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SOUNDS OF SURVIVAL FROM UKRAINIAN UNDERGROUND

(Ralf Summer, Zündfunk:) „Sounds Of Survival From Ukrainian Underground“ heißt ein Benefiz-Sampler von den beiden aus Regensburg stammenden Gebrüder Teichmann. Hannes und Andi haben den Sampler auf der Plattform bandcamp veröffentlicht, da die Künstler:innen dort – im Gegensatz zu anderen Musikplattformen – am meisten von den Einnahmen bekommen.

https://soundsofsurvival.bandcamp.com/?fbclid=IwAR3Yid_YkdmJrjytaNJXu9i0EUa9nuv3mlU-DXnJAllyhwNAvz6mgtPIq24

Andi und Hannes Teichmann wohnen in Berlin, sie haben in den letzten fast 20 Jahren in aller Welt aufgelegt – und sehr gerne waren sie immer wieder in der Ukraine. Dort haben mit einer ganzen Menge Artists Freundschaften geschlossen: „Seit 17 Jahren kooperieren wir schon. Daraus ist auch eine enge Freundschaft entstanden und aus dieser Perspektive haben wir uns große Sorgen gemacht. Ziel der Compilation war: Ein Raum für die Musik unserer befreundeten Künstler:innen zu schaffen. Ihnen wieder eine Sichtbarkeit zu geben. Einen Ort, wo die Musik stattfinden kann“, erzählt Hannes. Andi ergänzt: „Natürlich geht es auch um finanzielle Unterstützung. Die direkten Einnahmen gehen an das Kollektiv um die Musiker:innen, um ihre Familien zu unterstützen.“

Die Benefiz-Compilation veröffentlichen sie von Berlin aus über ihr Label “Noland”. Serge Dubrovsky aka Dubmasta (Kyiv), befreundeter Musiker und Koordinator der Compilation in der Ukraine, schickte den Gebrüder Teichmann diese Nachricht nach dem Release des Samplers:

„Eternal thanks and respect for your support. People love it, share it. Working on this compilation was like breathe of fresh air in these darkest days. Hope every minute this war is gonna stop. We can live in peace.“ (Serge aus der Ukraine)



WIR HABEN UNS ENTSCHLOSSEN

diesen P-tin auch noch zu verklagen wegen Schuld an der Dauerbelastung durch Nachrichten, die unsere ohnehin labile geistige Verfassung massiv beschädigen. Uns ist bewusst, dass dieses Problem im Gesamtzusammenhang vollkommen unerheblich ist und werden uns deshalb ganz hinten anstellen (vgl. jedoch auch: Al Capone wurde vom Finanzamt erledigt). Außer wir kommen mal so nah an ihn ran, dass wir ihm im Sinne von Mickey Spillanes Diktum „Das Gesetz bin ich“ die Sache erklären können, was natürlich so gut wie ausgeschlossen ist. Aber nicht so ganz wenige Ereignisse waren so gut wie ausgeschlossen. Zur Frage seines schwarzen Gürtels: das hat Sam Peckinpah in seinem Film „Die Killer-Elite“, als der dickliche unsportliche Burt Young vier männlichen Kampfmaschinen mit einem Mittel entgegentrat, das genau für solche Situationen erfunden wurde, hinreichend deutlich dargestellt. Für Pazifist*innen allerdings nicht geeignet.



YURIY GURZHY INTERVIEW

Der großartige berlinisch-ukrainische Künstler, Musiker, DJ und Trikont-Artist Yuriy Gurzhy im taz-Interview mit Julian Weber „über Künstlerkollegen mit Waffen, Gespenster der Sowjetunion und das Mantra von der Schlangeninsel“:

https://taz.de/Ukrainischer-Musiker-Gurzhy-ueber-Krieg/!5840614/

Übrigens ganz neu sein Buch „Richard Wagner und die Klezmerband – Der neue jüdische Sound in Deutschland“ (Ariella Verlag), auf das wir hier noch genauer hinweisen werden.

Yuriy Gurzhy bei Trikont.de:

Dünnes Eis | Kaminer & Die Antikörpers | TrikontBorsh Division – Future Sound Of Ukraine | TrikontRussendisko Hits (2003, CD) - Discogs

 



THE HARDBOILED BROOKLYN POET

Als ich gestern etwas zum 100. Geburtstag von Jack Kerouac für die FAS schrieb, kam ich auf folgenden Hammersatz: Jack Kerouac ist der Mickey Spillane der ersten Beat Generation. Habe ich dann aber nicht geschrieben, als mir klar wurde, dass es eh niemand versteht, und die einzige Frau, der ich damit vielleicht ein Lächeln entlockt hätte, ist vor 25 Jahren in Tijuana abgeflogen, Kathy Acker.

Auf den schlagkräftigen Satz war ich auch nur gekommen, weil ich gelesen hatte, dass ich an diesem 9. März auch etwas zum 104. Geburtstag von Mickey Spillane hätte schreiben können, den ich viel, aber – ein Fehler, der sich irgendwie rächen wird, das ist klar – lange nicht mehr gelesen habe.

Den besten Essay aus Germany. den der Mann bekam, der als Jagdflieger im Weltkrieg II die Welt gegen Deutschland verteidigte, hat Jörg Fauser 1984 geschrieben (der Mickey Spillane der deutschen Beat Generation), und er steht bei Spiegel-online zur Verfügung:

„Spillane wächst in einer rauhen Gegend von Brooklyn auf, der er auch sein Markenzeichen, den streichholzlangen Bürstenschnitt, verdankt: Als kleiner Junge schneidet er sich die Haare so kurz, damit die Größeren ihn nicht daran packen und verprügeln können (…) Für das liberale Publikum rangiert Spillane irgendwo zwischen de Sade und »Mein Kampf«.“ Ob das liberale Publikum inzwischen mehr von Literatur versteht, wage ich nicht zu beurteilen.

https://www.spiegel.de/kultur/mein-ist-die-rache-spricht-mike-a-6a09457f-0002-0001-0000-000013512212

kaliber .38 Autoren-Infos: Mickey SpillaneOne Lonely Night von Mickey Spillane | ISBN 978-1-4091-5867-7 | Buch online  kaufen - Lehmanns.deMickey Spillane“ – Bücher gebraucht, antiquarisch & neu kaufen



WEISER DIRTY OLD MAN

„Ich empfinde gegen die Dummheit meiner Epoche Haßfluten, die mich ersticken. Mir steigt die Scheiße in den Mund wie bei einem verklemmten Bruch. Aber ich will sie behalten, sie eindicken und daraus einen Brei machen, mit dem ich das neunzehnte Jahrhundert beschmieren werde.“
Ausgegraben von konkret-Redakteur Thomas Blum und mit der Bemerkung versehen: „Bedauerlich eigentlich, dass der 1880 verstorbene Gustave Flaubert nicht die Gelegenheit bekommt, in unserer Zeit zu leben.“


BORSH DIVISION MUSIC & SPENDEN

Der berlinische Ukrainer Musiker und DJ und Trikont-Artist Yuriy Gurzhy hat diese, schon 2016 großartige Compilation mit Future Sound of Ukraine auf Trikont veröffentlicht, sie ist jetzt wieder erhältlich und die Einnahmen werden für ukrainische Kriegsopfer gespendet:

trikont.de

Trikont: „DIESE CD WERDEN WIR NICHT BEMUSTERN, sie ist ausschließlich zur Unterstützung der Ukraine gedacht und jede Verbreitung dieses Aufrufes wird ein kleines Puzzleteil der Hilfe für dieses geschundene Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner sein.
„BORSH DIVISION“ – DIGITAL DOWNLOAD HIER
Es gibt Zeiten, da fällt es schwer die richtigen Worte zu finden, da steht man fassungslos und ungläubig vor einem Desaster, das man sich in seinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen konnte. Ihr kennt das sicher auch und in diesen Zeiten hilft es, zu helfen und man ist froh, wenn sich eine Möglichkeit bietet.
Deshalb haben wir gemeinsam mit Yuriy Gurzhy entschieden, ab jetzt alle Erlöse aus der im April 2016 erschienenen CD „Borsh Division – Future Sound of Ukraine“ an die BRÜCKE DER HOFFNUNG (www.bdh.org) zu spenden. Yuriy Gurzhy, ein Ukrainer in Berlin und Herausgeber einiger Trikont-CDs hat diese tolle Musik für uns zusammengestellt.
Wladimir Kaminer, Autor und Trikont-Herausgeber, schrieb dazu 2016 unter anderem im Booklet: „Die Ukraine ist wirtschaftlich arm und vom Krieg gebeutelt, aber in seinem Geist ganz und gar Europa geworden. Ein Traum, den kein Präsident bisher verwirklichen konnte, wurde vom Volk aus eigener Kraft bewältigt. Die Menschen haben es geschafft, gehört zu werden. Das Selbstbewusstsein der Unkrainer ist unglaublich gewachsen, das zeigt die gute Musik, die die neue Ukraine macht, und die mein Freund Yuriy Gurzhy jetzt auf dieser CD versammelt: Sie hat ganz neue Töne. Hören Sie den Sound der ukrainischen Revolution – den neuen Sound Europas.“


BIRTHDAY PARTY PPPASOLINI

Kein Klassiker des 20. Jh. hat mich in den letzten Jahren so beschäftigt wie PPPasolini, der heute vor 100 Jahren geboren wurde. Lange Zeit kannte ich nur einige Filme, ehe ich dann von etwas reingezogen wurde, an das ich mich nicht erinnere. Das Gedicht Pasolini und ich habe ich mehrmals umgeschrieben, zuletzt für den bei Starfruit Publications erschienenen Sammelband mit dem passenden Titel Ruiniert Euch! (ehe es die anderen tun, könnte man ergänzen), und werde es wohl weiter um- und umschreiben (wie auch ein neueres Gedicht, das ich noch nicht genügend auf- und umgeschrieben habe), bis endlich alles in Schutt und Asche umgelegt und abgeschrieben ist:

Pier Paolo Pasolini und der Tod | Art since 1945 | Hatje Cantz120 Tage von Sodom, Die - italo-cinema.de

+ + +  PASOLINI  UND  ICH  + + +

Mit einem Pflasterstein

hätte ich die Elbe treffen können

als ich im Hotel um 0400 erwachte.

Und sofort was tun wollte.

Und dann wenigstens Pasolini las

ein Aufsatz über Gramsci

Pasolinis Verhältnis zu Gramsci

oder wie Pasolini von Gramsci

nicht immer oder sehr oder

nur in gewissen Fällen

beeinflusst worden war.

Oder ging’s um Widersprüche

und den Versuch, sie zu erledigen?

Schwer zu sagen

denn ich habe nicht viel verstanden

nicht genug verstanden

immer noch zu wenig verstanden

auf jeden Fall viel zu wenig

und zu wissen, dass der eine

die Partei gegründet hatte

aus der der andere

nachdem der eine längst tot

ausgeschlossen worden war

nur weil er schwul war

war nicht genug Wissen.

So las ich viele Sätze doppelt

bis ich doch wieder einschlief.

Abends gingen wir in eine Pizzeria

auf St. Pauli, Nähe Herbertstraße.

Sie sah billig aus, sei aber sehr gut

und teuer, wurde uns gesagt.

Und echte Italiener übrigens.

Ich stand am Tresen

wartete auf meine Flasche

drehte mich um

hatte plötzlich so ein Gefühl.

Ein Mann sah mich an.

Von einem alten Foto, schwarz-weiß

und ohne ein Bild von ihm zu kennen

wusste ich: Das ist er!

Und ging so nah ran

bis ich´s lesen konnte

Antonio Gramsci (1891-1937) Mitgründer

der Kommunistischen Partei Italiens.

Mit dem Foto in der Pizzeria

wusste ich schon viel mehr

und wusste, dass ich eines Tages

noch mehr wissen würde

ehe ich mich dann

nicht mehr erinnern würde

was ich mal alles hätte

wissen wollen und tun sollen.

Wissen müssen, tun müssen.



HOFFNUNGSTRÄGER

<Verschiedene „Querdenker“ und Rechtsradikale verteidigen den Überfall Russlands auf die Ukraine. Viele von ihnen sehen in Putin einen Widerstandskämpfer gegen die „westliche Elite“ (…) Putin löst derzeit den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als Hoffnungsträger der Szene ab. Der russische Präsident wird als Widerstandskämpfer gegen den Westen stilisiert. Das „COMPACT“ Magazin schreibt: „Putin ist dem Westen verhasst, weil er ein Gegenmodell darstellt. Er ist ein Patriot und kein Vaterlandshasser, er lehnt Multi-Kulti und Gender ab.“>

https://www.tagesschau.de/investigativ/reaktionen-auf-putin-von-querdenkern-und-verschwoerungsideologen-101.html



PRESSEMITTEILUNG DES AUGSBURGER FLÜCHTLINGSRATS

Mittwoch, 2. März 2022

Pressemitteilung anlässlich der aktuellen Situation in der Ukraine und Europa — 03.03.2022

In der Ukraine herrscht Krieg, zahlreiche Tote und Verletzte sind zu beklagen – auch in der Zivilgesellschaft. In den umkämpften Gebieten werden Wohnhäuser und die öffentliche Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen, zum Teil komplett zerstört. Unzählige Menschen befinden sich auf der Flucht, laut UN-Flüchtlingshochkommissariat sind bis 03.03. bereits ca. 875.000 Ukrainer*innen über die Grenzen geflohen. Ihr Weg führt sie fast ausschließlich auf das Territorium der EU, hauptsächlich nach Polen, aber auch nach Ungarn, Rumänien und in die Slowakei. Zugleich wird eine Rüstungsspirale in Gang gesetzt, in deren Dynamik der 100 Milliarden umfassende Sondertat der deutschen Bundesregierung ein vorläufiges trauriges Highlight darstellt.

Während hierzulande angeblich seriöse Medien von einer neuen Runde im Kampf der Kulturen schwadronieren und ihren Huntington aus dem Regal kramen, zeigen zivilgesellschaftliche Akteure vor Ort und im restlichen Europa, was Solidarität und Mitmenschlichkeit bedeuten. In beeindruckendem Tempo werden Decken, Schlafsäcke und Zelte gesammelt, Essen gekocht, Mitfahrgelegenheiten und Schlafplatzbörsen organisiert. In der russischen Zivilgesellschaft regt sich zudem immer mehr Widerstad gegen das politische Regime und seinen Krieg. Es ist wunderbar, all das in diesen Zeiten zu beobachten.

Auch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten wollen dem in nichts nachstehen und verkünden vollmundig eine umfassende Aufnahme der aus der Ukraine fliehenden Menschen und versprechen ihnen beschleunigte Verfahren. Die EU möchte erstmalig die sogenannte „Massenzustrom“-Richtlinie aktivieren, die Kriegsflüchtlingen ohne ein aufwendiges Asylverfahren Schutz garantiert. 

Diese Kehrtwende der Mitgliedsstaaten und der EU-Bürokratie sind unbedingt zu begrüßen. Es muss momentan alles daran gesetzt werden, die Kriegshandlungen auf dem Territorium der Ukraine zu beenden und den Betroffenen schnellen, unbürokratischen und umfassenden Schutz zu gewährleisten!

Und doch versetzt uns diese Kehrtwende auch in ein gewisses Erstaunen und Fassungslosigkeit. Gerade noch blockierten Staaten wie Polen die Aufnahme von Flüchtenden an der Grenze zu Belarus. Tag für Tag sind Push-backs, Gewalt und Tod im Mittelmeer oder etwa an der griechischen Außengrenze auf der Tagesordnung. In Syrien herrscht nach wie vor staatlicher Krieg gegen die eigene Bevölkerung und die kurdisch verwalteten Regionen stehen unter dauerhaftem Beschuss von mehreren Seiten. Von dort, wie auch aus vielen anderen Regionen machen sich Menschen tagtäglich auf gefahrvolle Fluchtwege und die EU kennt in aller Regel kaum Erbarmen. In Libyen sorgt bspw. eine sogenannte Küstenwache mit Unterstützung und unter expliziter Tolerierung der EU für Leid und Elend – und insbesondere dafür, dass sich so wenige Menschen wie möglich auf die Bootsfahrt Richtung Europa machen.

So sehr wir vor diesem Hintergrund die unbedingte Aufnahmebereitschaft und Versorgung ukrainischer Geflüchteter begrüßen, kritisieren wir zugleich die Selektivität der EU im Umgang mit Menschen, die unter Krieg und Perspektivlosigkeit leiden. Eine Selektivität, die sich übrigens trotz aller Bekundungen einer allgemeinen Aufnahmebereitschaft schon jetzt an der polnischen Außengrenze zu reproduzieren scheint: wie die Tagesschau und andere unabhängige Beobachter*innen berichten, wurden Menschen nicht-weißer Hautfarbe offenbar an der Einreise gehindert.

Wir schließen uns dem Plädoyer der im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet tätigen, flüchtlingssolidarischen Organisation Ocalenie aus Polen an: Wir möchten in einem Land leben, in dem Flüchtlinge nicht nach Hautfarbe, Glaube oder Ethnie unterschieden werden!

Wir fordern: Öffnet die Grenzen für alle von Krieg und Perspektivlosigkeit betroffenen Menschen – egal welcher Herkunft!

Aktuelle Informationen und Zahlen finden sich bspw. beim UNHCR oder dem Mediendienst Migration.

 Berichte von der ungarisch-ukrainischen Grenze finden sich u.a. bei Bordermonitoring.



WAS AUCH GESAGT WERDEN MUSS

hat Dominic Johnson in der taz gesagt: „Auf der Flucht sind nicht alle gleich / Europa misst beim Umgang mit Geflüchteten mit zweierlei Maß. Die Ukrainer werden warmherzig empfangen – Menschen aus anderen Regionen nicht.“

https://taz.de/Europas-Fluechtlingspolitik/!5835227/