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DER REINE WAHNSINN

ist das, glaube ich (der sich nicht mit so einem Wahnsinn beschäftigen will, aber ich hatte das Gefühl, jemand steht mit einer Pistole hinter mir, die eine echte sein könnte, und sagte, du meldest das jetzt, du dummer kleiner Meldeoffizier), aber natürlich ist es auch, bleiben wir sachlich, vorbildliche journalistische Sorgfaltigkeitspflicht, wenn in den Top-Nachrichten um 12h diese Meldung bei Deutschlandfunk-Kultur in voller Meldungslänge gemeldet wird:

„Christian Firmbach wird neuer Intendant am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Das entschied der Verwaltungsrat des Hauses einstimmig. Der jetzige Generalintendant des Oldenburgischen Staatstheaters soll am 1. September 2024 sein Amt antreten. Er strebe „sanfte Veränderungen“ an, sagte Firmbach, wolle aber eigene künstlerische Akzente setzen. Die schwierigen Bedingungen unter der laufenden Sanierung möchte er nutzen, um für das Theater neue Orte in der Stadt zu erschließen. Die Neubesetzung markiert den Schlusspunkt einer längeren Leitungskrise am Badischen Staatstheater. Der frühere Generalintendant Peter Spuhler war wegen seiner Personalführung und seines autoritären Führungsstils im Sommer 2020 in heftige Kritik geraten und musste das Haus im vergangenen Jahr vorzeitig verlassen. Firmbach löst in zwei Jahren Ulrich Peters ab, der das Haus derzeit übergangsweise mit der künstlerischen Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann und dem Geschäftsführenden Direktor Johannes Graf-Hauber leitet.“

https://www.deutschlandfunkkultur.de/christian-firmbach-wird-intendant-am-badischen-staatstheater-100.html

(Habe ich mal geschrieben, aber ich weiß nicht mehr, wo, und es ist mir letztlich auch vollkommen egal: „Ich habe mein Radio erschossen.“ Ist mir vielleicht schon damals aufgefallen, dass es aus Bad Lieutenant geklaut ist, und war mir dann sicher auch schon damals vollkommen egal).



FEMINISTISCHE AUSSENPOLITIK

nennt ein Freund den deutschen Teil einer Katastrophe, die man wohl auch Verbrechen nennen könnte, und die viele sicher nicht feministisch nennen möchten. nd-Redakteurin Ulrike Wagener beschreibt das Ausmaß:

In dem Bürgerkriegsland Libyen werden schutzsuchende Menschen in Haftlagern festgehalten, ermordet, gefoltert, vergewaltigt und versklavt. Ein UN-Bericht von Anfang Juli hat das erneut bestätigt. Trotzdem zahlt die Europäische Union Geld für die Ausbildung der sogenannten libyschen Küstenwache – mit dem Wissen, dass diese Flüchtende im  Mittelmeer aufgreift und in ebendiese Lager bringt. 

Ist die Tatsache, dass das von Annalena Baerbock geführte Auswärtige Amt einen Teil des Mittelmeers offiziell als Such- und Rettungszone der libyschen Küstenwache anerkennt, ein Fakt oder ein Skandal? Die Meinungen gehen auseinander. »Die Bundesregierung muss sich entscheiden: Entweder sie setzt sich für Menschenrechte und Flüchtende ein oder sie erkennt eine libysche Rettungszone an und damit systematischen Völkerrechtsbruch im Auftrag der EU«, sagt Oliver Kulikowski von der Menschenrechtsorganisation Sea-Watch dem »nd«.

Illegale Rückführungen und Zurückweisungen sind längst nicht nur Programm der libyschen Küstenwache. Am Donnerstag wurden Details aus einem internen Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) bekannt, die belegen, dass die EU-Grenzagentur Frontex illegale Pushbacks durch die griechische Küstenwache finanzierte – und dabei »bewusst« wegschaute. Im April trat Frontex-Chef Fabrice Leggeri wegen dieser Vorwürfe zurück. Der neue Report  bringt nun auch Mitglieder der EU-Kommission in Erklärungsnot.“ (nd-Tagesvorschau, 29.7.)



SPITZENSATZ (87)

ER BRAUCHTE NICHT KAFKA ZU LESEN,

UM WIE KAFKA ZU DENKEN.

(Hannah Arendt, Der Bucklige)



R.I.P. THOMAS „CÄSAR“ KAISER

Thomas Kaiser war viele Jahre der beste Textchef, den ein Printmedium kriegen konnte. Sein Weg verlief u.a. von GQ, Weltwoche, Monopol bis zum Freitag. Niemand kam mit einem falschen oder dummen Satz an ihm vorbei – das wusste ich nicht nur, sondern er hat es mir vorgeführt, als wir bei zwei Artikeln zusammenarbeiteten. Und er war ein Mann mit einer Haltung: Bei der Weltwoche und beim Freitag warf er den Job hin, als rechte oder politisch mindestens fragwürdige Gestalten in die Chefetage einzogen.

Für mich und uns hieß der Kaiser immer nur Cäsar, wir waren schon Freunde, als er noch studierte und damals schon klar war, dass er seine Begeisterung für Sport und Sprache nie verlieren würde. Wir standen im Stadion bei strömendem Regen und wir diskutierten gerne bis weit nach der Sperrstund. Cäsar starb vor einigen Wochen in Berlin. Gestern haben wir ihn an seine letzte Ruhestätte auf dem Neuen Friedhof in Ebersberg begleitet. Goddam bad day, aber wir haben auch viel erzählt und gelacht. Am 23. August wäre er 55 geworden.

Seine Freundin und ehemalige Kollegin Katja Kullmann schrieb zu seinem Tod: „Der Kaiser. Thomas hieß er mit Vornamen. Und er war vieles. Ein begnadeter Wortwitzfinder, der hellste Textchef, den der Journalismus je erlebt hat. Ein zärtlicher Hundesitter und wacher Alltagsobskuritätenbeobachter. Ein auf verspielte Art ehrgeiziger, aber immer fairer Backgammonspieler. Ein aufrichtiger, warmer, unterhaltsamer Gesprächspartner, über so gut wie alles konnte man mit ihm reden, über tiefste Tiefen und höchste Höhen, denn mit beidem kannte er sich aus. Ein Freund. Einer der echten. „Caesar“ sagten manche zu ihm. Andere nannten ihn „Kaiser Chief“. Mit „Capitano“ sprach ich ihn oft an (und er mich mit „Capitana“). Vor einigen Wochen starb er, mit 54 Jahren. Wie viele andere bin auch ich sehr traurig darüber. So traurig, dass ich es erst nicht fertig brachte, unsicher war, ob ich öffentlich an ihn erinnern soll, hier, in diesem Internet. Ob ihm das recht gewesen wäre. Nun aber sah ich, dass andere, die ihm ebenfalls nahe standen, doch noch mal ein Foto von oder mit ihm veröffentlicht haben. Und ein paar Zeilen dazu, in denen sie ihn noch einmal preisen. Den Kaiser. Der nie nie nie, never ever vergessen sein wird. Roger, roger, check, check, lieber Freund.“ (F-book, 14.7.)
Ist möglicherweise ein Bild von 1 Person, raucht und Innenbereich
Foto: K.Kullmann

Sein Freund und ehemaliger Kollege Michalis Pantelouris veröffentlichte am 10.7. diese Zeilen: „Caesar ist tot. Ich kann mir keine drei Worte vorstellen, die für mich schwerer zu schreiben wären. Schon weil ich mir nicht vorstellen kann, überhaupt zu schreiben, ohne an ihn zu denken. Er war der wahrscheinlich beste Texthandwerker, mit dem ich je gearbeitet habe, und es gibt bis heute – und wahrscheinlich für immer – Formulierungen, die ich nicht benutze, weil er sie mir verboten hat. Er hat keinen verlogenen Satz ertragen, was in dieser Welt heißt, er hat gelitten. Wir werden ihn feiern, an seinem Geburtstag am 23. August in Berlin… Es waren mehr als 20 Jahre, mein Freund, gute und schlechte, und vor allem: zu wenige. Es tut weh. Das Leben erwartet uns alle. Ich wünschte, du wärst hier.“

Der Medienjournalist Matthias Dell, beim Freitag damals Kollege von Kaiser und Kullmann, spricht in diesem Beitrag (4´) über die Aufgaben des Textchefs bzw. erklärt, was eine gute Textchefin tut, und widmet den Text dem Verstorbenen:

https://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2022/07/13/kolumne_ein_lob_auf_die_schlussredakteurinnen_dlf_20220713_1548_d607a3f8.mp3?fbclid=IwAR0n3Ice5vtQ_ZPEUdhHU-D0wMxGL9OUJ4kEU_Sl6xnGkceXA8v4lU_tApg



ASSANGE AUSLIEFERUNG STOPPEN

Wir bitte unsere Abonnent+innen um Einsatz:

„Ein Tod hinter Gittern: Das droht dem Journalisten Julian Assange in den USA. Er hat Gräueltaten der US-Armee im Irak und Afghanistan aufgedeckt und muss deshalb mit lebenslanger Haft rechnen. Trotzdem will Großbritannien ihn ausliefern. Jetzt muss die Bundesregierung endlich ihr diplomatisches Gewicht voll nutzen und Assanges Auslieferung verhindern.“

Unterzeichnen Sie unseren Eil-Appell!

https://campact.org/menschenrechte-assange-emum



SCHON WIEDER SPRACHTERRORANGRIFF GEGEN DEUTSCHE!

Schon wieder ein Wort, das Deutsche nicht mehr in den Mund nehmen sollen! Inzwischen können Deutsche fast gar nichts mehr in den Mund nehmen! Viele drohen zu verhungern! Leiden unter Sprachterrorangriffen! Deutsche werden angegriffen wie Kurden von türkischen Militärs und Ukrainer von russischen! Und wer hilft den Deutschen: Niemand! Immer sollen Deutsche den Anderen helfen! Hier die Details von Journalist und Autor Ronen Steinke (auf seinem F-book-Kanal am 24.7.):

„Hola @bild , ich nehme an, euch war nicht bewusst, was es mit dem Wort „Mauscheln“ auf sich hat, das ihr für den Bericht über @christianlindner verwendet. Drum erklär ich’s kurz. #antisemitismus
Oft wird das Wort ohne böse Absicht verwendet – für schummlerisches Geschäftemachen. Aber es ist entstanden im 17. Jahrhundert, es ist abgeleitet von “Mauschel“, einer jiddischen Form des Vornamens Moses (auf Hebräisch „Moshe“).
Dieser Name wurde damals im deutschsprachigen Raum als Spottname für jüdische Händler oder auch allgemein für arme Juden hergenommen. Als „Übername“, wie Sprachwissenschaftler*innen sagen. So wie später – und ähnlich abfällig – auch „Ali“ für Türken.
Das Verb Mauscheln bedeutet dann im Wortsinne einfach: „reden wie ein Jude“. Es ist von Beginn an ein antisemitisches Schmähwort gewesen. In my humble opinion: Das Wort sollte man nicht verwenden.“

Antisemitismus in der Sprache - Steinke, RonenFritz Bauer - Steinke, RonenVor dem Gesetz sind nicht alle gleich - Steinke, Ronen

Ist möglicherweise ein Bild von Text „How an Arab Doctor Saved a Jewish Girl in Hitler's Berlin Ronen Steinke in conversation with Michaela Kalowski 8 August 8:00pm-9:00pm Zoom Shalom become JCA“



ENGLISCH LERNEN MIT DEN ULTRA-RICH

die ja, nebenbei gesagt, auch Pazifisten sind, wenn sie Panzer hören, also genau genommen ganz grundgute Leute, das wird oft vergessen! Jetzt aber zum Sprachkurs mit dem Daily Newsletter des New Yorker vom July 18th:

„Luxury ships attract outrage and political scrutiny. The ultra-rich are buying them in record numbers.“ – “For the uninitiated, a pleasure boat the length of a football field can be bewildering,” Evan Osnos writes, in a fascinating and darkly funny exploration of the booming world of superyachts. To fit in, it helps to have a billion or so dollars. (The largest of these ships cost well over five hundred million.) But, short of that, you could start by learning some of the vocabulary—you know, fake it till you make it. What makes a yacht? (If it has a crew working aboard, it’s a yacht.) What about a superyacht? (Longer than ninety-eight feet.) A gigayacht? (Over two hundred and ninety-five feet—that’s football-field territory.) None of this gets to the central question, though, which is: why, as Osnos puts it, do “owners obsessed with secrecy seem determined to build the world’s most conspicuous machines”?“

Der Frage, ob gigayachtpeople Yacht Rock hören, möchte ich im Moment nicht nachgehn.



BITTE SELBST STÄNDIG FORTSETZEN

Ein Foto von Georg Kreisler mit dem Zitat: „Wie schön wäre Wien ohne die Wiener.“Zufällig in San Francisco. Unbeabsichtigte Gedichte



PEN-BERLIN : PRESSEMITTEILUNG

PEN-BERLIN: PRESSEMITTEILUNG, 20. Juli 2022
„Der PEN Berlin freut sich sehr, die türkisch-kurdische Schriftstellerin und Lyrikerin Meral Şimşek in Deutschland begrüßen zu können.
Meral Şimşek wurde im Oktober 2021 wegen angeblicher „Propaganda für eine Terrororganisation“ zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, wobei Passagen aus ihren Gedichten sowie internationale Literaturauszeichnungen als belastende Beweise bewertet wurden. Vom Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ wurde sie in erster Instanz zwar freigesprochen, doch im Revisionsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft weiterhin 15 Jahre Haft.
Bei ihrem Versuch, über die Landgrenze nach Griechenland zu gelangen, wurde sie im vorigen Jahr von griechischen Sicherheitskräften durch einen rechtswidrigen „Push Back“ zurück in die Türkei gezwungen, wo sie eine Woche in Haft verbrachte. Auf beiden Seiten der Grenze wurde sie von Sicherheitskräften geschlagen und auf erniedrigende Weise behandelt. Wegen des Fluchtversuchs wurde ein weiteres Verfahren eröffnet, in dem ihr fünf Jahre Haft wegen „illegalen Betretens eines militärischen Sperrgebiets“ drohen.
Meral Şimşek ist 40 Jahre alt, Mitglied des kurdischen PEN-Zentrums und lebte zuletzt in Diyarbakır. Ihre ersten Erfahrungen mit Polizeigewalt hat sie bereits im Alter von 13 Jahren gemacht. Zuletzt erschien ihr Roman Nar Lekesi (etwa: „Granatapfelfleck“), in dem sie ihre Familiengeschichte literarisch verarbeitet und mit der Kurdenpolitik des türkischen Staates ebenso hart ins Gericht geht wie mit internen Hinrichtungen innerhalb der PKK. Sie ist die diesjährige Preisträgerin des österreichischen Theodor-Kramer-Preises für Schreiben im Widerstand und Exil.
„Auch wenn hierzulande die öffentliche Aufmerksamkeit für die Türkei nachgelassen hat, gilt weiterhin: Das freie Wort ist im Erdoğan-Regime nicht erwünscht, ganz besonders, wenn es um kurdische Autor:innen wie Meral Şimşek oder um kurdische Themen geht“, sagte Ronya Othmann, Boardmitglied des PEN Berlin.
„Wenn Sie versuchen, die Realität auf literarische Weise zu erzählen, geraten Sie in Gefahr, ausgelöscht zu werden“, sagte Meral Şimşek. „Jetzt bin ich in einem neuen Land, von dem ich denke, dass ich hier meine Realität frei schreiben kann und blicke voller Hoffnung in die Zukunft.“
Wir danken Nancy Faeser und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, Klaus Lederer und der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa, dem Literarischen Colloquium Berlin, dem Literaturhaus Berlin, dem Maxim-Gorki-Theater Berlin und allen anderen, die mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.
PEN Berlin. Wir stehen im Wort.“


AUGSBURGER FRIEDENSFEST 2022

startet morgen mit einem großen Programm – Vorträge, Diskussionen, Konzerte, Workshops – bis zum Feiertag am 8. August:

https://www.friedensstadt-augsburg.de/de/kulturprogramm