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BRECHTFESTIVAL AUGSBURG 2013 (5)

(+ Knastlesen 3) Mit den Kindern im Knast mal wieder Brecht gelesen. Kinder ist falscher Ausdruck (aber ich meine damit ja sowas wie meine Kinder), Durchschnittsalter 19 würde ich sagen, Teilnehmer 7 Männer und 1 Frau. Das Besondere im Rückblick ist, dass ich einen Rekord im Selberreden aufstellen musste. Was heißt, ca. 105 min. vorlesen (eher weniger) und drumherum Schlingensief-mäßig nonstop Spontanvortrag halten, Anekdoten resp. Brecht und alles mögliche erzählen und erwähnen und erklären.

Meine Kinder waren selten ruhig und aufmerksam; aber es kam wenig von ihnen; niemand dabei, derdie, wie es nicht selten vorkommt, mal ordentlich über sich selbst ausgepackt hätte. Keine Diskussion untereinander (das Thema Boxen ging zu meinem Erstaunen vollkommen ins Leere, obwohl 4 Migranten unterwegs (ich dachte, die boxen alle?!), und selbst der asiatische Kickboxer erzählte nicht mehr, als dass er Leichtgewicht kämpft und in letzter Zeit „wegen Arbeiten und so“ kaum dazu kommt….). Niemand erzählte, weswegen sie ihn eingebuchtet hatten, und niemand ist extrem selten…

Kurz gesagt: wenn man mal nen hyperaktiven Quatschkopf gebrauchen könnte, ist er nicht da.

Klärung vorab: Brecht. Hatte niemand je gehört. Ich hielt eine streng nichtwissenschaftliche Einleitung. Las dann die Titelgeschichte aus dem Suhrkamp-Band „Der Kinnhaken und andere Box- und Sportgeschichten“. Das Mädchen war intelligent, die checkte alles. Der interessanteste Punkt an dieser Geschichte über einen hoffnungsvollen Bantamfighter ist ja, dass er deshalb scheitert, weil er im entscheidenden Moment das Selbstvertrauen verloren hat, sich zugleich ärgert, nicht den Mumm zu haben, zu tun, worauf er Lust hat (Bier und Zigaretten) und in den Kampf geht, als er schon zuviel Ablenkung zugelassen hat (Motorrad, Verlobte, Hausstand etc). Mit dem schönen Schlusssatz: „Wissen Sie, Vorsicht ist die Mutter des k.o.“ Aber wie gesagt, ich durfte mir zu allem den eigenen Mund fusslig reden. Was nicht heißt, dass es mich nicht gefreut hätte bzw. mich die wenigen Bemerkungen des Mädchens nicht gefreut hätten. Und mir gegenüber saß ein Türke, der absolut nichts rausließ und dabei von Minute zu Minute mehr brannte vor Aufmerksamkeit und mit leichtem Lächeln und Nicken etc immer wieder auf irgendwas reagierte.

Thema Sport natürlich. Boxen, ich laberte irgendwelches Zeug über Boxen bzw. erzählte von Max Schmeling oder Bubi Scholz, banales Auswendiglernwissen also. Lockte immerhin einen Jungen aus der Reserve, der dann erzählte, er habe eine Fußballkarriere angestrebt, ehe ihn vor einem Jahr der 3. Kreuzbandriss stoppte. Angeschoben hatte ihn sein Vater: der sei in den 80ern Profi in Polen gewesen und heute Schiri in der Landesliga. Guter Junge: war immer dabei und half mir immer wieder, indem er manchmal was sagte oder fragte.

Thema Theater, issja wohl berechtigt. Niemand von ihnen war je im Theater – halt, einer war als Kind mit der Schule in der Augsburger Puppenkiste (so wie ich), und davon hatte jeder schon mal gehört, also vom bedeutendsten Augsburger Theater, ist das vielleicht nichts. Ich schwadronierte also rum, woran das wohl liegen könnte, warum wir alle („ich auch, ich erzähl euch keinen Scheiß hier, ich mach euch nichs vor“) lieber fernsehen als ins Theater gehen. Thema: Rahmen. Thema: Tradition, gesellschaftlicher Hintergrund, Bildung. Und: Subvention; Millionen. Beispiel: Wieso bekommt das Theater Millionen, aber ein Filmfestival hier nur paar Zigtausend, sodass es nur noch alle zwei Jahre was machen kann? Was steckt dahinter, wer sagt, was wichtiger und mehr wert ist? Und was hat das mit uns zu tun? (Ich selbst habe eigentlich keine Meinung dazu, außer die, dass es erlaubt sein muss, diese Frage zu stellen, die ja für viele in der Theater-Verwaltungs-Subventions-Branche schon per se ein Angriff ist…verständlicherweise… – im Kopf hatte ich dabei, ohne es zu erwähnen, Thomas Meineckes wunderbaren Aufsatz von ca. 1982 in seiner Zeitschrift Mode & Verzweiflung mit dem Titel „Theater zu Parkhäusern“, und allein daran sieht man schon, so einfach wie es sich die Theaterfuzzis bei der Begründung zur Verteidigung ihrer Kohlen machen, denn sie behaupten ja in der Regel kaum mehr, als die letzte Security der wahren Kultur zu sein, ist es nicht…)

Ja, wo waren wir dann stehengeblieben? Weiß nicht mehr. Zuletzt las ich ein paar Geschichte vom Herrn Keuner vor. Von denen ich einige selbst nicht kapierte. Dann war es 16 h und für sie Zeit fürs Abendessen. Dann durften sie sich aufs Bett legen. Tagsüber ist es ihnen verboten, sich aufs Bett zu legen. Du kannst in der Zelle auf und ab gehen oder Kniebeugen machen oder am Tisch sitzen und ein Buch lesen. Mach ich auch oft. Ist okay.



CRAIG VS MARTINI

Der Berliner Filmemacher Christoph Rüter, seit seinem Film über Jörg Fauser ein großer Freund und Bündnispartner dieses Blocks, hat nicht nur ein großes Werk vorzuweisen, sonder auch eine Menge nicht verwendetes Material dazu.

Er hat jetzt angefangen, sein Archiv zu sichten und wird hochwertige Teile auf Youtube zu stellen. Schon die Nr.1 ist ein toller Clip: Der junge Daniel Craig during the shooting of Obsession (D: Peter Sehr), 1996 in Berlin with Heike Makatsch, Heinz Kraehkamp u.a. – 6´30

http://www.youtube.com/watch?v=TIiAtqKT3cw

Hier ein Überblick über Christoph Rüters Arbeiten:

http://christoph-rueter-filmproduktion.de/



WIE FRANZ JUNG EINMAL VOM DR. SERNER GEHOLFEN WURDE

Heute ist der 50. Todestag von Franz Jung: „Protagonist der Literaturrevolte, Expressionist, Dadatrommler, Revolutionär, … Deserteur, Börsenkorrespondent, Meuterer, Schriftsteller, Agitator…“

Mein liebstes Buch von den vielen, die ich von ihm gelesen habe, ist seine Autobiografie „Der Weg nach unten“, sicher auch, weil es das im banalen Sinn lesbarste und am leichtesten bis in unsere Zeit rüberstrahlende ist, erstmals 1961, dann bei Edition Nautilus erschienen.

Dies ist für mich die schönste und bedeutendste Anekdote der deutschen Literatur seit Walther von der Vogelweide:

Rückblende zum Anfang des 1. Weltkriegs (S.91): „Ich befand mich in der Gruppe der Kriegsfreiwilligen. (…) Mit dem ersten Einsatz zum aktiven Regiment, mitten hinein in die Schlacht bei Tannenberg. (…) Den größten Teil des darauf folgenden Rückzuges … habe ich allein gemacht, als Mitglied der Grünen Armee, einer Gruppe von Deserteuren, die sich auf eigene Faust in die Heimat absetzte … Unser Feind war die berittene Feldgendarmerie.

Ich bin durchgekommen. Ich kam nach Berlin. Im Café des Westens wurde ich von einem Dr. Serner in Empfang genommen, der von Margot gebeten war, sich meiner anzunehmen. Dr. Serner empfing mich im Café in einem pompösen Pelzmantel – das war aber auch alles; darunter war nur spärliche Unterwäsche, den Anzug hatte er versetzen müssen. Dieser Serner war auch kein Doktor und hießt nicht Serner, sondern Seligmann. Sohn eines Zuckerbäckers aus Karlsbad. Serner schrieb unter seinen vollen Titeln einen ärztlichen Rapport an das Ersatz-Regiment, wonach er auf der Straße einen Soldaten mit dieser und dieser Nummer aufgefunden habe, in einem desolaten Zustand, so daß er sofort die Überweisung in ein Spital veranlaßt habe – er vergaß, den Namen des Spitals anzugeben. Ich hatte damit einen Vorsprung von gut einer Woche für meine Flucht nach Österreich gewonnen.

Walter Serner schrieb später eine Reihe Kurzgeschichten, darunter den Sammelband ‚Der Pfiff um die Ecke‘ (oder sein bekanntestes Buch, den Roman ‚Die Tigerin‘; A.d.V.), aus dem man ganze Serien von amerikanischen Kriminalromanen herausstehlen könnte. Es mir eine große Freude gewesen, später zu hören, daß Dr. Serner sich nach der Schweiz absetzen konnte, und zwar am gleichen Tage, als die Polizei im Café des Westens bereits mit dem Verhaftungsbefehl auf ihn wartete.“

Der Jurist Dr. Walter Serner starb vermutlich am 23.8.1942. Er war Sprachenlehrer im Prager Ghetto, als er am 10.8. mit seiner Frau Dorotea ins KZ Theresienstadt deportiert wurde, „am 20. August 1942 mit dem Transport Bb nach Riga“, und dort „wahrscheinlich am 23. August 1942 –  im Wald von Bikernieki zusammen mit seiner Frau Dorotea und allen anderen 998 Menschen dieses Transports ermordet“ wurde (Wikipedia).

  Dr. &  Deserteur

NeuausgabeDas Trottelbuch

bei Edition Nautilus. Und das Gesamtwerk:

http://www.edition-nautilus.de/programm/franzjung/list-self.html

 



SPITZENTVPRODUKTION

Wenn das nicht zur Spitze der deutschen Fernsehproduktion gehört, hab ich wohl was verpasst und die Rosenheimcops werden´s wohl nicht gewesen sein:

http://www.ardmediathek.de/das-erste/filmmittwoch-im-ersten/operation-zucker-fsk-16-tgl-ab-22-uhr?documentId=13067312

R: Rainer Kaufmann, B: Philip Koch, Rolf Basedow



IM CAMP KEIN DSCHUNGEL

Ach ja, wie mein Freund zu sagen pflegte, man darf sie ja nicht vergessen. Und den Dr. Ulf Porschardt ganz besonders nicht. Dem ja (nicht nur) die Oberleitung der drei bedeutendsten deutschen Musikmagazine obliegt.

„Auch die Autoren des RTL-Dschungelcamps gelten als Meister des hintergründigen Humors. >Genialisch< sei das, was denen so einfiele, jubelte Ulf Poschardt (sic; A.d.V.) anlässlich der sechsten Staffel in der Welt am Sonntag. Durch die >postmoderne Doppelkodierung< der Moderatoren böte RTL auch der >anspruchsvolleren Klientel< etwas“, meldet die Süddeutsche.

Hier was Nichtgenialisches für unsere anspruchslose Klientel: Porschardts „Agitation richtete sich aber eh nicht rational an politische Linke, sondern an jene jungen Bürgerlichen, denen nur ihr Musikgeschmack und ein Jucken im Unbewussten noch im Wege zu einem schwarz-gelben Kreuz in der Wahlkabine stehen. Denen widmet sich denn auch sein einziges Argument. Er formuliert es nicht selbst, sondern zitiert die Schriftstellerin mit dem peinlichen Pseudonym Thea Dorn, die der umkämpften poplinken Klientel das Vorurteil vorwirft, dass >alle – außer den Linken – dumpfe, katholische, saumagenfressende, homohassende, rassistische, Frauen-hinter-den-Herd-prügelnde Neandertaler sind.<

Das ist die ganze Palette der Wahlkampf-Angebote an die CDU-unwilligen Szene-Großstädter: Ihr dürft gerne feministisch, atheistisch, homosexuell euer Sushi fressen, wenn ihr doch nur endlich aufhören würdet, eure Klasse zu verraten und bitte endlich bürgerlich wählen würdet“, schrieb Diedrich Diederichsen schon 2010 in der Süddeutschen.

Ich bin nun doch jemand, der auf derartigen Unter-der-Gürtellinie-Journalismus reinfällt: Ich würde lieber im Haushalt von Dr. Thomas Goppel in entsprechender Kleidung täglich die Putzfrau machen als irgendwas zuzustimmen, das aus der Feder von Dr. Ulf Porschardt geflossen kommt, selbst wenn ich sein Monatsgehalt bekäme, ohne einen Finger krummmmachen zu müssen.

Auch Dr. Thomas Goppel wird leider immer wieder viel zu leichtfertig vergessen in diesen tumultuösen Zeiten. Aber er ist natürlich schon auch ein bisschen selbst daran schuld, wie man auf seiner Homepage leicht feststellen kann. Stammt doch die letzte Eintragung auf seiner Newsseite vom 12.11. letzten Jahres!

Nicht einmal zu einer öffentlichen Weihnachtsansprache konnte er sich letztes Jahr durchringen. Dabei war die des Jahres zuvor doch von einer Gültigkeit, dass er sie ohne große Veränderung hätte übernehmen können.

„23.12.2011 in Aktuell. Noch keine Kommentare.
Zur Jahreswende richtet der Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung der Augustinus-Forschung e.V., Dr. Thomas Goppel MdL, das Wort an die Mitglieder, Freunde und Förderer der Gesellschaft.

Liebe Freundinnen und Freunde in unserer Gesellschaft, verehrte Damen und Herren, geschätzte Gäste unserer Förderriege! Sicher nicht allein in unserem wieder gewachsenen Kreis von Mitgliedern bin ich, wenn ich bekenne, dass mich alljährlich rund um die Jahreswende Gedanken beschleichen, die aus der banalen Abrundung eines Jahres so etwas wie Endzeitstimmung werden lassen: Geht da wirklich nur 2011 zu Ende?“ (usw.)

Was kann denn nach so einem Einstieg noch Kommen? Mehr nicht als

ein Bild von meinem neuen Auto.

 



BEDEUTENDE LITERATUR PRODUZIEREN

muss nicht immer ganz einfach sein. Peter Glaser hat dies zur Information in seinen Blog gestellt:

Quelle: http://blog.stuttgarter-zeitung.de/

Hier nicht die Blut-, sondern Hirnwerte anhand neuerer Ausgaben:

     



IM HIMBEERREICH

Eigentlich wollte ich schon immer nur Theaterkritiker werden. Diesem Ziel bin ich jetzt ein großes Stück nähergekommen Dabei habe ich mir „Das Himbeerreich“ angesehen. Ein Ausdruck von Gudrun Ensslin, mit dem sie die reiche BRD meinte.

Kettensägensätze // 13.01.2013 // Mit einer Betonung hier und einer kleinen Geste da machen großartige Schauspieler hochkomplizierte Sätze aus der Finanzwelt plötzlich verständlich. Trotzdem geht Andres Veiels Wirtschaftsdrama „Himbeerreich“ schließlich pleite.

Sie können hier weiterlesen: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/andres-veiels-himbeerreich-kettensaegensaetze-12022961.html

ERGÄNZUNG: Die doppelt so lange Version jetzt hier in der jungen Welt vom 16.3. mit dem Titel „Alle im Abseits“ (die FAS hatte den Titel „Kettensägensätze“ gewählt, während ich mir zuerst „Auch Langweil´essen Seele auf“ ausgedacht hatte und für die zweite Version „Auch Langeweile essen Seele auf“):

http://www.jungewelt.de/2013/01-16/022.php

 Da war ich!



TOPCOVERS DER WELT NR.94

(Anm. d. A. 19.3.: Foto wurde von Unbekannt eliminiert, obwohl die Abb. von Covers bekanntlich legal ist. Das Problem: hier kann sich niemand erinnern, was Nr. 94 war. Die Recherchen laufen weiter. Ggf. wird es eine andere, natürlich nicht weniger gerechtfertigte Nr.94 geben. Aktuelle Meldung der Musikredaktion: „Heino war´s sicher nicht, den haben wir im Moment viel weiter vorn notiert.“)



SCHON SEHR IRRE

was sich die Leute früher so gedacht haben, zum Glück wissen wir heute mehr:

Von: http://killercoversoftheweek.blogspot.de



BRODER HAT RECHT

Es ist uns egal, ob ein Statement lang oder kurz ist. Dieses von unseren Songdog.at-Kollegen ist so kurz wie möglich. Und wir können und müssen dem nichts hinzufügen:

Die Blockredaktion sagt:

Donnerstag, 10. Januar 2013, 10:49 Uhr Abgelegt unter: Allgemein

Broder hat recht.