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IN MEMORIAM JÖRG FAUSER

anlässlich des 80. Geburtstags des Schriftstellers: im Rahmen einer öffentlichen germanistischen Fachtagung (Eintritt frei, plus Ausstellung u.a.) in München vom 11.-13.9. lese ich am 12.9. 19h einige seiner Gedichte / hier das ganze Programm:

https://www.bernhard-springer.de/Das-Leben-als-Rohstoff.html

DAS LEBEN ALS ROHSTOFF
Familie Jörg Fauser – Eine Werkschau

Bilder- und Exponate Ausstellung der Künstlerfamilie Fauser,
Maler Arthur Fauser (1911-1990),
Schauspielerin und Autorin Maria Razum Fauser (1917-2007)
Schriftsteller Jörg Fauser (1944-1987)


Vernissage: 11.09.2024, 19:30 Uhr,

Ausstellungsdauer: 12.09.2024 – 22.09.2024, 10:30 Uhr

Öffnungszeiten: täglich geöffnet von 16 – 19 Uhr

halle50 Domagkateliers,
Margarete-Schütte-Lihotsky-Str. 30, 80807 München

 

 



MEIN NEUER ROMAN (8)

Ein Sohn von zwei Müttern (Klett-Cotta-Tropen) wurde im nd besprochen: „lakonisch, elegant, souverän und lustig“ resümiert Frédéric Valin, und was hätte ich mehr aufm Kasten haben können.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183941.ein-sohn-von-zwei-muettern-franz-dobler-ein-dasein-das-kein-schicksal-ist.html



DAS HÄNGT SEHR GUT

Mein schon etwas älteres Kurzgedicht macht mal wieder eine Runde, jetzt auf einem Plakat von DIE PARTEI:

„Heimat ist da, wo man sich aufhängt“

Wird anscheinend gern unter AfD-Plakate gehängt, die was anderes meinen: „Heimat ist keine Altlast“, und das ist ein sehr guter Platz für mein Gedicht. (Die Kommentare auf f-book etc dazu sind natürlich ziemlich vielfältig…) Danke Die Partei hau rein!



ÜBER DEN RUSSISCHEN ANGRIFFSKRIEG

schreibt der Musiker, DJ, Trikont-Artist Yuriy Gurzhy wöchentliche Kommentare (auf die wir, auch wenn sie großartig sind, lieber verzichten würden), inzwischen auf f-book:

(Auszug vom 11.8.): „Manchmal bleibe ich stecken – so wie jetzt, ich komme einfach nicht weiter. Seit zweieinhalb Jahren schreibe ich wöchentlich Texte, die sich mit dem Schicksal meiner Landsleute und den aktuellen Ereignissen in der Ukraine befassen, und manchmal verzweifle ich. Ich hätte lieber über die Disco-Jahre in der Karriere von Herbie Mann gesprochen (…) aber ich verfasse diese deprimierenden Chroniken, in denen ständig Menschen leiden und sterben und Städte verwüstet werden. Doch auch wenn ich manchmal feststecke, habe ich meine Wahl längst getroffen und werde weitermachen – bis die Ukraine diesen Krieg gewinnt.“

Weiterhin unbedingt lesenswert: Yuriy Gurzhy: Richard Wagner und die Klezmerband. Der neue jüdische Sound in Deutschland



DEMOKRA-WAS?!?

Eingeladen bei „Augsburger Gespräche zu Literatur, Theater und Engagement 2024“, die seit 2018 unter dem Label des jährlichen Hohen Friedensfests veranstaltet werden,  hatte ich auch einen Text zum diesjährigen Thema „Demokratie“ einzureichen und schrieb dies:

Merksatz Demokratie

Einen starken Satz über die Demokratie und ihren Killer, die Diktatur, bekam ich erstmals mit etwa acht Jahren zu hören. Ich verstand natürlich kaum was von dem ganzen Ausmaß, das in diesem Satz steckt; in dem neben der klaren Haltung schon viele Probleme angedeutet sind und der dennoch so prägnant und einfach ist, dass ich ihn mir sofort und für immer merken konnte.

Mit meinem Vater fuhr die ganze Familie einmal im Jahr in seine alte Heimat Niederösterreich und dann besuchten wir auch seinen alten Freund Hans. Sie kamen aus demselben Dorf, hatten alle Schuljahre nebeneinander gesessen und waren im Zweiten Weltkrieg Soldaten in der Wehrmacht. Mein Vater war aus dem Krieg (zumindest scheinbar) unverletzt zurückgekommen, der Hans nach einer Schussverletzung mit einem kaputten Bein, er konnte nur noch mühsam mit Krücken gehen.

Diese Männer waren in einem Weinanbaugebiet aufgewachsen. Wenn die Familien zusammensaßen, wurde viel Wein getrunken. Ich verfolgte das Gespräch der Männer, sie waren keine stillen Typen. Sie fingen immer mit ihren Schulgeschichten an und dann kamen der Krieg und die Nazizeit. Die Nazizeit beurteilten sie 25 Jahre danach unterschiedlich, und dabei ging es immer auch um die Frage, ob es gewisse Probleme von heute damals nicht gegeben hätte und ob denn damals absolut alles schlecht gewesen wäre … Die Diskussion wurde lauter. Wenn wir in oder vor einem Wirtshaus saßen, sagten die Frauen irgendwann, sie sollten jetzt aber mal wieder aufhören mit dieser Politik.

Früher oder später (laut oder lauter) sagte der Hans dann jedes Mal, als wäre es sein Schlachtruf: „Die schlechtestfunkionierende Demokratie ist mir immer noch lieber als die bestfunktionierende Diktatur!“

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Bei Starfruit Publications erschien 2021 der 386 S. starke Sammelband „Ruiniert euch!“ mit Beiträgen der bisherigen Teilnehmer*innen der Gesprächsreihe (und einigen Autoren des Verlags, weshalb ich mit meinem Gedicht „Pasolini und ich“ dabei bin):

https://www.starfruit-publications.de/buecher/ruiniert-euch



DIE KÖNIGLICH BAYERISCHE ANTIFA REISST UNS

einmal mehr aus der Dunkelheit des Sommerlochs und wir erlauben uns, den sachlichen Text unter dem Titel „Antifa supports Israel“ (f-book, 28.7.) in voller Länge weiterzuleiten:

„Manipulierte Emotionen
Die emotionale Anteilnahme über die Notlage vieler Menschen in Gaza ist sehr berechtigt. Es ist nachvollziehbar, dass gerade Menschen des linken Spektrums mit Empörung und Empathie reagieren. Umso perfider ist es, dass diese Emotionen systematisch manipuliert werden.
Wir haben es mit einer Koalition aus stinkreichen Faschisten, Islamisten, Despoten und Nationalisten zu tun, die vom Elend in Teilen der palästinensischen Gesellschaft und dem Hass auf Israel profitieren. Sie haben eine ausgeklügelte Medienstrategie, welche alle Berichte über Leid der Palästinenser framed als böswillig von Israel verursacht. Und diese Medienstrategie funktioniert verdammt gut. Währenddessen leben die Führer der Hamas und ihre Unterstützer im klerikalfaschistischen Regime des Iran im Reichtum.
Jedes Jahr fließen Milliardenbeträge an die Palästinenser und Palästinensische Organisationen. Alleine die EU hat 1,2 Milliarden Dollar zwischen 2021-2024 zur Verfügung gestellt. Abgesehen von Syrien und diversen Inselstaaten (mit sehr geringer Bevölkerung) erhalten die Palästinenser die größte Summe Hilfsgelder pro Kopf auf der ganzen Welt. Der Gazastreifen ist seit fast 20 Jahren nicht mehr unter Israelischer Verwaltung. Dort hätte mit diesem Geld längst eine blühendes Küstenparadies entstehen können. Und doch beklagen Hamas und Co eine Hungersnot – aber für Raketen, Terrortunnel und andere Waffen ist immer Geld da.
Israel wird vorgeworfen einen Genozid an den Palästinensern verüben zu wollen. Natürlich ist es zulässig, sich kritisch mit israelischer Politik zu beschäftigen, gerade in Israel gibt es dazu unterschiedliche Meinungen.
Doch es ist wichtig, bei den Fakten zu bleiben!
1. In den letzten Jahrzehnten hatten die Palästinenserführer gleich mehrere Angebote für einen eigenen Staat auf dem Tisch, sie hätten nur unterschreiben müssen. Im Jahre 2000 war Israel sogar bereit, über den Status Ostjerusalems zu verhandeln.
2. Israel unternimmt enorme Anstrengungen, um Zivilisten*innen in Gaza zu schützen. Zum Beispiel werfen sie regelmäßig einen
regelrechten Regen mit Flugblättern über bevorstehende Militärschläge auf die Infrastruktur der Hamas vom Himmel, damit die Menschen die Möglichkeit haben, sich in Sicherheit zu bringen.
3. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Anzahl der Palästinenser vervielfältigt. Ist das ein Genozid? Nein, ein Genozid ist der aktive Versuch ein Volk mindestens zu dezimieren oder ganz auszulöschen. Das ist nicht der Fall.
Ziel des Militäreinsatzes ist die Befreiung der Geiseln und die
Zerstörung der Hamas. Und zur Medienstrategie der Hamas, gehört das Narrativ von mutwillig von Israel getöteter Zivilist*innen. Dabei könnte der Krieg vorbei sein, wenn die Herrscher der Palästinenser sich für das Wohl der eigenen Bevölkerung interessieren würden. Doch das primär Ziel der Hamas ist (neben Yachten & Villen für ihre Anführer) die Ermordung aller Juden auf der Welt. Beim iranischen Regime kommt der Wunsch nach regionaler Dominanz hinzu. Auch beim Putinregime freut man sich, wenn die Aufmerksamkeit der Menschen nicht auf den Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine liegt. Und so wird Leben & Zukunft der Palästinenser weiter sinnlos geopfert.
Die Hamas muss zerschlagen werden, damit Palästinensische
Kinder nicht weiter dazu erzogen werden Juden zu hassen. Sie
sollen sich in Kunst, Wissenschaft und sozialem Fortschritt verwirklichen und nicht als menschliche Schutzschilde oder Dschihadisten sterben.
Traurig, dass Linke auf die antisemitische Manipulation reinfallen
Noch trauriger wird es, wenn man sich vor Augen führt, dass die
palästinensische Nationalbewegung maßgeblich beeinflusst wurde vom Großmufti von Jerusalem. Ein Mann der von den 1920zigern bis in die 40ziger nicht nur verantwortlich war für steigenden Antisemitismus, Progrome gegen Juden und die Verfolgung von Araber*innen, die zur friedlichen Koexistenz mit der jüdischen Bevölkerung bereit wären sondern auch best Buddy mit dem Nazi-Regime war. Sie haben seine Propaganda unterstützt, er hat eine eigene „SS“-Staffel bekommen und
half mit bei der Shoa.
Friedliche Koexistenz & Internationale Solidarität
Wer sich für ein würdevolles leben der Palästinenser einsetzen möchte, sollte Hamas & Co den Kampf ansagen und sich einsetzen für eine friedliche Koexistenz mit Israel. Ich weiß das viele Linke aufgrund der Medienstrategie der Antisemiten ein sehr negatives Israelbild haben. Das zu ändern wird schwer. Aber lasst euch folgendes sagen: in Israel leben mittlerweile mehr Juden als das Nazi-Deutschland töten könnte.
Jeder Versuch Israel zu vernichten führt nur zu noch mehr Leid vieler Palästinenser. Koexistenz ist der einzige Weg, dies zu ändern!
Deshalb: Hört auf die antisemitische Propaganda zu glauben. Setzt auch dafür ein, dass Hamas und Co keine weitere Unterstützung aus dem Ausland bekommen. Dazu gehört insbesondere, dass Deutschland & Europa endlich aufhören, mit dem Regime im Iran zu kooperieren. Ein Schritt, der auch aus anderen Gründen überfällig ist.
Weiterhin sollten wir im Rahmen internationaler Solidarität dabei helfen, Räume des Dialogs zwischen Israelis und Palästinensern zu fördern. Hierüber könnte auch die internationale radikale Linke einen Weg aus der Spaltung über Nahost finden und sich im Kampf gegen Faschismus, Repression und Kapitalismus vereinen.
Wenn wir es wollen, ist es kein Märchen, sondern die Zukunft!“


DAS OPTIMAL SOMMERFEST

ist wie jedes Jahr das optimale Sommerfest von Münchens Optimal Plattenladen. Vom 25.-27. Juli „20% Rabatt auf alle Tonträger mit Plattenflohmarkt vor unserem Laden und Konzerte“ mit diesen toptimalen Bands:

Do 25.07.  SU YONO (20:00 Uhr)
Fr 26.07, WILDES (20:00 Uhr)

Sa 27.07, COSMICA BANDIDA (19:00 Uhr)

Kolosseumstr. 6 * Getränke+Verpflegung sowieso * optimal-records.de



PEN-BERLIN 37 GESPRÄCHE ÜBER DEMOKRATIE UND MEINUNGSFREIHEIT

„Unter dem Titel »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen – Gespräche über Demokratie und Meinungsfreiheit« organisiert PEN Berlin im Vorfeld der Landtagswahlen eine Gesprächsreihe in Sachsen, Thüringen und Brandenburg: 37 Veranstaltungen, von Annaberg bis Perleberg, von Ilmenau bis Zwickau.“

<<<programm hier: https://penberlin.de/landtagswahlen-im-osten-grosse-gespraechsreihe-des-pen-berlin/

„Der Einsatz für die Meinungsfreiheit steht im Zentrum der internationalen Autor:innenvereinigung PEN. Solidarität mit Schreibenden, die nur deshalb verfolgt, bedroht und verhaftet werden, weil sie von ihrem Recht auf die Freiheit des Wortes und der Kunst Gebrauch gemacht haben, ist auch Kernthema des im Sommer 2022 gegründeten PEN Berlin.

Auch in Deutschland ist es nach Wahrnehmung vieler um die Meinungsfreiheit nicht gut bestellt. Einerseits waren die Mittel und Möglichkeiten, Kritik zu formulieren und sich Gehör zu verschaffen, noch nie so groß wie heute. Zugleich wächst die Zahl derer, die sich eingeschränkt fühlen.

Waren im Jahr 1990 noch 78 Prozent der Deutschen der Ansicht, man könne hierzulande seine Ansichten frei äußern, und nur 16 Prozent Vorsicht für angebracht hielten, haben sich die beiden Werte seither kontinuierlich angenähert. Im Jahr 2023 ermittelte das Allensbach-Institut erstmals eine größere Zustimmung dafür, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt sei (44 Prozent), als für das Gegenteil, die Meinungsfreiheit sei gegeben (40 Prozent).

Wer genau hinsieht, wird feststellen, dass manche, die sich heute über »enge Meinungskorridore«, »Denk- und Sprechverbote« und »Cancel Culture« beklagen, morgen selber Grenzen des Zulässigen zu ziehen versuchen – je nachdem, worum es gerade geht.

Meinungsfreiheit bedeutet nicht, vom Widerspruch befreit zu sein. Aber bereits das Gefühl eingeschränkter Meinungsfreiheit erschwert den gesellschaftlichen Dialog. Denn wer glaubt, nicht frei sprechen zu können, ist auch viel weniger bereit, seinem Gegenüber zuzuhören.

Hier will PEN Berlin mit dieser Veranstaltungsreihe ansetzen: »Wir sind davon überzeugt, dass Demokratie von Auseinandersetzung lebt. Daher suchen wir das Gespräch mit Menschen, die befürchten, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können«, sagt PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse. »Wir wollen uns vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht parteipolitisch einmischen, sondern zum echten, auch harten Gespräch ermuntern.«

PEN Berlin legt deshalb großen Wert auf die Beteiligung des Publikums. Die jeweils zwei Podiumsteilnehmer:innen und ein:e Moderator:in (namhafte Journalist:innen aus regionalen wie überregionalen Medien, Schriftsteller:innen, Publizist:innen, Kabarettist:innen) wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen.

»Ganz ehrlich: Ein wenig unsicher waren wir schon, wie unsere Idee in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ankommen würde«, sagt PEN-Berlin-Sprecher Deniz Yücel. »In den vergangenen Wochen haben wir rund 50 Kultureinrichtungen – Theater, freie und kommunale Kulturzentren, Bibliotheken, Bürgerinitiativen etc. – als Kooperationspartner angefragt. Niemand fand unsere Idee schulmeisterlich, alle reagierten sehr aufgeschlossen. Daher sind wir zuversichtlich, dass die Idee keine so ganz schlechte ist.«

Zum Auftakt der Reihe am 5. August im »Weltecho« in Chemnitz diskutieren der Germanist und Publizist Dirk Oschmann und der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, moderiert von der Publizistin Bettina Baltschev. Zum Abschluss am 19. September im Waschhaus Potsdam spricht die Schriftstellerin Monika Maron mit der Schriftstellerin und PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse, moderiert vom Journalisten Jan Feddersen (taz). Wie bei allen Auftakt- und Abschlussveranstaltungen wird es ein kleines kulturelles Begleitprogramm geben, in Chemnitz mit dem Musiker PeterLicht, in Potsdam mit dem Comedian Sebastian23.

Einen Überblick über Mitwirkende, Termine und Veranstaltungsorte finden Sie auf unserer Webseite, zudem detaillierte Darstellungen mit Kurzbiographien der Beteiligten (Sachsen, Thüringen und Brandenburg).

Wir danken danken der Stiftung »Orte der deutschen Demokratiegeschichte«, dem Programm »Tolerantes Brandenburg« des Landes Brandenburg und »Denk bunt«, dem Thüringer Landesprogramm für »Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit« für die freundliche Unterstützung. Wir danken außerdem allen mitwirkenden Kultureinrichtungen und helfenden Stadtverwaltungen für ihre Aufgeschlossenheit und die gute Zusammenarbeit.

PEN Berlin – Wir stehen im Wort“



ETWAS ÜBER DIESE WÖLFE

diese nicht erst seit aktuellem Fußball berüchtigten „Grauen“ nämlich, hat Deniz Yücel genauer und ausführlicher als andere Journalist*innen geschrieben. Yücel (Jungle World-CoHerausgeber, PEN-Berlin-Sprecher, als Welt-Korrespondent aufgrund seiner Artikel ein Jahr ohne Anklage im türkischen Knast) hat seine Analyse am 7.7. komplett auf f-book veröffentlicht, deshalb auch hier in voller Länge (ohne die im Text gekennzeichneten Fotos), mit seinem Schlusswort hier zuerst als Einleitung:

„Aus alledem kann man Gründe für oder gegen ein Verbot der Grauen Wölfe und/oder ihrer Symbole ableiten. Aber vielleicht hilft dieser Exkurs zu verstehen, warum in der Türkei nicht allein Anhänger von AKP/MHP, sondern auch manche Außenstehende nicht Demirals Geste, sondern die Sanktionen der Uefa und die Kommentare deutscher Politiker für einen Skandal halten.“

„Aus gegebenem Anlass (#01) ein mittellanger Exkurs zu dem, was die „Grauen Wölfe“ sind – und dazu, was sie auch, kaum, weiterhin, nicht und inzwischen sind. (Wie gestern auf Twitter, aber ausführlicher. Und mit Bildern. Dafür die Fotos durchklicken.)
Zunächst eine Begriffsklärung: Die Bezeichnung „Grauen Wölfe“ ist eher im Ausland verbreitet, in der Türkei geläufiger ist die Eigenbezeichnung Ülkücü („Idealisten“), die sowohl allgemein die Bewegung bzw. Denkrichtung meinen kann als auch die „Idealistenvereine“, den Jugendverband der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP). Ich verwende hier Graue Wölfe und Ülkücü synonym.
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Die Grauen Wölfe sind rechtsextrem, aber als „Aggregatzustand der türkischen Rechten“ (Tanıl Bora) neben Konservativismus und Islamismus ein anerkannter Teil des politischen Establishments.
Tayyip Erdoğan regiert spätestens seit dem Verfassungsreferendum vom April 2017 in einer informellen Koalition mit der MHP. Die MHP stellt keine Minister, hat aber zahlreiche Kader im Staatsapparat verteilt. In dieser informellen Koalition repräsentiert sich die MHP selbst, fungiert aber auch als Stellvertreter des alten Staatsapparats, mit dem sich Erdoğan versöhnt hat.
Allerdings ist dies nicht die erste Regierungsbeteiligung der MHP. In den späten 70ern bildeten der Konservative Süleyman Demirel und der Islamist Necmettin Erbakan zwei offizielle Koalitionsregierungen mit MHP-Chef Alparslan Türkeş (Regierungen der „Nationalistischen Front“, #02); Ende der 90er regierten der Sozialdemokrat Bülent Ecevit und der Konservativ-Liberale Mesut Yılmaz mit dem heutigen MHP-Chef Devlet Bahçeli (#03).
Als die AKP im Juni 2015 erstmals die absolute Mehrheit im damals noch mächtigen Parlament verlor, zeigte sich selbst die linke/prokurdische HDP offen für eine Zusammenarbeit mit CHP und MHP (z.B. in Form einer geduldeten Minderheitsregierung). Nur Devlet Bahçeli lehnte strikt ab – der Beginn seiner Annäherung an Erdoğan.
Ein Teil derer, die sich heute als Graue Wölfe verstehen, ist in der MHP und mit Erdoğan verbündet. Ein anderer Teil der Ülkücü-Bewegung, die von Meral Akşener (#04) gegründete „Gute Partei“ etwa, steht in Opposition zu Erdoğan.
Nicht alle Ülkücü sind parteipolitisch organisiert, es gibt auch nicht-organisierte, eher popkulturell mit den „Grauen Wölfen“ verbundene Leute. Dies könnte auch beim Fußballer Merih Demiral der Fall sein, aber genaueres weiß ich über ihn leider nicht.
Jedenfalls zeigt nicht nur Erdoğan seit seinem Bündnis mit der MHP immer wieder mal den Wolfsgruß (#05). Auch von Politikern der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, darunter dem langjährigen Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu (#06) oder dem Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoğlu (#07), sind entsprechende Auftritte dokumentiert. Oder von Mansur Yavaş (#08), Oberbürgermeister von Ankara, ebenfalls ein potenzieller Kandidat der CHP bei der Präsidentschaftswahl 2028 – und bis zu seinem Übertritt 2013 MHP-Kommunalpolitiker.
Bei Kılıçdaroğlu oder Imamoğlu kann man davon ausgehen, dass diese Gesten bloß dazu dienten, Sympathien von enttäuschten MHP-Anhängern zu gewinnen. Trotzdem mögen diese Bilder zeigen, dass der Wolfsgruß in der Türkei nicht überall verpönt ist – wie zur MHP, trotz ihrer gewalttätigen Geschichte und ihren Verbindungen zur organisierten Kriminalität, noch nie eine „Brandmauer“ (#09) existierte.
Auch auf einem DER ikonographischen Fotos des Gezi-Aufstands von 2013 ist ein Wolfsgruß zu sehen: Bei einem Polizeieinsatz auf dem Taksim-Platz fliehen zwei junge Männer Hand in Hand vor dem Tränengas. Einer trägt eine Fahne der prokurdischen BDP (später HDP, heute DEM), der andere eine türkische Fahne mit Atatürk-Porträt. Ein dritter streckt der Polizei trotzig den Wolfsgruß entgegen. In den Tagen von Gezi wurde dieses Bild von allen gefeiert: als Ausdruck für Vielfalt und Einheit der Protestbewegung (#10).
Nicht ganz so bekannt, aber in die gleiche Richtung: ein kurzes Video nach dem Sieg von Imamoğlu bei der wiederholten Kommunalwahl im Juni 2019: Hinten tanzen Leute zu einer bekannten kurdischen Musik, vorne posiert jemand mit Imamoğlu-Fahne und Wolfsgruß (#11).
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Nancy Faeser u.a. haben die Grauen Wölfe als „rassistisch“ bezeichnet; auch für die Uefa dürfte der Rassismus-Vorwurf eine wichtige Rolle bei der Strafe für Demiral gespielt haben.
Zweifelsohne haben die Grauen Wölfe eine rassistische Note. Reine völkische Nationalisten waren ihre ideologischen Vorläufer, die nicht zuletzt von Nazideutschland inspirierten „Turanisten“ der 40er Jahre (#12). Dieses ideologische Element ist nicht ganz verschwunden, aber heute innerhalb des Ülkücü-Spektrums marginal.
Vielmehr haben die Ülkücü eine Art radikale Version des kemalistischen Nationalismus entwickelt. Selbst in den eigenen Reihen werden Kurden (theoretisch sogar Armenier) akzeptiert, sofern sich diese im nationalstaatlichen Sinn als Türken begreifen.
Ähnlich kompliziert das Verhältnis zum politischen Islam: Die Turanisten waren Atheisten bzw. suchten Anleihen an der vorislamischen türkischen Mythologie. Für Nihal Atsız (#13), den wohl wichtigsten Vordenker der Bewegung, wäre „Islamkritiker“ eine allzu vorsichtige Beschreibung. Zu diesen Anleihen aus vorislamischen Mythologie gehört auch der Wolfsgruß, der allerdings erst in den 90ern populär wurde.
Bald nach der Gründung der MHP 1969, wandte sich Parteichef Türkeş vom reinen Turanismus ab und erklärte die „Türkisch-Islamische Synthese“ zur Parteiideologie, was zum Bruch mit Atsız führte. Türkeş wollte seine Doktrin von den „Neun Lichtstrahlen“ als genuin türkisches politische Lehre verstanden wissen, in Abgrenzung gegen alle „ausländischen“ Ideologien (Kommunismus, Liberalismus und Faschismus). In der Praxis das wichtigste ideologische Element blieb damals der Antikommunismus.
Heute haben die Anhänger der Ülkücü in Zentralanatolien und am Schwarzen Meer einen eher religiös-nationalistischen Lebensstil, in Thrazien, der Ägäis- und Mittelmeerküste eher einen säkular-nationalistischen.
Was diese disparaten Tendenzen vereint und den eigentlichen ideologischen Kern der Ülkücü ausmacht, ist eine mythische Verklärung des „starken“, autoritären (türkischen) Staates. Erst auf dieser Grundlage ist das Kunststück möglich, sich gleichermaßen auf das Osmanische Reich wie auf dessen Liquidator, Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk, zu beziehen. Oder auf die osmanischen Kalifen und die vormuslimischen türkischen Stammeskulturen.
Fun Fact am Rande: MHP-Chef Bahçeli (#14) heißt mit Vornamen Devlet, auf Deutsch „Staat“ – selbst nach Maßstäben der extravaganten neotürkischen Vornamen außergewöhnlich extravagant. (Bahçeli bedeutet wiederum „mit Garten“).
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Die andere Seite dieser Staatsverklärung: Hass und immer wieder Gewalt gegen alle, die man für „Staatsfeinde“ hält: Kommunisten, Sozialisten, Liberale und – sofern diese politische Rechte beanspruchen – Aleviten, Kurden, Armenier, Juden, Aramäer… Stets in der Selbstgewissheit, die „Existenz des Staates“ zu verteidigen.
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Diese Staatsverklärung hängt eng mit der Geschichte der MHP zusammen: Türkeş und die meisten anderen Parteigründer waren Militärs mittlerer Ränge, die 1960 am Putsch beteiligt waren (#15), aber später von den linkskemalistischen Kräften aus der Junta gedrängt wurden.
Umgekehrt war das Verhältnis des Staates zur Ülkücü-Bewegung oft eng, aber nicht ungebrochen. In den 70ern lieferte sich die MHP-Jugendorganisation blutige Auseinandersetzungen mit teils ebenfalls bewaffneten Linken, verübten aber auch Terroranschläge auf Journalisten (#16) oder Gewerkschafter (#17).
Manche, darunter Cem Özdemir, fanden es besonders geschmacklos, dass Demirals Wolfsgruß auf den Jahrestag des Pogroms von Sivas vom Juli 1993 (35 Tote) fiel.
Tatsächlich haben Ülkücü-Anhänger Pogrome gegen die alevitische Bevölkerung zu verantworten. Aber nicht unbedingt Sivas. Dieses von der Staatsmacht geduldete Massaker wurde von Islamisten organisiert; Anlass die Veröffentlichung von Passagen aus Salman Rushdies „Satanischen Versen“ in einer linken Zeitung.
Die anti-alevitischen Pogrome, die von militanten Ülkücü organisiert wurden, liegen länger zurück: Kahramanmaraş (Dezember 1978, über hundert Tote; #18) und Çorum (Juli 1980, 57 Tote; #19).
Einer der berüchtigtsten Killer aus den Reihen der Grauen Wölfe sollte bald daruf weltberühmt werden: Papst-Attentäter Mehmet Ali Ağca (#20).
Für bestimmte Kräfte innerhalb des Staatsapparats waren diese militanten Rechtsextremisten Teil einer „Strategie der Spannung“. Nach dem Putsch vom September 1980 wurde auch sie verhaftet, neben Linken wurden auch einige Ülkücü-Anhänger hingerichtet (#21). Putschistenführer Kenan Evren erklärte die „Türkisch-Islamische Synthese“ zur Staatsdoktrin; „unsere Ideen sind an der Macht, wir sind im Knast“, klagte Türkeş.
Dann, in den 80er und 90er Jahren, rekrutierte man militante Ülkücü-Anhänger für Todesschwadronen gegen die PKK, aber auch gegen Mitglieder der kurdischen Zivilgesellschaft (#22). Unter den Angehörigen der offiziellen wie der informellen Anti-Terroreinheiten tummeln sich bis heute zahlreiche Rechtsextremisten.
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Der Krieg im kurdischen Südosten schuf eine eigene Kriegsökonomie, in der eine Ülkücü-nahe Mafia entstehen konnte.
Der erste Mafiapate der Grauen Wölfe war Abdullah Çatlı, in den 70ern ein maßgeblicher Verantwortlicher der militanten MHP-Jugend, später als Drogenhändler von Interpol gesucht, eng mit Kräften im Staatsapparat verwoben, was im Februar 1996 mit dem Sususluk-Skandal ans Tageslicht kam.
Bis heute ist ein nennenswerter Teil der organisierten Kriminalität in der Türkei eng mit den Grauen Wölfen verknüpft.
Der wohl wichtigste Ülkücü-Pate der Gegenwart: Alaattin Çakıcı, mit dem MHP-Chef Bahçeli gerne posiert (#24).
Ein anderer Mafia-Boss und Grauer Wolf: Sedat Peker (#25). Vor etwa zehn Jahren erklärte er während eines Gefängnisaufenthalts seine Loyalität zu Erdoğan. Im Frühjahr 2021 wandte er sich wieder von ihm ab und begann mit einer spektakulären Serie von Enthüllungsvideos Erdoğan und einige von dessen engsten Vertrauten unter Druck zu setzen. Dabei belastete er sich auch selbst, indem er u.a. erklärte, welche Übergriffe und Einschüchterungsaktionen gegen Oppositionelle er im Auftrag des Regimes durchgeführt habe.
Auch sonst hat die Bewegung der politischen Gewalt nie gänzlich abgeschworen. Der damals 16-jährige Mörder, der im Januar 2007 in Istanbul den türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink (#26) erschoss, kam aus den Reihen einer anderen (heute ebenfalls mit Erdoğan verbündeten) MHP-Abspaltung. Hintergründe und Auftraggeber wurden nie geklärt.
Das letzte Opfer: Sinan Ateş (#27), ehemaliger Chef der MHP-Jugendorganisation und als potenzieller Bahçeli-Nachfolger gehandelt, wurde im Dezember 2022 auf offener Straße in Ankara von den eigenen Leuten ermordet.
Für die Verwicklung von hochrangigen MHP-Politikern und Polizisten in den Ateş-Mord gibt es himmelschreiende Indizien. Trotzdem – genauer: gerade deshalb – ist die Anklageschrift gegen die ausführenden Killer eine Farce.
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Zusammengefasst: Die Ülkücü (Grauen Wölfe) sind heute Teil der Regierung oder in der Opposition, im Staatsapparat gut organisiert, in der Polizei schon lange, neuerdings auch in der Justiz. Sie sind Teil der organisierten Kriminalität und zugleich Teil der Popkultur (#28, #29), nicht zuletzt unter Fußballfans (#30)
Aus alledem kann man Gründe für oder gegen ein Verbot der Grauen Wölfe und/oder ihrer Symbole ableiten. Aber vielleicht hilft dieser Exkurs zu verstehen, warum in der Türkei nicht allein Anhänger von AKP/MHP, sondern auch manche Außenstehende nicht Demirals Geste, sondern die Sanktionen der Uefa und die Kommentare deutscher Politiker für einen Skandal halten.
Das Thema wird bleiben, selbst wenn dieser junge Mann (#31) und seine Teamkollegen es heute Abend für die Europameisterschaft beenden sollten.“


SPITZENSATZ (98)

Wie kriegen wir es hin, dass in pseudo-linken Gruppen das Tragen eines Pali-Tuchs als kulturelle Aneignung geächtet wird und sie sich darüber zerstreiten?“ (bzw. Spitzenidee natürlich, von Thomas Mayer @f-book, 1.7.)