Thomas Kaiser war viele Jahre der beste Textchef, den ein Printmedium kriegen konnte. Sein Weg verlief u.a. von GQ, Weltwoche, Monopol bis zum Freitag. Niemand kam mit einem falschen oder dummen Satz an ihm vorbei – das wusste ich nicht nur, sondern er hat es mir vorgeführt, als wir bei zwei Artikeln zusammenarbeiteten. Und er war ein Mann mit einer Haltung: Bei der Weltwoche und beim Freitag warf er den Job hin, als rechte oder politisch mindestens fragwürdige Gestalten in die Chefetage einzogen.
Für mich und uns hieß der Kaiser immer nur Cäsar, wir waren schon Freunde, als er noch studierte und damals schon klar war, dass er seine Begeisterung für Sport und Sprache nie verlieren würde. Wir standen im Stadion bei strömendem Regen und wir diskutierten gerne bis weit nach der Sperrstund. Cäsar starb vor einigen Wochen in Berlin. Gestern haben wir ihn an seine letzte Ruhestätte auf dem Neuen Friedhof in Ebersberg begleitet. Goddam bad day, aber wir haben auch viel erzählt und gelacht. Am 23. August wäre er 55 geworden.
Seine Freundin und ehemalige Kollegin Katja Kullmann schrieb zu seinem Tod: „Der Kaiser. Thomas hieß er mit Vornamen. Und er war vieles. Ein begnadeter Wortwitzfinder, der hellste Textchef, den der Journalismus je erlebt hat. Ein zärtlicher Hundesitter und wacher Alltagsobskuritätenbeobachter. Ein auf verspielte Art ehrgeiziger, aber immer fairer Backgammonspieler. Ein aufrichtiger, warmer, unterhaltsamer Gesprächspartner, über so gut wie alles konnte man mit ihm reden, über tiefste Tiefen und höchste Höhen, denn mit beidem kannte er sich aus. Ein Freund. Einer der echten. „Caesar“ sagten manche zu ihm. Andere nannten ihn „Kaiser Chief“. Mit „Capitano“ sprach ich ihn oft an (und er mich mit „Capitana“). Vor einigen Wochen starb er, mit 54 Jahren. Wie viele andere bin auch ich sehr traurig darüber. So traurig, dass ich es erst nicht fertig brachte, unsicher war, ob ich öffentlich an ihn erinnern soll, hier, in diesem Internet. Ob ihm das recht gewesen wäre. Nun aber sah ich, dass andere, die ihm ebenfalls nahe standen, doch noch mal ein Foto von oder mit ihm veröffentlicht haben. Und ein paar Zeilen dazu, in denen sie ihn noch einmal preisen. Den Kaiser. Der nie nie nie, never ever vergessen sein wird. Roger, roger, check, check, lieber Freund.“ (F-book, 14.7.)
Foto: K.Kullmann
Sein Freund und ehemaliger Kollege Michalis Pantelouris veröffentlichte am 10.7. diese Zeilen: „Caesar ist tot. Ich kann mir keine drei Worte vorstellen, die für mich schwerer zu schreiben wären. Schon weil ich mir nicht vorstellen kann, überhaupt zu schreiben, ohne an ihn zu denken. Er war der wahrscheinlich beste Texthandwerker, mit dem ich je gearbeitet habe, und es gibt bis heute – und wahrscheinlich für immer – Formulierungen, die ich nicht benutze, weil er sie mir verboten hat. Er hat keinen verlogenen Satz ertragen, was in dieser Welt heißt, er hat gelitten. Wir werden ihn feiern, an seinem Geburtstag am 23. August in Berlin… Es waren mehr als 20 Jahre, mein Freund, gute und schlechte, und vor allem: zu wenige. Es tut weh. Das Leben erwartet uns alle. Ich wünschte, du wärst hier.“
Der Medienjournalist Matthias Dell, beim Freitag damals Kollege von Kaiser und Kullmann, spricht in diesem Beitrag (4´) über die Aufgaben des Textchefs bzw. erklärt, was eine gute Textchefin tut, und widmet den Text dem Verstorbenen:
https://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2022/07/13/kolumne_ein_lob_auf_die_schlussredakteurinnen_dlf_20220713_1548_d607a3f8.mp3?fbclid=IwAR0n3Ice5vtQ_ZPEUdhHU-D0wMxGL9OUJ4kEU_Sl6xnGkceXA8v4lU_tApg