frage hat uns schon fast zermürbt: Wer ist schuld daran? Man könnte es sich einfach machen und denken, das sind doch die … also diese Dings, gegen die jetzt dieses Dings! Oder diese Einenda, wo jetzt immer mehr … also mit ihrem Zeugs und so!

Wir kommen da nie weiter, alles Blödsinn. Endlich kommt jedoch Frau Charlotte Frank und macht mal Klartext zu diesem Thema, das alle betrifft. Ihre Erkenntnis kam nach der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl: „Gerade mal 46,7% der Wähler haben sich die Mühe gemacht, zur Urne zu gehen“ und so kommt´s, „dass es bei dieser Wahl nur einen klaren Verlierer gibt: die Demokratie.“ (Süddeutsche, 28.5.)

Ihre Kritik trifft natürlich auch den Die Partei-Kandidaten Bastian Langbehn, der mit 1,3% der Stimmen einen Sitz in Lübeck errungen hat: „Im Wahlkampf hat er vor dem Holstentor um Stimmen geworben, als Goldhamster verkleidet unter dem Reim <Wege aus der Krise? Wir zeigen Ihnen diese.>“ Die Nichtwähler wollten also offensichtlich die Demokratie auf die Verliererstraße bringen, und das Volk der Wähler interpretierte das Recht, „an der politischen Willensbildung des Volkes“ (Grundgesetz) mitzuarbeiten, ähnlich gedankenlos: „In Lübeck wollte es einen reimenden Goldhamster, das spricht für sich.“

Dennoch stirbt auch in diesem Fall – und diese Erkenntnis spricht nicht nur für mich – die Hoffnung zuletzt: Die mit den restlichen 98,7% der Stimmen gewählten Lübecker Politiker sollten es schaffen, Herrn Langbehn in Schach zu halten. Das ist auch nötig. Denn das oberste Ziel seiner Partei lautet: „Die endgültige Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag.“

Sage also keiner, er habe nichts gewusst. In Lübeck hat´s angefangen.



MÄNNER!

„Als ihr Mentor, der Songschreiber, Sänger und Mitbesitzer von Capitol Records, Johnny Mercer, zu ihr sagte, dass ein bestimmter Song, den sie aufnehmen wollte, nicht ‚ihre typische Art‘ von Song wäre, gab ihm die frustrierte Ella Mae Morse mit dem für sie typischen Mumm ´ne Antwort. <Was ist denn meine typische Art Song? Cliffie Stone hat gesagt: ‚Du bist eine Country-Sängerin.‘ Und Benny Carter hat gesagt: ‚Du bist eine Jazz-Sängerin.‘ T-Bone Walker hat gesagt: ‚Du bist eine Rock´n´Roll-, schwarze Blues-Sängerin, genau das bist du.‘>“

Liner-Notes von Kevin Coffey zu Ella Mae Morse/Rocks, Bear Family Rec



DA DEUTSCHE MUSIK

die Welt gelehrt hat, was Tiefe ist, sollte die Welt auch einsehen können, warum musikalische Menschen das ominöse Wörtchen deutsch nicht voller Selbsthaß aussprechen. Sondern eher stolz und ein wenig melancholisch.“

Das ist ein schönes Spiel: In unseren Büroräumen verstreut liegen Stapel mit alten Konkret-Heften, und dann spaziert man rum und reißt plötzlich ein Heft raus und schlägt es auf und ist gespannt, was man findet. Dann fordert man Praktikanten damit heraus. Zeit für den großen History-Test, Freunde… Dieses Zitat – das man schier endlos kommentieren möchte, wenn nicht Vatertag wäre – von Joachim Kaiser (der, glaube ich, Prof. und Dr. ist, aber ich will hier nichts gesagt haben) aus der Süddeutschen findet sich in Heft 1/1998 und darunter hängt ein großes Foto von Heino, auf dem er eine durchsichtige Brille auf hat! Also nicht dieses:

 Da deutsche Musik