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SIE

hat das beste Buch über den (2.Welt-) Krieg geschrieben, das ich gelesen habe: Marge Piercy, die am 31.März 77 wird.

 dt. Argument Verlag: Menschen im Krieg

Ich müsste den Radiobeitrag, den ich darüber geschrieben habe (wie auch über ihren Roman „Donna und Jill“), abtippen, um ihn hier reinzukriegen… Das wird etwa 1995 gewesen sein (na egal, jedenfalls ein paar Jahre bevor ein Held wie dieses Oberbrüderle mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde).



SCHON AUCH EIN HAMMER

unter den News aus Österreich ist die Meldung, dass Gregory Mcdonalds Roman The Brave beim einerseits großen, andrerseits kleinen Songdog Verlag erscheint. Mehr dazu im April. Im Moment nur der Hinweis für Alle, die weder dem Verleger noch dem Literaturredakteur dieses Blocks ihr ganzes Vertrauen schenken wollen: The Brave war 1997 das Regie-Debut von Johnny Depp, dessen literarischer Geschmack bekanntlich nicht in der Spiegel-Bestsellerliste seines Landes stecken geblieben ist…

Roman. Aus dem Amerikanischen von Annette Lorenz. Ca. 180 Seiten, Softcover. Subskriptionspreis bis 15. März: € 14.– / danach € 18.–  Bestellung (versandkostenfrei): email hidden; JavaScript is required

Zum Inhalt: „Rafael lebt mit seiner Familie in einer illegalen Trailersiedlung am Rande einer Müllkippe im Mittleren Westen der USA. Die Chance, seine kleine Familie durch Arbeit zu ernähren, liegt bei null. Und so geht der junge Mann nach Morgantown, um sich für einen Job beim «Film» zu bewerben. Für 30 000 Dollar soll er sich in einem Snuff Movie zu Tode foltern lassen. Rafael, beseelt vom Gedanken, seiner Familie ein würdiges Leben zu ermöglichen, nimmt das Angebot an, unterschreibt einen obskuren Vertrag. Mit einem Vorschuss von 200 Dollar und beladen mit Geschenken für seine Frau und die drei kleinen Kinder, fährt er zurück, um mit ihnen die zwei letzten Tage seines Lebens zu verbringen…“

Zum Autor: Gregory Mcdonald (1937-2008), Autor von über zwanzig Büchern, wurde einem großen Publikum vor allem durch seine Mystery-Thriller-Reihe „Fletch“ (ab 1974), die mit Chevy Chase in der Hauptrolle verfilmt wurde, bekannt. The Brave erschien 1991. Mcdonald wurde zweimal mit dem Edgar Allen Poe-Award ausgezeichnet. Er arbeitete ab 1966 auch für „The Boston Globe“, schrieb Kolumnen und Features u.a. über Joan Baez, John Wayne, Andy Warhol und Jack Kerouac. 1986 zog er nach Pulaski, Tennessee, wo er sich als Lokalpolitiker vor allem gegen den dort gegründeten Ku Klux Klan engagierte. Er starb 2008 an Krebs.



TAGEBUCH EINES ÜBEREIFRIGEN MUSIKSTUDENTEN

HOT BOOGIE CHILLUN/Comeback (Side A) – PAUL ANSELL´S NUMBER NINE/Movin´ On (B) – BONNIE OWENS & MERLE HAGGARD WITH THE STRANGERS/Just Between The Two Of Us (1) – DAVID BOWIE/Diamond Dogs (1) – DAVID BOWIE/Young Americans (1+2) – JAMES BROWN/“King Heroin“ + b/“Theme from King Heroin“ – (Radio, Zündfunk) – ALVIN LEE TEN YEARS LATER/Ride On (2) – HUMBLE PIE/Legendary (1)

 R.I.P.

Fußnote: „Zum Tode Dieter Pfaffs: Der Johnny Cash des deutschen Fernsehens“ (Spiegel Online)



SPITZENSATZ (9)

A SAD SONG A DAY KEEPS THE DEVILS AWAY!

The Old Joe Clarks 



MIT SUHRKAMP

gehts zweifellos steil aufwärts: in ihre erste Autorenmannschaft haben sie jetzt Klaus Bittermann eingekauft, der mit seinem eigenen Verlag Edition Tiamat seit gefühlt etwa 1952 permanent in den Top-5 der besten deutschen Verlage rangiert.

  jetzt nur noch 8,99€

Kein Geheimnis ist, dass Bittermann im Hauptberuf jeden Montag mit seiner Kolumne „Die Blutgrätsche“ die Bundesliga unter spezieller Berücksichtigung des 1.FC Dortmund kommentiert:

http://www.jungewelt.de/2013/02-25/002.php?sstr=blutgr%E4tsche



GEBURTSTAGSKINDER

heute sind Hias Schaschko und Johnny Cash. Eine so schöne wie passende Verbindung. Denn in der Sammlung graphischer Werke des Salzburgers (der seit vielen Jahren zum Besten gehört, was München zu bieten hat), von den vielen Covers für Trikont bis zu Badges für seinen eigenen Shop, hat der Fan den Sänger sozusagen immer wieder getroffen:

  

Auch seine Postkarten haben viele Menschen glücklich gemacht:

Ebenso die von ihm hrsg. CDs mit Hank Williams und Kraudn Sepp. Hervorzuheben ist natürlich die 4-CD-Sammlung mit erotischer Musik, die der „Intim-DJ Cpt Schneider“ als Fachmann für Normal Rec. zusammengestellt hat:

Wir wünschen ihm noch viele schöne Jahre im Kreise seiner Freunde und auch überhaupt:

 Auf gehts beim Schaschko.de



FREIZEIT 13

mit Klaus Walter im Radio: http://www.byte.fm/ Bei seiner Sendung: Was ist Musik? http://www.byte.fm/sendung/was-ist-musik/2013-02-24

Thema heute (bzw. am Mittwoch/Wdh.): „Was ist transient Musik?“

 Foto: satt.org

Allein schon Walters wöchentliche Ankündigungen ergäben ein gutes Musikbuch:) „Das Album sei stark beeinflußt vom „transient lifestyle of its creator“, heißt es im Beipackzettel zu „Lesser Evil“, dem Album von Airick Woodhead alias Doldrums. Europäische Clubs, „noise music communities in Montreal, Toronto, New York and Baltimore“…“DIY spaces”, das sind Übergangsräume im „transient lifestyle“ von Airick Woodhead. „transient {adj}: vorübergehend, flüchtig, kurzlebig, vergänglich, transient, von kurzer Dauer [nachgestellt], passager [nachgestellt]“ Das Transiente betrifft ja nicht nur das Räumliche, auch das Zeitliche, Reisen durch Zeitzonen, Musik konsumieren quer durch Zeitzonen, häufig mehrere Tonsignale gleichzeitig aufnehmen, beim Transport, in Transitzonen. Wieder kommt Simon Reynolds‘ Begriff der Atemporalität ins Spiel. In welcher Zeit leben wir eigentlich? In welchen Zeiten geichzeitig/ungleichzeitig? Auch das H-Wort möglicherweise… Hauntology, einer von den Begriffen, die so nebulös und gespensterhaft sind wie manchmal die Musik der Doldrums. Wenn zehn  Leute Hauntology sagen, dann hat Hauntology 15 verschiedene Bedeutungen. Oder 50.

Nicht nur das Doldrums-Album wirft solche Fragen auf, auch, auf andere Art, die Platten von Foxygen, Unknown Mortal Orchestra, Matthew E.White. Oder eine Retrospektive auf das Schaffen von Indoor Life, da schaut die Vergangenheit einen von weit vorne an, falls das möglich ist. Und Brenda Rays „Walatta“, sowieso.

Starring: Nilsson, Ladies Love Knarf Rellöm, Kid Creole & The Coconuts, Randy Newman, Bryan Ferry, The Chills, Little Annie & Baby Dee, Pantha Du Prince, T.Rex, Mense Reents, Joe South

Sonntag, 24.2.13. 20-22 Uhr – Wiederholung:  Mittwoch, 27.2.13., 8-10 Uhr

(Angeblich wurden inzwischen beim Hessischen Rundfunk alle gefeuert, die ihn damals mit seiner Sendung „Der Ball ist rund“ gefeuert haben. Jaja…)



WAS FUCKIN HELL IS RASSISMUS & ICH AUCH?!

Dazu ein Beitrag von unserem Wien-Korrespondenten Andreas Niedermann von songdog.at – es gibt Autoren, die nicht nur gut schreiben können, sondern auch noch Courage haben:

Aufpassen!

(Samstag, 27. Oktober 2012)

In der Garderobe des Geisteszentrums. Ich zog mich nach dem Training um, und ein Afrikaner kam herein, sein Spind lag so ziemlich neben meinem, und er begann sich ebenfalls umzuziehen. Er hatte geschwitzt, wie ich auch, und als ich angezogen war und an ihm vorbei ging, dachte ich wieder daran, was mein Vater gesagt hatte. Da es im Geisteszentrum viele Dunkelhäutige gibt, muss ich oft daran denken, was mein Vater vor über 50 Jahren gesagt hatte. Er hatte es nicht nur einmal gesagt, sondern immer wieder mal, bei Gelegenheit, wiederholt.

In meinen Ohren klang es, als hätte er gesagt, dass Bälle immer rund sind, und der Regen niemals von unten kam, dass Menschen Ohren hatten und Beine, und ich hatte keinen Grund daran zu zweifeln. Er sagte nämlich, dass “der Schweiß der Neger anders riecht als unserer. Er stinkt.”

Ich weiß. Es ist rassistischer Unsinn, es ist nicht wahr, aber manchmal, wenn ich an Afrikanern vorbeigehe, denke ich daran. Das ist perfid. Und es beweist, dass wir die Worte, die wir zu unseren Kindern sprechen, mit Bedacht wählen sollen.

Dass ich nach über 50 Jahren noch immer daran denke, gibt mir zu denken. So einfach ist das also? So simpel funktioniert Rassismus?

Und auch wenn ich weiß, dass es nicht wahr und einfach nur rassistisch ist, auch wenn es dutzendemale durch die Wirklichkeit widerlegt wurde, ich denke noch immer an die zwei Sätzchen meines Vaters. Er hätte das nicht tun sollen, finde ich.

Und ich bin mir leider ziemlich sicher, dass ich die zwei Sätzchen zu meinen Kindern auch schon gesprochen habe. Nicht dieselben, aber irgendwas wirds schon gewesen sein.

Aber um aus einem Kind einen Rassisten zu machen, braucht es offenbar mehr als nur zwei, gelegentlich, eingestreute Sätze. Das ist beruhigend. Aber vielleicht nicht wahr …

 Der Autor, Foto: Superbastard.de



ALS ICH GEBOREN WURDE

Als ich geboren wurde

kostete ein Dollar über vier Mark und

Billie Holiday starb als in Berlin der

Ausstieg des Führerbunkers gesprengt

wurde auf der ersten englischen

Autobahn hörte Fritz Walter zu

spielen auf  um Deutschlands

Position als Land mit den zweithöchsten

Währungsreserven der Welt zu verteidigen

als Billie Holiday starb und trat

Batista in die Eier doch auch die

Sowjets hatten einen Plan den Deutschen

rechte Parteien verbieten und Schallplatten

mit Stereoklang satt hatte es da die SPD

aber endgültig und distanzierte sich vom

Marxismus zur Feier des Tages spielte

das Radio die ganze Nacht die Gitarre

und das Meer als Billie Holiday starb

versprach der neue Bundespräsident das

größte aller Probleme in Angriff zu nehmen

den Hunger in der Welt oder auf der

meinte er nach hundert Sekunden

war Peter Müllers Traum vom

Boxeuropameister im Mittelgewicht

begraben wie in Bayern die

Entnazifizierung nach einem Säureanschlag

auf das Gemälde Höllenfahrt der Verdammten

wachte ich schreiend auf und alle

lachten weil ich stammelte Stereoklang

entnazifizierte Batista wurde geboren als

ein Dollar mehr Mark und

Billie Holiday starb.

(aus: Ich fühlte mich stark wie die Braut im Rosa Luxemburg T-Shirt, Songdog Verlag, Wien 2009. Buy den Shit, gib mir nen Hit!)



BRECHTFESTIVAL AUGSBURG 2013 (8=Ende)

Dies war auch das Ende meiner Serie „My own private Brechtfestival“ in der jungen Welt v. 11.2.:

Stimmen von innen/außen (auch als Audio-Guide)

Wie immer bei einem schwierigen Thema möchte ich wissen, was andere Menschen dazu so denken. Meine mündliche oder schriftliche Frage an mir un-/bekannte Stadtbewohner lautete: Was halten Sie vom aktuellen Brechtfestival? Hier die Ergebisse:

ALEXANDER EDIN, 44, hauptamtlicher Fanbeauftragter des FC Augsburg: „Thema diesmal: der junge Brecht. Warum fühl ich mich nach Durchsicht des Programms trotzdem altbacken?“ DANIELA BEHRENDT, 39, Justizvollzugsbeamtin: „Von dem Festival kriege ich nichts mit, denn ich wohne hier nicht. Aber mit Brecht bin ich praktisch aufgewachsen, ich komme aus Berlin-Ost. Ich liebe vor allem seine Schauspielerinnen. Die waren immer anders als, ja, „normale“ Schauspielerinnen, Käthe Reichel, Agnes Kraus und so.“ FRANZ WAHL, 39, Verkäufer: „Ich find´s irgendwie immer das Gleiche. Wobei, dieses Jahr finde ich die ‚Brecht-Geisterbahn‘ ganz toll.“

CHRISTOPHER KÖHLER, 24, Koch: „Dafür, daß Brecht gesagt hat, das Beste an Augsburg sei der Zug nach München, finde ich es gut, daß Augsburg drüber hinweg sieht.“ CHRISTINE DRAWS, 45, Verwaltungsjuristin: „Ich vermisse das abc-Festival. Das wurde dem ersten München-Pendler Brecht gerecht.“ MARCUS ERTLE, 30, Journalist: „Brecht ist immer dann gut, wenn er subversiv ist. Das Augsburger Brechtfestival läuft ein bisschen Gefahr, sich allein dadurch subversiv zu fühlen, dass man den Bürgerschreck Brecht feiert.“

SVENJA LIPCZINSKY,  24, Studentin: „Ich muß gestehen, daß ich im Moment gar nichts mitbekommen habe, weil ich grade mein Staatsexamen schreibe, über das Drama von Barock bis zur Neuzeit, also Brecht begleitet mich.“ SEBASTIAN LUTZ, 30, Gastronom: „Ausgelutscht.“ MATTHIAS LEIN, 32, Designer: „Es ist gut, daß es das gibt.“

Die Frage an mir un-/bekannte Bewohner anderer Städte lautete etwas anders: Was bedeutet Ihnen Bertolt Brecht?

OLIFR MAURMANN (alias GUZ), 47, Musiker: „Brecht ist mir immer auf den Wecker gegangen. Weil er rechthaberisch ist, oberlehrerhaft, ideologisch verpestet.“ CLAUDIA KNUPFER, 56, Schauspielerin: „Ich finde seine Texte fantastisch, seine Stücke und Gedichte. Er war für die Entwicklung des Theaters total wichtig. Die Stücke sind einfach unglaublich.“ TRINE PAULI, 45, Wirtin: „Brecht war für mich eine Erlösung.“

MATTHIAS HERING, 43, Autor: „Der ist immer schon da. Kaum beschäftigt man sich mit ´nem aktuellen Thema, hat Brecht schon ein Stück drüber gemacht.“ CHRISTIANE LEMBERT, 54, Ethnologin: „Bei Brecht gefällt mir das Umfeld, der Bühnenbildner Caspar Neher, Kurt Weill, seine Frauen. Und er hat ein paar kluge Sätze gesagt.“

Als ich letzte Woche den polnischen Autor Andrzej Stasiuk (52) traf, fragte ich ihn nicht nach Brecht, denn in seinem Buch ‚Dojczland‘ hat er alles dazu gesagt:

„Deshalb ging ich (…) auf die Suche nach dem Brecht-Haus. Nicht daß ich ihn besonders bewundert hätte. Ich war schon vierundvierzig. Als Jugendlicher habe ich die Dreigroschenoper im polnischen Fernsehen gesehen. Meine Eltern meckerten, das sei doch Blödsinn und ich solle umschalten, aber ich blieb bis zum Ende stur sitzen in dem Gefühl, das sei eine Art Rebellion gegen die Älteren. Jetzt aber suchte ich nach seinem Geburtshaus, einfach um mir die Zeit zu vertreiben. Auf dem Rain war es ein bißchen düster. Vor der Hausnummer 7 parkte ein roter Sportwagen. Eine sarkastische Geste des Kapitalismus gegenüber diesem Sohn des Proletariats, der elegante und teure Automobile über alles liebte. Der arme Kerl. Er hätte fünfzig Jahre später geboren werden sollen. Dann würde er an der Volksbühne inszenieren und danach mit seinem Porsche Cayenne Turbo nach Boltenhagen fahren, um über den Strand zu brausen. Oder mit einem BMW Coupé V10 nach Rußland, wo der KGB ihm für Petrorubel ein elegantes Theater kaufen würde.“

Mit dem Satz, den Stasiuk dann anfügt, möchte ich mich aus dieser logischerweise kurzlebigen Kolumne, zu der in meinem Blog ein paar Ergänzungen zu lesen sein werden, mit herzlichen – zu viele Augsburger würden sagen: „mit brechtigen“ – Grüßen verabschieden:

„Künstler sterben immer zu früh.“