Der große und einzigartige „jüdische Unruhestifter“ als Autor, Singer-Songwriter, Entertainer und Politiker, Richard „Kinky“ Friedman starb vorgestern mit 79 in seiner texanischen Heimat, oder, wie er selbst es nannte, er ging auf den Regenbogen.
Hier zuerst das Nachwort, das ich zu seinem Kriminalroman The Mile High Club (Der glückliche Flieger, Edition Tiamat, 2005) schrieb, anschließend das Interview, das ich 2013 mit ihm führen durfte, als er das jüdische Kulturfestival „Hip im Exil“ in Mainz eröffnete:
„Wenn die Sache irre wird, werden die Irren zu Profis.“ Hunter S. Thompson
DER HALLUZIONIST AUF DER STARTBAHN
Der Komiker hat immer das Problem, dass man ihn nicht ernst nimmt, wenn er mal ernst genommen werden will. Der Komiker nennt sich Kinky, und das ist nicht nur ein Wort für seinen Lockenkopf, sondern bedeutet auch verrückt oder sogar pervers. Der Komiker ist gegen die erlaubten 55 Meilen auf texanischen Straßen und schreibt in diesem Buch, er werde „ein Tempolimit von 54,95 Meilen pro Stunde“ einführen, „wenn ich erst zum ersten jüdischen Gouverneur von Texas gewählt bin.“
Diese 13. Folge der Krimi-Serie erschien 2000. Am 29. November 2003 berichtete die New York Times eine ganze Seite lang, dass der populäre Autor komischer Krimis und Ex-Countrysänger Kinky Friedman bekannt gab, bei der nächsten Gouverneurswahl in Texas 2006 kandidieren zu wollen.
Zunächst hielt man das Vorhaben für einen großartigen Coup, denn seit über dreißig Jahren ist der Zigarrenraucher bekannt für seinen schwarzen Humor und seine meisterhafte Selbstinszenierung. Allein schon durch das Medienecho war der Coup gelungen. Aussagen wie, er werde aus der Sache wenigstens mit einem neuen Buch oder einer neuen Frau herauskommen, bestärkten die Hoffnung, dass er die Welt mit einer Parodie auf Arnold Schwarzenegger verbessern wollte. Ganz oben in seinem Wahlprogramm stand das Verbot, Katzen die Krallen entfernen zu dürfen. Im waffenvernarrten Texas erklärte er, dass er keine Waffen möge und „wer auf mich schießen will, muss seine eigene Kanone mitbringen.“ Und als neuen Chef der legendären Hilfspolizei Texas Rangers würde er seinen Freund, die Country-Ikone Willie Nelson mitbringen; von dem weiß fast jeder, dass er für die Legalisierung des Marihuanarauchens eintritt.
Jetzt schien er also endlich in Arbeit zu sein, der Film, den die Welt tatsächlich braucht. Die Marx Brothers regieren Texas! Mit Kinky Friedman in der Rolle des von ihm hochverehrten Groucho Marx.
Aber dann stellte sich heraus, dass der 61-jährige Richard Friedman das Amt ernsthaft ins Visier nahm. Ende Januar 2005 eröffnete er offiziell seinen Wahlkampf, ein Jahr bevor die Demokraten und Republikaner ihre Kandidaten bestimmen. Erstmal befindet er sich in der Vorkriegsphase: als unabhängiger Kandidat muss er 45000 Unterschriften von Wahlberechtigten einsammeln, die seine Kandidatur unterstützen, um zur Wahl zugelassen zu werden. Er versucht diejenigen für sich zu gewinnen, die ebenfalls von Polit-Profis die Schnauze voll haben, und als Wahlkampfleiter konnte er einen gefürchteten Polit-Profi gewinnen. Ex-Senator Dean Berkley schaffte es 1997 in Minnesota für die Unabhängige Partei, den Ex-Wrestler und Schauspieler Jesse Ventura zum Gouverneur durchzuboxen. Den jüdischen Unruhestifter Kinky Friedman in dieselbe Position zu bringen, dürfte schwieriger sein, auch wenn der inzwischen verstärkt an einem etwas seriöseren Image arbeitet.
„Why the Hell not?“ Mit diesem Slogan zieht der Möchtegern-Gouverneur in die Schlacht. Einige Texaner wissen, warum, zur Hölle, sie diesen Mann nicht wählen werden.
Mit dem Stern der Juden auf dem Stetson sprang Kinky Friedman 1973 in die Countrymusik. Da waren in dieses konservative Gebiet schon ein paar Rock-Gitarren und lange Haare und Songs gegen Cops, die Vietnamkriegsgegner verprügeln, eingedrungen. Waylon Jennings und Willie Nelson hatten erfolgreich gegen ein Country-System gekämpft, in dem der Produzent über den Musiker herrschte. In dieser Befreiung entstand der Outlaw-Country, in dem auch die Proteste und Moden der 60-er Jahre zu erkennen waren. Mit Kinky Friedman and The Texas Jewboys kam nun der wildeste Haufen von allen hereingestürmt. Auf der Bühne war es eine durchgeknallte Freak-Show, mit den größten Klappen, schrillen Klamotten und Verkleidungen, permanent Gags und Verarschungen. Die Show wirkte wie von vielen dicken Haschtüten angetrieben, es war der leibhaftige Country-Albtraum. Die politischen Hoffnungen der amerikanischen Gegenkulturen waren so gut wie begraben, aber aus deren Spaßguerilla-Fraktion kamen jetzt diese Jewboys. Viele Plattenhändler waren ebenfalls Juden, und viele von ihnen boykottierten die erste Platte, weil sie den Namen für eine antisemitische Anspielung hielten; hätten sie sich die Songs angehört, hätten sie einen selbstbewussten, kämpferischen Bruder entdeckt. Vom ersten Album ‚Sold American‘ konnte man nicht auf das irre Auftreten der Truppe schließen, und der melancholische Titelsong über einen ehemals erfolgreichen Sänger und den Verlust von echten und nicht dollargesteuerten amerikanischen Werten wurde ihr einziger Country-Top-Ten-Hit. So kamen sie tatsächlich in Nashvilles heiligste Halle. Reverend Jimmie Snow kündigte den Kinkster an als den „ersten vollblütigen Juden, der die Bühne der Grand Ole Opry je betreten hat“.
Zu hören bekam das Publikum auch den Song ‚We Reserve The Right To Refuse Service To You‘. Es ist die Geschichte eines Mannes, der in einem texanischen Lokal nicht bedient wird, weil er ihnen irgendwie „kommunistisch und jüdisch“ vorkommt. So behandelt man ihn öfter, und als er dann in seine Synagoge geht, um für Israel zu beten, wird er auch dort zum Verlassen aufgefordert. „Was hast denn du für Freunde“, sagt der Rabbi zu ihm, „die sehen alle aus als würden sie von der Wohlfahrt leben.“
Was den Antisemitismus betraf, wurde der Songwriter Friedman in ‚They Ain´t Makin Jews Like Jesus Anymore‘ noch deutlicher. In einer texanischen Kneipe bekommt ein Jude von einem reaktionären Redneck-Burschen einen politisch-religiösen Vortrag gehalten: „Ihr wollt doch bloß Christenmädchen flachlegen und ihr habt Gottes einzigen Sohn ermordet! Aber du siehst ja gar nicht jüdisch aus, ich hab dich für einen gut gekleideten Country-Nigger gehalten.“ Der Jude beantwortet den rassistischen Rundumschlag mit einem „son of a bitch“, schlägt ihn zusammen und erklärt ihm, dass heute keine Juden wie Jesus mehr gebaut werden und sie deshalb nicht mehr die andere Wange hinhalten.
Für alle konservativen Amerikaner, die sich davon nicht betroffen fühlen wollten, hatte er noch einen Song im Programm, der sich hervorragend zum Mitsingen und Mitklatschen eignete. 1969 hatte Countrystar Merle Haggard einen Nr.1-Hit mit ‚(Proud To Be An) Okie From Muskogee‘, der zur Hymne gegen Hippies und ähnliches Protestvolk wurde. Dieser Okie, dieses ganz einfache Landei aus dem Kaff Muskogee war stolz darauf, genau das zu sein, denn bei ihnen rauchte man kein Marihuana, gab´s keinen freien Sex, wurden keine Einberufungsbescheide verbrannt und man war auch sonst anständig, kurzum ein aufrechter Amerikaner. Es half nichts, dass Merle Haggard später betonte, er habe das auch ironisch gemeint, seine Gruppe würde am meisten rauchen und dass er es entrüstet ablehnte, für einen rechten Südstaaten-Gouverneur Wahlkampf zu machen: der Song war eine Flagge, und Kinky Friedman brachte die Parodie ‚(I´m Proud To Be An) Asshole From El Paso‘. Der aufrechte Amerikaner sitzt nun im berüchtigten El Paso an der mexikanischen Grenze und ist stolz darauf, dass „wir unsere Frauen nicht mit dem Nachbarn tauschen und unsere Töchter Jungfrau bleiben bis zur Heirat, aber hier kaufen wir uns jetzt ein süßes jungfräuliches mexikanisches Mädchen und den Illegalen, die aus Mexiko rübergemacht haben, zahlen wir 20 Cents die Stunde.“ Weil die Melodie identisch war, durfte der Song zu seiner Zeit nicht auf Platte erscheinen, obwohl Merle Haggard nichts dagegen hatte, aber er blieb nicht unbekannt, er kam herum. Man muss keiner sein, der das Gras wachsen hört, um einen Radiomann sagen zu hören, dieser Dings da, der neue Song ist ja nicht schlecht, aber hat der nicht und das könnte doch! Es ist unwahrscheinlich, dass der Text viel von seinem Gewaltpotential verloren hat. Friedman glaubt wohl zurecht, dass dieses Arschloch aus El Paso einiges dazu beitrug, seine Musikkarriere zu behindern. Die auch nicht gefördert wurde von einigen großen, traurigen Songs.
Den Holocaust, in der populären Musik ein sehr beliebtes Thema, besang er in ‚´Ride ´em Jewboy‘, und es ist ein Cowboy, der den Juden nun beschützt, und wenn der Weg „sechs Millionen Meilen“ lang ist. (In diesem Moment höre ich die Meldung, dass das Ku-Klux-Klan-Mitglied Killen für seinen dreifachen Mord an Bürgerrechtlern in den frühen 60-er Jahren in Mississippi zu 60 Jahren verurteilt wurde). Den Cowboy so zu sehen, entspricht dem Bild, das seine Säulenheilige, die von den Nazis ermordete Anne Frank vom Cowboy hatte. An der Wand in ihrem Amsterdamer Versteck hatte sie Fotos von Film-Cowboys befestigt, für sie waren sie ein Symbol für Gerechtigkeit und Schutz für jeden. Und in diesem Sinn möchte der Gouverneurs-Kandidat den Cowboy wieder zu vorbildlichen Figur machen in Texas, wo allerdings die alten Cowboy-Machoklischees wie in keinem anderen Bundesstaat hochgehalten werden. Auf einen anderen traurigen Song verwies der Kandidat als er zum Thema Abtreibung befragt wurde. Er sagte, er habe noch keine genaue Position dazu, könnte aber auf ‚Rapid City, South Dakota‘ verweisen, vermutlich den einzigen Pro-Abtreibungs-Countrysong. Falls das politische Gegner verwenden, werden sie womöglich nicht erwähnen, dass es hier um einen sozialen Notfall geht.
So kam´s also, dass die Texas Jewboys nicht erfolgreich, aber berüchtigt waren, und in den verchiedensten Lagern auch noch. 1974 wurde ihr Anführer von der Frauenorganisation Woman´s Lib zum „Male Chauvinist Pig of the Year“ gewählt; ein krasses Missverständnis, weil sein Song ‚Put The Biskuits In The Oven And Your Buns In The Bed‘ nicht als Parodie verstanden wurde auf einen klassischen Macho, der Angst hat, die Emanzipationsbewegung könnte ihm seine Frau klauen. Auf dem Karrierehöhepunkt waren sie 1975 ein paarmal zu Gast bei Bob Dylans spektakulärer Tournee ‚Rolling Thunder Revue‘ und 1976 wurde Friedman bei der dritten LP ‚Lasso From El Paso‘ auch noch von Stars wie Ringo Starr, Eric Clapton, Ron Wood, Dr. John und einer Hälfte von The Band unterstützt. Es half nichts, d Jewboys gingen auseinander, einige von ihnen starben an Drogen, Friedman zog nach New York. Jahrelang hielt er sich vor allem mit regelmäßigen Auftritten in der Country-Basis Lone Star Café über Wasser. Der berühmte Autor sagte später, er sei dort „eine Art Joe-Louis-Grüßaugust des Hauses“geworden; nach seiner glorreichen Zeit als Boxchampion hatte Joe Louis in Las Vegas diesen Job gehabt. Deshalb erklärt der Detektiv in vielen Büchern, er habe so viele Konzerte gegeben und sei so lange on the road gewesen, dass er den Klang der singenden menschlichen Stimme nur noch hasse, und reicht die Lebensweisheit weiter, dass es nur ein Schritt von der Limousine in die Gosse ist.
Der Besitzer des Lone Star Mort Cooperman hält in dieser Zeit als einer der wenigen zu ihm. Zum Dank bekam er in den Krimis die schöne Nebenrolle des Detective Sergeants, der als harter New Yorker Cop drei Dinge auf den Tod nicht ausstehen kann: Countrymusik, texanische Landeier in New York und vor allem Hobbydetektive.
Seine Bücher seien eigentlich Wiederholungen der Songs und neue, sagt der Autor. Seine Abenteuer als Countrysänger sind in allen Büchern präsent, für einige könnte man sogar den Ausdruck Country-Krimi erfinden: in ‚Lone Star‘ setzt er nicht nur seinem Säulenheiligen Hank Williams ein Denkmal, sondern auch dem Café; in ‚Nie wieder Tequilla‘ erinnert er sich ausführlich an die Jewboys und ihr Treiben, das Jahre später den verschiedensten Leuten immer noch einen Grund geben könnte, sie alle töten zu wollen; in ‚Straßenpizza‘ begleitet er seinen alten Freund Willie Nelson auf Tournee, der damals als Produzent des zweiten Albums gefeuert wurde, weil die Studioarbeit wie eine Dauerparty aussah.
Erst durch die Popularität der Romane wurden die Songs aus der vergessenen Zone geholt, jetzt unterstützten sie den Autor bei den Lesungen, der jedoch trotz Neueinspielungen, Wiederveröffentlichungen und gelegentlichen Konzerten nie den Wunsch verspürte, ein ehemaliger Ex-Sänger zu werden. Rehabilitiert, ausgegraben oder veredelt wurden seine Songs von Größen wie Dwight Yoakam, Lyle Lovett, Willie Nelson, Tom Waits und anderen für das Tribute-Album ‚Pearls In The Snow‘.
„I want the state“, sagt der Möchtegern-Gouverneur, „to be run by musicians, not politicians“. Wer seine Bücher gelesen hat, kann ihm da nicht so einfach zustimmen.
Sein Leben war ziemlich verpfuscht, er war ein Ex-Country-Halbstar, ein texanisches Original in New York, ein kokainsüchtiger Grüßaugust, als ihm Ende 1983 etwas passierte, das ihn angeblich auf die Idee mit dem Kriminalroman brachte. In seinem New Yorker Stadtteil Greenwich Village schlug er eines Nachts am Geldautomaten in einer Bank einen Räuber in die Flucht, der es auf die Freundin seines verstorbenen Kumpels John Belushi (‚Blues Brothers‘) abgesehen hatte. „Country-Sänger entreißt Gangster sein Opfer!“, hieß die Schlagzeile, und der Autor erzählt dieses Abenteuer schon am Anfang von Band 1 ‚Greenwich Killing Time‘, denn auch sein Held, der Hobbydetektiv Kinky Friedman, entdeckte in dieser Nacht mit dieser guten Tat sein neues Hobby, die Verbrechensaufklärung.
Ohne jeden Umbau schickte Friedman seine Bühnenfigur The Kinkster in die Wortfelder, und wie schon der Countrysänger hing er dort seltsam herum zwischen Ironie und Ernst, schwarzem Humor und Melancholie, hatte keine Kanone und keine Ahnung von Kampfsport und statt der wie üblich gut gebauten Sekretärin nur eine Katze an seiner Seite. Was hatte dieser Sherlock-Holmes-Typ im modernen Kriminalroman verloren? Und in die Abteilung mit den immer noch beliebten romantischen Krimis passte er auch nicht, weil er ständig den Watergate-Präsidenten Nixon als Synonym für Scheißen benutzte und auch sonst betulichen Umschreibungen weniger zugeneigt war… Das Manuskript, nach der Bankomat-Sache in wenigen Monaten geschrieben, wurde von über 20 Verlagen abgelehnt (ehe es 1986 bei Beech Tree Books erschien). Die verständnislosen Lektoren hatten damit fast so viel Pech gehabt wie damals mit Mickey Spillane und seinem Mike Hammer. Es entging ihnen ein produktiver Autor mit schnell wachsender Fangemeinde, die bis heute 17 Kinky-Folgen bekam. Im dritten Band ‚Wenn die Katze weg ist‘ hat Richard Friedman mit den Lektoren abgerechnet. Ein Killer zieht durch den Berufsstand, ein Lektor, für dessen Romanmanuskript sich niemand interessiert. Die Serie, deren Personal und Ort weitgehend gleich blieb (nur die frühen Gespielinnen wurden irgendwann durch die angebetete und unerreichbare Luxusbraut Stephanie Dupont ersetzt), startete 1992 auch in Deutschland, das der jüdische Cowboy gern „mein zweitliebstes Land der Erde“ nennt, während ihm alle anderen Länder die liebsten wären.
Auf der Buchrückseite stand, dass der Autor sich in seinem Detektiv selbst portraitierte und seine realen Freunde in seinem Hilfskommando The Village Irregulars und dass man diese Krimis auch als Kneipenführer benutzen könnte. Das erhöht keine Spannung, aber das Spiel wird interessanter, wenn man weiß, dass auch das ein ziemlich ernster Gag ist. In vielen Interviews betont der Autor, dass er außer dem Verbrechen so gut wie nichts erfunden habe. Falls die Gegner des Gouverneur-Kandidaten wissen möchten, ob er damals seinem Land so tapfer in Vietnam gedient hat bzw. dazu bereit war, wie das von einem Politiker erwartet wird, müssen sie nur Band 4 ‚Frequent Flyer‘ lesen. Der doppelte Kinky erzählt viel über seinen Einsatz beim Friedens-Corps auf Borneo, wo er nach seinem Psychologiestudium ab 1966 für zweieinhalb Jahre tätig war „als landwirtschaftlicher Berater für Menschen, die seit mehr als 2000 Jahren erfolgreich Landwirtschaft betrieben.“ Ein Einsatz in Vietnam sei für ihn undenkbar gewesen, weil er nicht „die gleichen Leute mit den gleichen lustigen Spitzhüten abknallen“ wollte. Viel Glück können sich jedoch seine politischen Gegner wünschen, falls er seinen Freund Steven Rambam, den echten Chef der echten Detektiv-Agentur Pallorium beauftragt, sich bei ihnen im Keller ein wenig umzusehen. Das schöne an diesem speziellen Dreh ist, dass nur dem Autor Nahestehende wissen können, wo Schluss ist mit der Authenzität. Wir können nicht glauben, dass Rambam der „Killerjude“ ist, wie ihn der Autor manchmal nennt. Aber die Altnazis, die der weltweit bekannte und erfolgreiche Jäger von NS-Verbrechern enttarnt hat, sind wahrscheinlich anderer Meinung.
Raymond Chandler hat den modernen Kriminalroman mit dem berühmt gewordenen Satz charakterisiert: Dashiell „Hammett zog den Mord aus der venezianischen Vase, in der er so lange gegrünt und geblüht hatte, und pflanzte ihn an die Straße.“ Kinky Friedman hat den Mord wieder in die venezianische Vase gesteckt, die Vase aber an der Straße stehen gelassen. Deshalb tut er nicht so, als wäre die Figur des Hobbydetektivs jemals etwas anderes als eine literarische Halluzination gewesen und sagt, bevor ihm jemand schlau kommt, „Miss Marple und ich, wir beide lieben eben ein ordentliches Geheimnis.“ Diese Selbstironie ist so einmalig im Genre wie Friedmans Sprachwitz, und damit zerballert er so viele alte und neue Krimi-Klischees, dass reihenweise pseudo-taffe Autoren aufgeben müssten, deren mühevolle Hauptarbeit darin besteht, gerichtsmedizinische Gutachten und Polizeimethoden säuberlich in das Deckchen einzuarbeiten, auf dem ihre Vase steht; die mir am besten gefällt, wenn künstlerisch hochbegabte Serienkiller ihre Werke sogar in den nettesten mitteleuropäischen Nestern ausstellen und dabei in einem biedermeierlichen Buchstabenarrangement ersticken; aus der von Agatha Christie bemalten Vase wurde eine Designer-Vase mit Internetanschluss, das ist alles. Bei Kinky Friedman gibt es keine Abbildungen von Blut- oder Spermabädern, aber seine Komik klingt oft wie das fröhliche Pfeifen, wenn du nachts allein im Wald spazieren gehst. Der Lauschangriff auf seine Angebetete ist eine tolle Slapsticknummer, aber im Rückspiegel erkennt er „den einsamsten Mann, den ich je gesehen habe.“ Das Nicht-Erklären, Andeuten, Nebenbei-Sagen und Doppeldeutige ist spannender als in vielen Krimis der Überfall inklusive Abschlachten. Ein Satz wie „ideologische Differenzen dürfen einen nie von einem formschönen Arsch abhalten“ enthält mehr Probleme als ein Ziegel von John Grisham.
Weniger der Plot oder das Gerätsel um den Täter, sondern mehr um das Schaffen einer Atmosphäre gehe es ihm, sagt der Autor; „seine Mordgeschichten geben nur den Rahmen für seine lakonischen, melancholischen oder komischen Sentenzen, mit denen er sich der Daseinsidiotie entgegenschwingt“, schrieb Wiglaf Droste im Nachwort zu ‚Ballettratten in der Vandam Street‘. Und da ist zu viel Daseinsidiotie benannt, von Joggern über Raucherbekämpfer bis zu den guten Christen, die den Juden fragen, warum sein Volk ihren HErrn ermordet habe, um als Parodie abgeschoben werden zu können. Mit seiner Missachtung aller guten Krimisitten ist Friedman ein Unruhestifter im Genre. Von den Freiheiten, die er sich nimmt, würde eine komplette Klasse für Kreatives Schreiben nichtmal träumen. Man hat keine Ahnung, was das nächste Kapitel bringen könnte, ein langes Palaver mit Brennan, McGovern, Ratso und Rambam, die Nacherzählung von Oscar Wildes ‚Märchen vom Prinzen‘, vielleicht eine neue Spur oder Tat, die Hitliste der größten jüdischen Unruhestifter der Weltgeschichte oder eine kleine Abhandlung über männliche Stehpissgewohnheiten in Amerika. Weil er stark von Stand-Up-Comedy beeinflusst ist, hängt der Autor andererseits an seinen Standard-Gags, in allen Büchern wird ein Nixon abgedrückt, klingeln die beiden Telefone, fliegt der Puppenkopf und erhält die Katze die Verantwortung über das Loft. Das sind persönliche Merkmale, die auf den Serien-Leser irgendwann nicht mehr wirken, aber es könnte ja ein Neuling daherkommen, der nicht weiß, dass Southern Baptists nur den einen Fehler haben, dass sie bei der Taufe nicht lange genug unter Wasser gehalten werden. Ein (jüdischer) Witz, der im christlichen Texas besonders gut ankommt. Dort gibt es auch den schönen Spruch, dass ein Mann, der auf Frauen mehr steht als auf Football, schwul ist. Nur in New York kann der Typ, dem sowas passiert wie dem Kinkster in diesem Abenteuer, als Texaner durchgehen.
Das „Fliegen mit jüdischem Radar“ nennt Friedman seine Methode. Auf dem Radarschirm sind die jüdischen Spuren so stark zu erkennen wie die des linken/liberalen Countercultural Movement der Sechziger- und folgenden Jahre. Wie schon der Songwriter verbreitet der Krimiautor diese Unruhe weiter und befeuert seine Plots permanent mit Statements, die nicht literarisch verhüllt sind. Das ist der Gipfel der Identifikation zwischen Autor und Figur. In der Folge ‚Der Leibkoch von Al Capone‘ gibt es einen seitenlangen, hasserfüllten Vortrag über das FBI, die Geschichte seiner illegalen Aktionen und seines Antisemitismus, der auf eine Stufe mit dem der übelsten Nazis gestellt wird. Im Hintergrund von ‚Straßenpizza‘ steht deutlich der Protest gegen die jahrzehntelange Inhaftierung trotz fehlender Beweise von Leonard Peltier, Symbolfigur des indianischen Widerstands und seiner Brechung mit fast allen Mitteln; es schien so gut wie sicher, dass Präsident Bill Clinton ihn am Ende seiner Amtszeit begnadigen würde, aber, natürlich unbeeinflusst vom Protest einiger hundert FBI-Beamter, der erklärte Kinky-Fan entschied anders (ein Indiz dafür, dass es Kinky-Leser gibt, die das alles vielleicht nur einfach ganz toll witzig finden). Zwei seiner hochverehrten jüdischen Unruhestifter (neben Jesus, Spinoza, Freud, Karl und Groucho Marx, Jack Ruby und Joseph Heller) sind bis heute starke Hassobjekte des konservativen und etablierten Amerika, für ihn aber „Märtyrer“ und „direkt vom Heiligen Geist gesandt“: in vielen Büchern gibt es zumindest eine knappe Verbeugung vor Lenny Bruce. Der gilt als Begründer der modernen Stand-Up-Comedy und war das Komiker-Idol aller Anti-Gruppen seit der Beat Generation. Was heißt denn Comedy? Eine zeitlang beendete er seine Shows mit einem Gedicht über Adolf Eichmann, dem Organisator der Judenvernichtung, und setzte die Pointe, dass die Amerikaner mit dem Abwurf der Atombomben auf Japan ebenfalls Großes geleistet hätten. Viel übler aber war für viele, dass er schon in den 50er Jahren offensiv über Sex und Drogen redete. Nachdem er wegen öffentlicher Verwendung des Ausdrucks „Cocksucker“ 1962 angeklagt wurde, kam es zu einem Prozess, der für das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst eine bahnbrechende Wirkung hatte. Unterstützt von mehr als hundert Prominenten aus dem Showgeschäft, wurde nach zwei Jahren aus der einjährigen Haftstrafe ein Freispruch. Bruce selbst hatte von seinem Befreiuungskampf – das klingt im von Dumm-Comedy verseuchten Deutschland alles bescheuert, ich weiß – wenig, der Prozess hatte ihn zermürbt, sein Name war jetzt ein Symbol für den Ärger, den kaum jemand engagieren wollte, 1966 starb er an einer Überdosis Heroin. Da machte sich das andere „vom Heiligen Geist gesandte“ Kinky-Idol Abbie Hoffman erst richtig an die Arbeit, er wurde zum bekanntesten weißen Anführer der studentischen Bürgerrechts- und Anti-Vietnamkriegs-Bewegung und im Gegensatz zu Rudi Dutschke war er nicht nur Vordenker und Sprecher, sondern auch der oberste Spaßguerillero der sogenannten Yippies. Sein berühmtes Manifest für ein antirassistisches und -kapitalistisches Amerika ‚Steal This Dream‘ erschien in Deutschland unter dem Titel ‚Klau mich‘ bei Trikont. 1968 stellten die Yippies einen eigenen Präsidentschaftskandidaten: ein Schwein namens Pigasus. Im selben Jahr kam es zum Prozess gegen die „Chicago Eight“, unter den Angeklagten waren Hoffman und Black Panther Bobby Seale. Ihnen wurde vorgeworfen, beim Parteitag der Demokratischen Partei einen Aufstand angezettelt zu haben. Erst 1971 wurden alle freigesprochen, eine Untersuchungskommission der Regierung kam zu dem Schluss, es habe sich im Gegenteil um einen „Polizei-Aufstand“ gehandelt, eine Agent Provocateur-Aktion also. Das steigerte den Reiz, es diesem Typen endlich zu zeigen. „Abbie hatte eine Anklage wegen Drogen am Hals, eine Inszenierung von Beamten der Bundesbehörden, die ihn aus anderen Gründen drankriegen wollten …“, beschreibt es Kinky Friedman in der Folge ‚Ohrensausen‘, die nichts weniger als ein Denkmal für diesen Abbie Hoffman ist, verfasst nicht irgendwann damals, als doch jeder irgendwie etwas kritisch drauf war, sondern 1998, und verbunden mit der schönen Idee, dass Detektiv Kinky nach einem Unfall das Bewusstsein verliert und in der Zeit landet, als er ein abgemeldeter Countrysänger auf Kokain war, Rambam ein Rabbi und Hoffman im Untergrund. Der Detektiv erzählt, dass er ihm Unterschlupf gewährte, auf der Familienfarm in Texas und in diversen New Yorker Wohnungen, und wir erinnern uns, dass der Autor sich unglaublich bemüht, hinter seiner Literatur zu verschwinden. Parallel zu seinem Roman kann man auch die Hoffman-Biografie ‚Steal This Dream‘ des Soziologen und Popkultur-Autors Larry Sloman, in der Serie dabei als Ratso, lesen. Abbie Hoffman wurde dann unter dem Namen Barry Freed ein bekannter Umweltschutzaktivist, ohne jemals von FBI- oder anderen Profi-Ermittlern enttarnt zu werden. 1989 nahm ihn irgendein Heiliger Geist mit der Selbstmord-Methode aus der Welt. Was Kinky Friedman besonders an ihm schätzt ist, dass er als letzter der Anführer die Ideale des Countercultural Movement, und damit sind keine Kiffer-Träume gemeint, niemals aufgegeben und keine Karriere in der Wall Street oder sonstwo dort oben angestrebt hat, „and everytime I question authority I think of him.“
Der wichtigste Grund, warum das FBI einen wie Hoffman unbedingt drankriegen wollte, ist für Friedman aber, „dass er das Leben auf diesem Planeten nicht so ernst nahm wie sie es erwarteten.“ Und im vorliegenden Band erscheinen auf dem jüdischen Radar diejenigen, die mangelnde Ernsthaftigkeit oder auch den schwarzen Humor, dem nichts heilig ist, am wenigsten ertragen können. Sieben Jahre nach dem ersten Anschlag auf das World Trade Center landen in Kinkys Loft „35 Fahrkarten zur Hölle“, von denen Rambam glaubt, dass sie „zum Fluchtplan der nächsten Gruppe, die das World Trade Center in die Luft sprengen will“, gehören. Abgesehen davon, dass kein „scheißfundamentalistischer scheißislamischer Terrorist“ so einen Fluchtplan umsetzen konnte, sollte sich die Vermutung im Jahr darauf am 11. September bestätigen. Die religiöse Pest, die sich seitdem weiter ausgebreitet hat, beschrieb Friedman schon damals genau. Bei einem seiner Denkspaziergänge stößt er auf die „kleinen Dinge“ der Religion, „die praktisch bedeutungslos waren, wenn sie auf dem Labortisch der modernen Wissenschaft analysiert wurden, für die Völker der Welt jedoch den Unterschied zwischen brüderlicher Liebe und Haß festlegten und definierten.“ Weil er kein Schmalspur-Unruhestifter ist, beobachtet er, wie schon damals in einigen Songs, auch das eigene Gebiet. Er ist fassunglos als ihm sein jüdisch-orthodoxer Freund die „Scheißvorschrift“ im Talmud erklärt, die es ihm verbietet, sich in der Wohnung die Nägel zu schneiden, und es würde ihn nicht wundern, wenn auf der Pergamentrolle in der Mesusa, die jede jüdische Behausung segnet und die sich keiner zu öffnen traut, einfach nur stünde „kein Pfand – keine Rücknahme“. Dagegen dürfte sein Blick auf die Christenheit speziell im reaktionär-christlich geprägten Texas weniger Heiterkeit bewirken: „Wie viele harmlose Don Quijotes, unschuldige Beduinenkinder und alte Damen mit drei Katzen oder mehr mußten sterben, weil ein fettes Mädchen in einem Waschsalon in Buttflaps, Montana, ein blödes kleines Kreuz um den Hals baumeln hatte? Wie ich sehe, tragen Sie einen sechszackigen Stern. Warum hat Ihr Volk unseren HErrn umgebracht? Aus Jux und Tollerei, nehme ich an.“
Als der Gouverneur-Kandidat sich im Frühjahr 2005 ernsthaft an die Arbeit machte, war er Gast in der populären Talkshow ‚The O’Reilly Factor‘ auf Fox News, einem Schlachtschiff des Murdoch-Medienimperiums, wo schon die New York Times als Attacke von links gilt.
Vor allem wäre doch klar, sagte Bill O’Reilly, dass die Vertreter der mächtigen Parteien versuchen werden, ihn in Stücke zu reißen. „Absolutely“, sagte Kinky Friedman.
Falls die Kandidaten der Demokraten und Republikaner auf die Idee kommen, einige ihrer Mitarbeiter sollten sich etwas genauer mit seinen Werken beschäftigen, dann bekommen sie mehr von solchem Stoff. Man kann ihm nur wünschen, dass sie es als Literatur verstehen, die keinen anderen Sinn hat „als Amerikaner im Flugzeug zu unterhalten.“ Der New Yorker Hobbydetektiv ist das erste Opfer der politischen Ambitionen des Texaners. Um sich voll darauf konzentrieren zu können, hat er ihn im 17. Abenteuer über den Jordan gehen lassen. Oder anders gesagt: es habe ihm jetzt gereicht mit dieser Identifikationsarbeit.
Nach seinem ersten Krimi ist der Autor von New York auf die Familienfarm in Texas zurückgekehrt, und bevor die Sache erfolgreich wurde, versuchte er 1986 einen ordentlichen Beruf zu ergreifen. Er bewarb sich um das Amt des Friedensrichters, hatte aber keinen Erfolg mit seinem Wahlversprechen: „Wenn Sie mich zum ersten jüdischen Friedensrichter wählen, werde ich die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 54,95 Meilen herabsetzen.“
Bei seinem neuen Polit-Versuch tritt der „Halluzionist“ in den Hintergrund und betont auf der sogenannten Wahl-Plattform seine ernsten Ziele. Ganz oben steht die Reform des Erziehungs- und Gesundheitswesens: Texas ist einer der reichsten US-Staaten und steht andererseits an der Spitze, was Kinderarmut, schlechte Ausbildungsmöglichkeiten und soziale Probleme allgemein betrifft; um das zu finanzieren – im Steuerparadies Texas wäre allein schon ein Witz über Steuererhöhung politischer Selbstmord – möchte er das staatlich kontrollierte Glücksspiel einführen. Dass die letzten amerikanischen Präsidenten als Fans seiner Bücher bekannt sind, wird ihm mehr Stimmen bringen, und dass Laura Bush eine Freundin aus Kindertagen ist, die schon seine ‚Animal Rescue Farm‘ unterstützt hat, schadet auch nichts. Im Bereich Umweltschutz soll die Umstellung von Benzin auf Bio-Treibstoff gefördert werden, und die Idee ist dort ähnlich beliebt wie hier bei uns. Beim Thema Todesstrafe zeigt sich, dass Friedman jetzt tatsächlich wie ein Politiker vorgeht: er ist, im Staat mit der höchsten Hinrichtungsquote, „nicht gegen die Todesstrafe“, sondern für eine strengere Überprüfung der Fälle, um die Hinrichtung von Unschuldigen möglichst auszuschließen. Das könnte manche Verehrer wie mich so nachdenklich stimmen wie seine Antwort auf O’Reillys Frage, ob er denn nun liberal oder konservativ sei: „I´m not for the parties, I´m for Texas.“ Außerdem solle das Schulgebet wieder eingeführt werden. Da klingt es im zunehmend antiamerikanischen Deutschland auch passend, dass er, anders als früher, sogar Freundliches über George W. Bush sagt, was allerdings eher mit der Tatsache zu tun hat, dass die USA der stärkste Schutz für Israel sind. Das Ziel, den alten Ruhm von Texas wieder herzustellen, mit dem Cowboy wieder als Vorbild, klingt seltsam, aber er meint eben in Anne Franks Sinn damit Gerechtigkeit und eine Gesellschaft, die ihre Schwächsten beschützt. Deshalb nennt er seinen Wahlkampf „nicht politisch, sondern spirituell.“ Dass er „Lehrer, Feuerwehrleute, Cops und Soldaten“ als wahre Helden sieht und gegen den Geist der Politik stellt, macht es deutlicher.
Seine Chance ist minimal, aber nicht gleich Null. Amtsinhaber Rick Perry hatte sich bei einer Wahlbeteiligung von gerade 30 Prozent nur knapp durchgesetzt und ist nicht beliebt. Die 100 Millionen Dollar, die jede der beiden großen Parteien im Wahlkampf verpulvern wird, sind nicht nur in gewissen Anti-Lagern ein Zeichen für ein kaputte Politik, mit dem die Amateure vom „Why the Hell not?“-Team schon deshalb nicht zu verwechseln sind. Die entscheidende Frage wird dennoch sein, ob nicht der vernünftige Romantiker, sondern auch der Unruhestifter ein paar Leute mehr als damals gewinnen kann. Denn er hat als Kandidat den Schwanz nicht eingezogen, sondern sozusagen nur etwas weniger ausgestellt, und die Befürchtung, dieser warmherzige, bissige, große Unruhestifter könnte von der Politik gefressen werden, ist nicht so groß wie es hier wahrscheinlich den Anschein hat. Er ist in der politischen Welt ein sensationeller Querschläger, der sich permanent Sprüche leistet wie „I want to be Gouvernor because I need the closet space“ oder „I support gay marriage, I think they have every right to be just as miserable as the rest of us.“
Was kann man hören, wenn man sich bemüht, das Gras wachsen zu hören? Als zu Beginn des Wahlkampfs ein professioneller Medienberater Friedmans Team ergänzte, betonte der Mann, sie würden das Verrückte und Untypische dieses Wahlkampfs beibehalten, und wie um sein Profil sichtbar zu machen, nannte er Hunter S. Thompson seinen liebsten politischen Schreiber, den Autor von ‚Angst und Schrecken in Las Vegas‘, den Drogen- und Waffenfreak, noch so eine Ikone aus dem Protestsumpf der Sechziger (vor dessen schleichender, das brave Amerika immer noch zersetzender Wirkung auf Vox News gewarnt wird), der bis zu seinem Selbstmord im vorigen Jahr so heftig wie kaum jemand Nixon, die Bushs und andere politische Gefahren attackierte. 1970 hatte Thompson einen legendären Wahlkampf geführt, als er in Aspen, Colorado, Sheriff werden wollte und ihm nur wenige Stimmen fehlten. In seinem letzten Buch erinnerte er sich, was er ständig von seinen Leuten zu hören bekam: dass er, sollte er die Wahl gewinnen, das Büro nicht lebendig betreten würde.
KINKY FRIEDMAN IST HIER!