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UNSER DJ, DER HELL, DER HELLI

hat er, sagt die Kim, die Kim Peers, also die “DJ & Performerin” Kim Peers, der Hell also gesagt zu ihr, als sie sich, der Geier Helli und die Peers, kennenlernten:

“Schoene Menschen machen schoene Musik”.

Also der Wahnsinn, der Hell, wie er es nur immer schafft, so eine Intelligenz mit so einfachen Worten, der Wahnsinn, der Hell, der DJ Hell. Hab ich mir auch schon immer ueberlegt, aber kam nicht richtig drauf. Logisch eigentlich: haessliche Menschen machen haessliche Musik, kleine kleine Musik, weisse weisse. Verblueffend aber meine Erfahrung: dumme Menschen machen nicht immer die duemmste Musik. Ich weiss auch nicht – sowas weiss ja nur unser Hell, der DJ, der Helli vom Chiemsee, also der Geier halt, ihr wisst schon, der Hell, den manche in Berlin, sagt der Hell, sogar “Dr. Hell” nennen, also laut Hell zumindest.

Nichtsdestotrotz, unter den Umsonst- bzw. 1-Euro-Magazinen ist mir das “Vanity Fair” so ziemlich das liebste. Ganz schoen viele Informationen. Und dann aber die Fotos. Also der Hell, ich meine der DJ Hell, und die Kim und die,  also die vom Label vom Helli, also vom DJ, der Geier Helli halt, schon ganz schoen schick, also chic natuerlich, jetzt aber echt, das ist kein Schmarren.



IM GEBURTSHAUS VON KLAUS KINSKI

in Sopot, Kosciuski 10, befindet sich seit 1997 die Bar & Galerie Kinski. Man kann essen Bogracz Transylvanski, Pieszcochy Kinskiego oder Nosferatu Toast. Das Biergemisch Nosferatu enthaelt Grapefruitsaft und drei Scheiben Orangen.

Der gute Klaus aber haette vielleicht einen Wutanfall bekommen, weil von ihm, zwischen historischen Film- und Fotoapparaten und Bildern, nur zwei Fotos zu bewundern sind.



ZWEI BÜCHER

mit denen man, bin ich mir sicher, besser durchs Leben gehen kann:

# Peyton Quinn: Das Strassenkampf Handbuch – Verteidigung gegen Überraschungsangriffe, Schlägertypen und Hinterhalte. Michael Kahnert Verlag. 198 S., Buchholz 2003. (Der amerikanische Originaltitel: A Bouncer’s Guide to Barroom Brawling: Dealing with the Sucker Puncher, Streetfighter, and Ambusher).

# Edo Popovic: ausfahrt zagreb-süd. Verlag Voland & Quist. 188 S., mit CD: Robert Weber und Edo Popovic lesen.



TISCHTENNIS

ist die mieseste von den abscheulichen Sportarten, schlimmer als Dressurreiten, Schumi und Langlauf. Wollte ich gestern schreiben und brüllen.

Aber heute habe ich a) Deutschrock Gabi (die Gewinnerin des Viktor Cup 2000) und b) Hütte (Gewinner 2002 und 4.8.2007) besiegt. Und jeweils 2:0.

Ich war schon immer der Meinung, die Welt ist vollkommen eins a okay so wie sie ist.



DIE ENTE UND DAS KROKODIL

Wer glaubt, ‘La Paloma’ wäre immer und für alle ein stimmungshebender Unterhaltungsschlager, täuscht sich.

In seiner Biografie (bei dtv) erzählt Coco Schumann, dass er es auch spielte auf Befehl von SS-Männern, die etwas unterhalten werden wollten, während sie ihrer verantwortungsvollen Selektionsarbeit in einem Vernichtungslager nachkommen mussten.

Der jüdische Jazzer ist wahrscheinlich, neben Little Jimmie Dickens, der am längsten tätige Musiker auf diesem Planeten. Und Coco Schumann erzählt leidenschaftlich gern Witze. Hier darf ich mal einen weitererzählen.

Eine Ente schwimmt im Fluss und sagt dauern zu sich selbst: Wer bin ich? Ich weiß nicht mehr, wer ich bin! Sie schwimmt so dahin und fragt sich dauernd: Wer bin ich? Wer bin ich denn?

Kommt ein Krokodil dahergeschwommen. Die Ente sagt zum Krokodil: Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, weißt du, wer ich bin? Ja, sagt das Krokodil, du bist eine Ente. Aber, sag mal, weißt denn du, wer ich bin? Ja, sagt die Ente, du bist ein Italiener mit einer Lederjacke und einem langen Schwanz.

Dann, erzählte Coco Schumann weiter, habe er den Witz einmal einem Italiener erzählt, und der Italiener sagte zu ihm: Nicht alle Italiener tragen eine Lederjacke.



IN DER SONDERSCHULE VON GEORGE TABORI

habe ich einmal sein dürfen. Als ich 1989 eine Hospitanz am Schauspielhaus Dortmund machte, bei Guido Huonder, der George Taboris Montage-Stück ‘Masada’ inszenierte.

Das Stück greift die historische Situation auf: die jüdischen Widerstandskämpfer in der Festung Masada werden von römischen Truppen belagert, und haben keine Chance.

Zu der Zeit ging etwas mit einem RAF-Hungerstreik durch die Medien, und Huonder brachte dieses Thema mit hinein, obwohl er mit kaum einem Satz einen deutlichen Bezug herstellen konnte – mit den Bildern war er deutlich genug. Die Inszenierung war nicht nur anstrengend, sondern auch wie ein Faustschlag ins Hirn.

Parallel dazu inszenierte der Schweizer Regisseur, der damals das Dortmunder Haus leitete, Taboris Stück “Mein Kampf”, das vom jungen Adolf Hitler in Wien erzählt. Neben ‘Warten auf Godot’ ist es für mich das beste Theaterstück seit ca. 1789. Ich habe inzwischen mehrere Inszenierungen gesehen – die von Huonder scheint nicht erreicht werden zu können, weder die Komik noch das Grauen.

Die Arbeit mit Guido Huonder und die Beschäftigung mit dem Werk von George Tabori waren mit die wichtigsten Lektionen, die ich je bekommen habe. Bis heute kann ich sie immer wieder gebrauchen, habe Situationen, Szenen, Gespräche im Kopf, und es war die Art von Soul, die nicht mit Seele zu übersetzen ist.

Soweit ich mich erinnern kann, gab es in ‘Masada’, montiert aus historischen Berichten, die in die Festung im heutigen Israel verlegt wurden, nur am Ende einen Satz von Tabori selbst:
Bei klarem Wetter sieht man bis Auschwitz.
R.I.P.



ON THE ROAD AGAIN MAMA

ist der Titel von # 4 meiner Compilation-Serie “Perlen Deutschsprachiger Popmusik” und erscheint am 12. September wie die vorherigen bei Trikont.

Eins möchte ich jetzt schon rauslassen: mit “Nur Worte gehen weiter als ich” von ROCK aus Hamburg, ein unveröffentlichter Song von und mit Christof Schreuf, früher Brüllen, vorher Kolossale Jugend.

(Geht doch: ich musste kolossal im Lexikon nachsehen: ein l zuviel kann ja tödlich sein, besonders wenn man nicht an diesen oder jenen Alah glaubt).



ZUM 20.TODESTAG VON JÖRG FAUSER

von Jörg Fauser (am 17.Juli) eine Hymne in Konkret von Gitta List – “Der Schneemann” als Buch und Hörbuch ist “buch des monats” – und eine volle Breitseite aus Wien, inklusive Fausers Joseph Roth-Essay: siehe standard.at

Und das Filmportrait von Christoph Rüter ist in der letzten Runde im Rennen um den Preis Literavision (die Entscheidung wird nächsten Sonntag verkündet).

“vielleicht sollt’ ich lieber
Busschaffner werden und die Tauben
auf dem Elisabethplatz mit
türkischem Honig füttern, in einem
glitzergründen Coverall zwischen den
Stenzen auf dem Hollywood-Boulevard eine
gute Figur machen oder den wahren
Roman über die sechziger Jahre schreiben
aber wie Jack Micheline sagte
Nee-eeeh
Nöö-öööh”



DIE GROSSE LUCINDA WILLIAMS

kommt im November auf Tournee nach Deutschland. Die Termine gibts noch nicht, aber meine Knie haben schon eine Minute den Boden berührt.

Während ich endlich meine lang ersehnte Harlan Howard sings Harlan Howard-Platte höre. Auf den Knien und – hier darf man das Wort endlich mal in die Tasten hämmern – betroffen. Und in gewisser Weise “Busted”.

Busted in my blog.
Wartend auf die neue Dale Watson.
Wartend auf den 309.
Wartend auf das MG, um ihn zu stoppen.



TOCOTRONIC

WIE ICH BEI TOCOTRONIC EINMAL SAUDUMM VERSAGT HABE

Als ich 1995 das Material für die erste Compilation bei Trikont, “Wo ist zuhause Mama”, beisammen hatte, und 100 Minuten endlich, mit blutendem Herz, eingestrichen auf die nötigen 74 o.ä., bekam ich eine Single aus Hamburg, vier Songs, Tocotronic. Es haute mich um, “Gitarrenhändler, ihr seid Schweine” und alle anderen.

Ich hätte nun einen Song raushauen müssen, um einen von diesen Hamburger Milchbuben reintun zu können. Aber das schaffte ich einfach nicht. Weil ich inzwischen jeden der verbliebenen Songs, die zur Veröffentlichung bereit standen, liebte.

Ich ahnte nicht, dass ich eines Tages damit hätte angeben können. Der erste Tocotronicsong auf CD, Alter, erzähl mir bloß gar nichts! – (Auf #2 kam dann “Du bist ganz schön bedient”). – Heute interessiert es ja keinen mehr, wenn ein alter Mann sagt, dass er ihre Single, genau betrachtet, hatte, jawohl, bevor sie selber eine hatten, verstehste.

Dann kamen die Jahren, in denen ich verbitterte. Es waren die Tocotronicnachmacher, die kräftig abräumten. Ich glaube, ich fand und finde keinen von ihnen auch nur erträglich. Ich war glücklich, als ich merkte, nein, diese Band gibt nicht auf und ihr wird immer was Gutes einfallen. Egal, wenn mal nicht so viel von ihr gesprochen wird.

Von denen, die die Spur, auf irgendeine Weise, für die Band gelegt hatten, redet auch kaum jemand.
Kolossale Jugend, Christof Schreuf.

“Deutschland, halt’s Maul”. (Auch ohne “…”).

Hat immer weitergemacht, und nie was Schwaches dabei. Ich hätte auch gerne mal eine Sammlung, in Buchform, der kleinen Texte, die er in den letzten Jahren für die junge Welt geschrieben hat.

Was ich gerne hätte, ist viel mehr als nur die nächste blöde Zigarette. Und das Nette – kann mich. Nicht immer.

Mein liebstes Tocotronic-Cover kam (natürlich) von jemandem, der es nie nötig hatte, ihre Art zu texten aufzugreifen. Selber ein großer Songwriter: Nils Koppruch mit “Sie wollen uns erzählen”, auf der (ich glaube) zweiten Fink-Platte.

Auf diesem Gebiet passiert unglaublich viel Scheiß, sowohl im Produktions- wie im Verwaltungsbereich. Aber:

Was ist Musik? Da passt ein Satz, wenn man das eine Wort austauscht, den Burroughs ganz am Ende seines Lebens schrieb:

“Liebe? was ist das? das natürlichste schmerzstillende mittel, das es gibt”.
Falls es irgendwelche Götter gibt, sie mögen Tocotronic beschützen!
(Und mich in Ruhe lassen).