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DAS XXX ZDF

hat es tatsächlich geschafft, die geplante Serie mit Friedrich Anis “Kommissar Süden” nach zwei Folgen zu stoppen. Als könnten sie je was Besseres bekommen als die zweite Folge “Süden und der Luftgitarrist”: Anis Drehbuch zu seinem Roman verfilmt von Dominik Graf. Mit Zuschauerzahlen, die für sowas Gutes um 20.15h überraschend hoch waren.

Gnade uns Irgendwer, wenn wir mit unserer Arbeit jemals von solchen miesen, feigen, unterbelichteten Bürokraten abhängig sein sollten.



LEAVING LOUISIANA

In The Broad Daylight” ist ein Song auf dem neuen Album von Smokestack Lightnin’. “Roadmasters” ist eine Split-Doppel-CD (mit den Seatsniffers) auf Sonic Rendezvous. Und wie alles von ihnen: es ist großartig. Oder besser denn je. Zwei der Songs auf ihrer Myspace-Seite, siehe Links.

Und falls jemand wissen will, wie Schreiben über Musik geht: Kristof Schreuf hat sich für seine Kolumne “Nachrichten von gestern” in der Jungen Welt jetzt “Led It Bleed” vorgenommen und schreibt eine Folge zu jedem Song. Ist Online zu lesen, siehe Links.



ICH LESE SIE

immer mit Gewinn, die Zeit nämlich. Diesmal gibt mir ein Satz von Philipp Mißfelder zu denken, der nämlich der Vorsitzende der Jungen Union Deutschlands ist.

Er bespricht das Buch eines Journalisten, der “die Parteien in der Nachwuchsfalle” sieht: “Wenig hilfreich ist es allerdings, wenn eine gemeinhin unbeliebte Berufsgruppe, die der Journalisten nämlich, die Politiker als ebenfalls eher unbeliebte Berufsgruppe verfemt”.

Verfemt und zugenäht! Ist das jetzt eine Zeitfalle oder ein Denkloch? Oder doch das fast schon legendäre Denkloch in der Zeitfalle? Und erinnert mich auch noch an die peinliche Situation, als mich der Lehrer eines Tages aufforderte, nämlich sofort einen Satz mit “gemeinhin” zu bilden.

“Unser Pfarrer langt mir immer gemeinhin”. Weil ich nämlich kein Mitglied in der Jungen Union bin. Dachte ich mir später. Kurz bevor ich mir dachte, Zeitungen, lasst mehr JU-Mitglieder schreiben, die können´s doch nämlich auch.



ZU HANS FRICK

eine gute Nachricht: Die Verfilmung seines Romans “Mulligans Rückkehr” läuft am 20.6.08 um 18.30h im Münchner Filmmuseum in der Reihe “Helmut Käutner zum 100. Geburtstag”. Hat Seltenheits-, nein Oberseltenstheitswert.

1978 erschienen, hatte der Film eine große Besetzung: Frick selbst schrieb das Drehbuch, Musik: Albert Mangelsdorff, Helmut Qualtinger in der Hauptrolle, und u.a. mit Günter Kaufmann und Georg Kreisler.

“Mit ‘Mulligans Rückkehr’ schuf (der bereits schwer erkrankte) Käutner, passend zur nervösen, improvisierten Jazzmusik von Albert Mangelsdorff, einen furiosen Abschluss seiner Karriere als Filmemacher … ein surreales Horror-Trauerspiel … ” (Programm).

Hans Frick (1930-2003) hatte den Roman 1972 bei Luchterhand veröffentlicht. – Zum Inhalt: “Plötzlich, gerade noch Generaldirektor und Vorsitzender eines Aufsichtsrates, steht Mulligan mit Koffer und Aktentasche in einer trostlosen Gegend mitten im Regen und hat keine Ahnung davon, wo er sich befindet und wie er in diese Lage geraten ist … Es ist eine Gegend, in der Mulligan nicht mehr zählt … Auf nichts ist Verlaß, nicht einmal auf das Scheckheft. Der große Chef, der sich die kleinen Leute nur als Abhängige und Untergebene vorstellen kann, ist machtlos.”

Jörg Fauser hat über den heute ziemlich vergessenen Autor Hans Frick  geschrieben: “Ich weiß, daß es in meinem Land nur einige wenige Schriftsteller gibt, die das Papier wert sind, auf dem ihre Bücher gedruckt sind. Einer von ihnen ist Hans Frick”.



EIN GROSSARTIGES NETZRADIO IST BYTE.fm

und das 24 Stunden täglich. Zur DJ-Besetzung gehören Klaus “Der Ball ist rund” Walter, DM “Prince of Swamp-Soul-Countryrock” Bob und Susie “Hoodoo Girl” Reinhardt. Eine bessere Werbung kanns kaum geben.

Beim Blick in die Tiefe des Raums.



S!A!U!

war Anfang 1980 eine umwerfende Entdeckung für mich: ein von Punk und New Wave deutlich inspiriertes Literatur- und Filmmagazin. Texte, Briefe, Karten, Entwürfe von Achternbusch, Fels, Lemke, seitenweise von/über Devo, Patty Smith, XTC etc. Herausgegeben von Eckhart Schmidt, ein Filmer aus der Münchner Gruppe.

Die Story “Der Fan” wurde in S!A!U! gedruckt, dann als Film legendär; die junge Desirée Nosbusch frisst ihren Star… Und Schmidt hat auch viele tolle Dokumentarfilme gemacht, die von seiner starken Amerikanifizierung erzählen und seiner Liebe zum Film, zuletzt “Glamour vs. Paparazzi”.

Eckhart Schmidt und Karl Bruckmaier sind meine Gäste im Benno-Ohnesorg-Theater in den Münchner Kammerspielen am 29.3. um 21h.

Schmidt ist vor allem mit seinem neuen Fotoband “Window Girls” dabei, die Schaufensterpuppen vom Hollywood Boulevard, die bald einer Shopping Mall weichen müssen (Belleville Verlag). Ein Stapel Fotos wird kommentiert.

Karl Bruckmaier, seit vielen Jahren wichtigster SZ-Popjournalist und BR2-DJ, stellt eine seiner Arbeiten vor und hat einen neuen Band mit Short Stories des Blues/Experimental-Gitarrenhelden John Fahey dabei, “Orange” (edition suhrkamp), den er herausgegeben und übersetzt hat. Bruckmaier (wie Fahey) ein Wanderer durch die populäre Kultur: hat mit “Haschplatten” ein extremes Label gemacht, die ersten Poetry Slams in Deutschland organisiert, und ist mit seinen Hörspiel-Inszenierungen in fremde akustische Welten aufgebrochen.

Wird eine sehr amerikanische Nacht. Und irgendein Bezug zum Theaternamen könnte sogar auch noch auftauchen. Falls uns das interessieren würde/wird/kann.



DER TOD HAT

mal wieder sozusagen in Spürweite gearbeitet:

1) am 24.10. starb Michael Stein, Mitbegründer des Benno-Ohnesorg-Theaters, des Kommunistischen Bund in Berlin, der Druckerzelle und der Höhnenden Wochenschau.

Seit den 90er Jahren war er Gast bei fast allen Berliner Lesebühnenshows, und “in allen diesen Kontellationen brachte es Stein zu fruchtbaren Eklats, kassierte Hausverbote und Rauswürfe en masse”, schrieb Dr.Seltsam in seinem ersten von zwei Nachrufen für die junge Welt über “die mit Abstand schrillste Figur der Berliner Alternativkultur”. Die auch in ihren bedächtigeren Momenten liebenswert war.

“Unser großer Denker”, sagen die Surfpoeten über ihr Mitglied. Der Dichter Stein (der in den letzten Jahren weit im Schatten des improvisierenden Vortragskünstlers verschwand) ist im Buch “Die Surfpoeten” und der beigelegten CD verewigt (Voland & Quist, 2004); sein “Gebet gegen die Arbeit” beschließt den neuen Band “Die Rückkehr der Surfpoeten” (Voland & Quist). Diverse Stein-Texte auch im Netz, außerdem Nachrufe und ein Bericht vom Sterbebett von Robert Weber.

Michael Stein in der Münchner Fortsetzung des Benno-Ohnesorg-Theaters zu begrüßen, hat nicht geklappt – am 10.11. versuchen wir, den Kontakt zu ihm herzustellen.

2) am 25.10. starb Maria Fauser in Frankfurt im Alter von 91 Jahren. Ihren letzten Auftritt hatte die Schauspielerin und Rundfunkmoderatorin in Christoph Rüters Film “Rohstoff”, als sie von ihrem Sohn Jörg Fauser das Gedicht “Das Gewicht der Seele” vortrug.

Die letzte Strophe: “Freudlos sitze ich diese Nacht über den Tasten / und verstehe doch nichts anderes / als mich an die 21 Gramm zu klammern, / die meine Finger schreiben machen / und meine Träume vorbereiten / auf den Tod.”



DER JÜDISCHE FRIEDHOF

in Bialystok sieht, das ist normal, im Gegensatz zu christlichen Friedhöfen trist aus. Keine leuchtenden Blumen, nicht die vielen, wie frisch geputzt aussehenden Grabsteine, nicht die Atmosphäre der fröhlichen Kleingartenanlage.

Dann erkennt man schnell, dass hier lange niemand mehr beerdigt wurde. Und dann erkennt man, dass der erste Eindruck – es sieht aus wie nach einem Kampf – richtig war: Viele Grabsteine wurden von ihren Sockeln gestürzt, viele mit SS-Zeichen beschmiert, viele Flaschen wurden zerschlagen. Trist ist ein viel zu schwaches Wort für die Atmosphäre…

Man möchte einen Turm sehen, in dem oben, geschützt vor Regen und mit ‘nem guten Ofen und immer bestens verpflegt, ein Mann mit einer Maschinenpistole seinen Dienst tut.

Der Gegensatz zu den christlichen polnischen Friedhöfen könnte krasser nicht sein, sie sind noch schöner hergerichtet als die deutschen. Man baut gern ein Zäunchen um das Grab, das von einer schönen Platte bedeckt ist, und wenn Platz ist, ist der Platz um das Grab gepflastert, und wenn Platz ist, steht innerhalb des Zauns ein Bänkchen.

Doch die Päpste kommen und gehen – aber die Toten sprechen mit niemandem und sie sehen die Blumen nicht.

Die Hälfte der Bewohner der 120000-Einwohner-Stadt Bialystock waren Juden. Dann kamen im September 1939 die Deutschen; und als sie im 27. Juni 1941 zum zweiten Mal kamen, räumten sie richtig auf, ermordeten allein am ersten Tag 2000 Juden. “Am 1. August wurden ca. 50000 Juden in ein mit Stacheldraht umgebenes Ghetto eingewiesen, das unmittelbar an kriegswichtige Industrieanlagen grenzte, in denen sie arbeiten mussten”.

Zwei Jahre später, im August 1943, bekam der Nazi Odilo Globocnik den Auftrag, das Ghetto aufzulösen. Die Aufständischen des Ghetto Bialystock, angeführt von Mordechai Tenenbaum, waren zu schlecht bewaffnet, um eine Chance zu haben, “und die SS-Einheiten waren durch die Erfahrungen in Warschau gewarnt”: und eine Woche später hatten sie ihren Job anständig erledigt.

Heute ist im Viertel des ehemaligen Ghettos keine Spur davon zu finden, kein Schild, kein Stein, keine Platte in einer Hauswand. Im Militärmuseum hängen ein paar Pläne und amtliche Schreiben mit Namen und Fotos.

Chaika Grossmann, die mit 20 Jahren als Kurier zwischen Ghetto und Außenwelt fungiert hatte, schrieb ein Buch darüber. Darauf bezieht sich ein Aufsatz von Klaus Bittermann: “Partisanen – Zwei Kapitel aus der Geschichte des jüdischen Widerstands”.

“Trotz der in Deutschland so beliebten Tätigkeit des ‘Erinnerns’ war der gebührende Abstand von 44 Jahren notwendig, bis das Buch auf Deutsch erscheinen konnte, genauso lange wie die zu erwartende Lebenszeit der an den Greueln in Bialystock und anderswo Beteiligten”.

Genauer nachzulesen in Bittermanns Buch “Strandgut der Geschichte. Siebzehn Entführungen” (belleville, München 2001).

In dem Seile über große Entfernungen verknüpft werden, von Johnny Rotten bis zum Gangster Moose Malloy. Was hat dies und das und die Ghettogeschichte miteinander zu tun? Ich weiß es nicht genau – aber es sieht nach einer Materialsammlung dessen aus, was man (und jetzt wieder nicht so selten) ENTARTET nennt.

Hätte ich fast vergessen: Heute leben keine Juden mehr in Bialystock.
Und bei schlechter Laune könnte man hinzufügen: deswegen trifft man auch keine deutschen Touristen.



ON THE ROAD AGAIN MAMA #4

Die Veröffentlichung der CD ist auf den 12.10. verschoben (Trikont/Indigo). Zu den Release-Konzerten, am 28.9. in München (s. Vereinsheim.net) und am 2.10. in Augsburg/Café Viktor (s. Homepage Trikont) ist das Produkt jedoch anwesend.



IN BIALYSTOK

im Postamt Warschauer Strasse, laufen die ganze Zeit die Doors. Wenn nicht die Beatles laufen. Waehrend draussen seit Stunden immer wieder Polizei mit Sirenen vorbeifaehrt. Wenn was passiert, moechte ich jedenfalls nicht die Doors dazu hoeren muessen. Nicht so kurz vor Weissrussland. Und woanders auch nicht.