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VERDREHT (18)

Manche Gags krepieren schneller als der Gedanke, ob man sie hübsch auswalzen sollte – „wie dich Musk in Trainingslaune bringt“ habe ich gelesen und paar Sekunden geglaubt.



ES IST SCHON

ein großes Glück, dass der liebe Gott

den Mensch als freundliches und

kluges Wesen geschaffen

wer weiß was sonst



SPEERSPITZE DER BOYKOTTLITERATUR

Perlentaucher, 30.10.: „Gestern kam die Meldung, dass Sally Rooney einen Aufruf zum Boykott israelischer Verlage und Kulturinstitutionen unterzeichnet hat – zusammen mit Rachel Kushner und Arundhati Roy (unser Resümee), so weit so gut, die üblichen Verdächtigen. Allerdings hat sich die Unterzeichnerliste inzwischen um einige sehr prominente Namen ergänzt, die man noch nicht so häufig im antiisraelischen Feld gesehen hatte: Dazu gehören „Nobelpreisträger, Booker-Preisträger, Pulitzerpreisträger“, brüstet sich die Seite des Palestine Festival of Literature, von dem der Boykottaufruf ausgeht. Dies sei der „größte kulturelle Boykott gegen Israel in der Geschichte“. Unterzeichnet haben Autoren wie Judith Butler, Amit Chaudhury, Anne Chisholm, Junot Díaz, Percival Everett, der Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, Afua Hirsch, Ha Jin, Naomi Klein, Hari Kunzru, Rachel Kushner, Jhumpa Lahiri, Jonathan Lethem, Valeria Luiselli, Sally Rooney, Arundhati Roy, Sarah Schulman, Kamila Shamsie, Ocean Vuong. Ihr Aufruf enthält keinerlei Hinweis auf den 7. Oktober, alleiniger Schuldiger am Gazakrieg ist Israel: „Es handelt sich um einen Völkermord, wie führende Wissenschaftler und Institutionen bereits seit Monaten feststellen. Israelische Offizielle sprechen ganz offen über ihre Beweggründe, die Bevölkerung des Gazastreifens zu eliminieren, die palästinensische Staatlichkeit unmöglich zu machen und palästinensisches Land zu beschlagnahmen. Dies ist das Ergebnis von 75 Jahren Vertreibung, ethnischer Säuberung und Apartheid. Die Kultur hat eine wesentliche Rolle bei der Normalisierung dieser Ungerechtigkeiten gespielt. Israelische Kultureinrichtungen, die oft direkt mit dem Staat zusammenarbeiten, haben jahrzehntelang entscheidend dazu beigetragen, die Enteignung und Unterdrückung von Millionen von Palästinensern zu verschleiern, zu verbergen und durch ‚Artwashing‘ zu übertünchen. Wir haben eine Rolle zu spielen. Wir können nicht mit gutem Gewissen mit israelischen Institutionen zusammenarbeiten, ohne ihre Beziehung zu Apartheid und Vertreibung zu hinterfragen.“ Zu den Institutionen zählen die Autoren ausdrücklich auch Verlage und Literaturagenturen.
Inzwischen hat es einige Reaktionen auf den Aufruf gegegeben. Fania Oz-Salzberger, Tochter des Autors und „Peace Now“-Gründers Amos Oz sagt laut New York Sun, „dass ihr Vater ‚traurig, angeekelt, aber auch stolz‘ gewesen wäre, unter den Bann dieser Autoren zu fallen.“ Und dass sie ihn canceln würden, ist sicher, postete sie auf Twitter, ’nicht, weil es ihm nicht um die Palästinenser ging, natürlich ging es ihm um sie, sondern weil er der erste wäre, der diesen Tugendwächtern sagen würde, dass sie historisch und politisch ignorant sind.“ Außerdem existieren ein Gegenaufruf der Organisation „Creative Community for Peace“ (CCFPeace) sowie ein Brief der „UK Lawyers for Israel“, die auch vor juristischen Konsequenzen von Boykottmaßnahmen warnen (mehr in der Times).“

Abgesehen von eindeutigen Worten dazu – ich bin gespannt auf die Reaktionen der deutschen Verlage dieser literarischen Oberleuchten.



ANTISEMITEN MIT FREIER BAHN IN GERMANIEN

Eine weitere Steigerung des Antisemitismus in Germanien: ein Vortrag zum Werk des Auschwitz-Überlebenden, Essayisten und Philosophen Jean Améry wurde an der Uni Freiburg verhindert – (was mit der Meldung korrespondiert, dass die „Gewerkschaftslinken Hamburg“ Material verbreiten, das das militärische Vorgehen Israels als „Endlösung“ bezeichnet: link unten).

Zu Freiburg: der Anfang des offenen Briefs des „Freiburger Bündnis gegen Antisemitismus“:

„Am 18.10. hatten wir in Zusammenarbeit mit FREPP einen Vortrag mit Tina Sanders zum Thema „Einführung in die Antisemitismuskritik: Das Werk Jean Amérys“ geplant. Dieser sollte in einem Hörsaal der Uni Freiburg stattfinden. Am späten Freitag-Nachmittag, wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn, erreichte uns die Nachricht der Uni Freiburg, dass uns die Raumzusage kurzfristig entzogen wurde, nachdem diese eine Email mit haltlosen Anschuldigungen erhielt.“

Der ganze Brief:

Offener Brief zur Absage am 18.10.2024

https://www.kommunisten.de/rubriken/analysen/9155-gaza-israel-hat-mit-der-endloesung-begonnen-ausrottung-und-vertreibung

 



DA WEINT DER HERR JESUS ABER

wenn er sich seinen christlich-sozialen Heimatverein in Bayern anschaut, der inzwischen sogar in Berlin Aufmerksamkeit generiert, laut einem mdr-altpapier-Bericht vom 23.10. zu einem tagesspiegel-Artikel mit der zentralen Aussage:

„Die CSU verbreitet wissentlich Lügen.“

Mehr dazu: <Die CSU ist längst dabei, sich aus dem demokratischen Diskurs zu verabschieden. Sie überzieht maßlos, sie schürt Ängste, sie lügt. Eine gefährliche Entwicklung. Schon im Bundestagswahlkampf 2021 machte ein Fake-Zitat der Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock aus mutmaßlich rechten Kreisen die Runde, sie wolle ein Ende der Haustierhaltung. Heute sind es nicht mehr rechte Bots, die den Quatsch verbreiten, sondern eine altehrwürdige Partei mit mehr als 125.000 Mitgliedern.>

Hintergrund: Eine 5 Jahre alte Bild-„Story“ wurde von „ein paar Propaganda-Onkelz bei der CSU“ ausgegraben und von Felix Hackensack im Tagesspiegel kommentiert: <(Die) Zuspitzung des Boulevards reichte der (Partei) offenbar nicht aus. Dort teilte man via Instagram wenig später erst eine Kachel zum Artikel – ‚Grüner Verbotswahn immer irrer‘ – und ließ schließlich Generalsekretär samt Hund zum Videodreh auflaufen (…) Aber schlimmer noch. Die CSU verbreitet wissentlich Lügen. Niemandem soll der Hund weggenommen werden, niemand will Haustiere verbieten.>

Altpapier: „So weit ist es also schon gekommen: Die CSU übertrifft „Bild“ im Erfinden.“

The Wholeshit: https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-3890.html



DETAILS ZUR REALITÄTSVERWEIGERUNG MIT FOTOS

„Von Holocaust-Relativierung und Hamas-Solidarität: Eindrücke von der palästinasolidarischen Marschdemo in München am 19. Oktober 2024“ – ein Bericht mit Abb. von Linkes Bündnis gegen Antisemitismus München:

„Zusammengefasst zeigt die Marschdemo, wie nah beieinander Shoa-Relativierung, Israelhass, Sympathien mit antisemitischen Terrororganisationen, Bevormundung von Jüdinnen*Juden und völlige Realitätsverweigerung bzw. -verzerrung liegen. Wie lange wollen sich Teile der politischen Linken für diese Bewegung noch hergeben?“

Zeugenaussage komplett: https://lbga-muenchen.org/



MUNIC : LOST IN MUSIC

Nr.5 der großartigen Veranstaltung Lost in Music, ein Mashup aus Lesungen, Live-Musik und DJ. Am Mittwoch, 23.10. ab 20h im Live.Evil (Gasteig) mit:

Philip Bradatsch, Karl Bruckmaier, Maren Solty,

Jaqueline Flossmann, Axel Koch, Les Millionaires, King Brownie und

(der Mann, der´s macht) Don Marco Naegele

Ticket:

https://rausgegangen.de/events/lost-in-music-read-cover-mit-les-millionaires-philip-bradats-0/



ETWAS ÜBER DIE ZUKUNFT

„Laut Saviano empfehle die Meloni-Regierung den Intellektuellen, sich mit historischen Themen, »sagen wir der Bibel oder dem Ersten Weltkrieg«, zu befassen, wenn sie keinen Ärger haben möchten. Sich mit der komplexen Gegenwart auseinanderzusetzen, oder gar den Flüchtlingen im Mittelmeer helfen zu wollen, das geht für die Postfaschisten gar nicht. Übrigens lesen in Italien nur 41 Prozent der Bevölkerung ein Buch pro Jahr. Und die anderen? Gar keins, sagt Saviano.“

Schreibt nd-Redakteur Christof Meueler in einem Resumée zur Buchmesse – in dem es nicht nur um Italien, sondern über die Zukunft mit Faschisten geht, die man in Doitschland anhand Italiens erkennen kann.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186161.kulturpolitik-buchmesse-italien-ist-ein-schlecht-gelauntes-land.html



KONTRAFAKTISCHES QUERGEDENKE (IN EINEM BRIEF AUS MARSEILLE)

Wie immer sensationell gut: die jetzt am Kiosk liegende jährliche Sonderausgabe des Wochenblatts Jungle World, für die die Zeitungsleute woanders hingehn, um zu schauen und zu berichten: diesmal Marseille und aus allen Blickwinkeln Marseille. (Wo ich mich übrigens deshalb wahnsinnig gut auskenne, weil ich ein paar tausend Seiten von Jean-Claude Izzo gelesen habe).

In der Ausgabe aber natürlich auch ein Blick auf deutsches Krisengebiet: Markus Liske analysiert schärfstens die Partei Die Linke (die sich „weiterhin als eine Art Sammelbecken für alle [sieht], die sich selbst als »links« definieren, ganz gleich, was sie darunter jeweils verstehen mögen“). Ein Auszug:

„18.41 Uhr am 1. Oktober 2024: Die israelischen Streitkräfte melden den Beginn eines heftigen iranischen Raketenangriffs auf israelische Städte. Wenig später folgt die Meldung eines Terror­attentats im Tel Aviver Stadtteil Jaffa mit sechs Toten und mindestens 17 Verletzten. Nahezu gleichzeitig, um 18.55 Uhr, fordert die frühere Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete auf der Plattform X die Regierungen der EU und der USA auf, jegliche Waffenexporte und sonstige Unterstützung Israels zu stoppen. Offenbar ist sie überzeugt, dass der Nahe ­Osten ein wahres Kuschelparadies sein könnte, würde man Israel einfach der Möglichkeit berauben, sich gegen das islamistische Regime im Iran und die von ihm unterstützten Terrororganisationen Hamas und Hizbollah zu wehren.

Als Einzelmeinung wäre das keine größere Aufregung wert. Die sogenannten sozialen Medien werden ja nicht erst seit gestern mit allerlei kontrafaktischem Quergedenke gefüttert, und Israel ist ebenfalls nicht erst seit gestern eine beliebte Projektionsfläche für Leute, die zur Sühne der Kolonialverbrechen ihrer Ururgroßväter gerne einen Sündenbock im Hier und Jetzt hätten. Doch Rackete ist keine x-beliebige ­Aktivistin, sondern seit diesem Jahr Abgeordnete im Europaparlament für die Linkspartei, die – so steht es jedenfalls im Parteiprogramm – »für das Existenzrecht Israels« eintritt. Wie geht das zusammen? Die Antwort: gar nicht.“

Der ganze Desaster-Bericht auch online:

https://jungle.world/artikel/2024/41/linkspartei-vorstandswahl-pluralistisch-in-den-untergang

(Und mein Geschenk für Ihr Poesiealbum: Die Linke ist so links wie die CSU christlich.- Nichts zu danken.)



NILS KOPPRUCH (28)

Nils Koppruch, Singer-Songwriter und Maler, starb am 12. Oktober 2012 völlig unerwartet wenige Tage vor seinem 47. Geburtstag.

An dem Tag wollte ich morgens grade aus der Tür gehen, um zum Bahnhof zu gehen, um unsere Tochter in München zu besuchen, als ihr Anruf kam, und ich dachte, es wäre ihr was dazwischen gekommen, aber uns allen war was dazwischen gekommen, Nils ist gestorben, sagte sie, das habe sie grade von einem Musikerfreund erfahren, aber ich konnte es nicht glauben, aber dann hatte ich auch schon eine Mail mit der Nachricht, und dann konnte ich nicht mehr rausgehen, stand mit Mantel und Mütze so da, und es kommt mir manchmal so vor, als würde ich immer noch so dastehen und nicht rauskönnen und  kanns immer noch nicht glauben, wenn ich immer mal wieder an ihn denken muss, das kann doch nicht wahr sein, ich wache jetzt auf und habe mal wieder irgendeinen verdammten Unsinn geträumt.

* * *

Nils Koppruch veröffentlichte mit seiner Band Fink von 1997-2005 sieben Alben, danach drei Solo-Alben, ehe er mit Gisbert zu Knyphausen die Band Kid Kopphausen gründete, deren Album „I“ im August 2012 erschien. Koppruch starb wenige Wochen nach der ersten und sehr erfolgreichen Tournee. 2014 erschien bei Trocadero eine Werkausgabe inklusive der Doppel-CD „A Tribute to Nils Koppruch + Fink“ mit Einspielungen von Fehlfarben, Bernadette La Hengst, Olli Schulz, Kettcar u.v.a. NEU im September 2022 bei Trocadero Records: Alle Fink-Alben auf Vinyl anlässlich des 10. Todestags von Nils und des 25-jährigen Jubiläums der Band.