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MEIN FREUND NEBELMASCHINE

(Für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung saß ich mal wieder in einer Theaterpremiere, genauer gesagt hockte ich, wie die meisten Besucher, auf dem Boden rum, bis mir der Arsch und die in der Nähe gelegenen Knochen gescheit weh taten, was mein Denkvermögen natürlich nicht in den Dispobereich versenkte. Hier die längere Version dessen, was in der FAS am 27.10. erschien:)

An einem so hektischen wie geheimnisvollen Theaterabend kann es doch schon mal passieren, dass einem die Begriffe im Kopf verloren gehen: Wenn ein Regisseur ein Buch nimmt und auf die Bühne wirft, ja, Mensch, wie heißt das denn jetzt? Verstückung?! Quatsch, Dramatisierung, logisch. Aber jetzt finde ich Verstückung besser. In Stuttgart jetzt neu: Bernward Vespers Romanessay „Die Reise“ in der Verstückung von Martin Laberenz.

Der Grund für diese nicht neue Aktion ist klar: Das mit Notizen und Briefen 700 Seiten starke Fragment gilt als das Buch der 68er-Protestbewegung, das erst einige Jahre nach Vespers Selbstmord (1971) erschien und sowohl Hit als auch Legende wurde, und das nicht nur, weil alle Konflikte, Hoffnungen etc. im Textgebirge enthalten sind, sondern auch in Vespers Person, und so spektakulär wie in keiner anderen: Sein Vater war der bekannte Nazi-Dichter Will Vesper, seine Frau und die Mutter seines Sohns  war Gudrun Ensslin, die ihn für die RAF und Andreas Baader verließ, und er selbst nicht nur Polit-Aktivist und -Verleger, sondern auch LSD-Freak mit literarischem Talent, der zuletzt im Irrenhaus saß und übrigens absolut klare Briefe schrieb. Ich habe den Drang, das hier mal sachlich runterzubeten, weil ich glaube, dass von der Verstückung nicht viel ankommt, wenn man nicht alles mögliche schon weiß. Dass eine gute Strecke der zweieinhalb Stunden aus Langeweile besteht, macht´s ja auch nicht leichter.

Verständlicherweise löst Martin Laberenz nur einige Steine aus Vespers Riesengebirge: Drogendelirien, Kindheitserinnerungen, Hass (auf fast alles außer Sohn Felix). Weil Vesper an Schizophrenie erkrankte, spielen fünf Akteure Vesper, falls sie nicht gelegentlich Vater, Mutter, Gudrun oder den amerikanischen Freund Burton spielen. Zentrum der Spielfläche: ein großes Bett. Bei ihnen ist auch der Souffleur, von dem ich lange dachte, er wäre auch ein Teil-Vesper, aber egal. Die Konstellation führt zu einigen tollen Lärm-Laber-Orgien, wenn gegen- und durcheinander geredet wird, einigen gut nervenden Hass-Brüll-Monologen, einigen bedrückenden stillen Szenen, in denen der einsame, verzweifelte, inhaftierte Vesper sozusagen isoliert vor sich hin spricht. Das klingt, so hingeschrieben, ziemlich gut – aber die Teile ergeben kein Ganzes. Das schlingert nur so herum.

Gipfel diverser Leerläufe: ein Hassmonolog gegen, pi mal Daumen gesagt, Deutschland, Kapitalismus, Erziehung (mit dem schönen Gag: „Ich hasse Schiller, und Goethe ist noch schlimmer!“), der nur noch zäh ist, gefühlte zweieinviertel Stunden dauert, in denen ein Vesper die anderen, stummen, bewegungslosen umrundet. Gipfel einiger sinnlosen Aktionen: die Schauspieler werden zu Schauspielern, sprechen zum Publikum, improvisieren aber nicht, wäre ja spannend, über ihre Meinung zu Vesper – z.B. sind wir alle für immer an die Nazis gekettet? – , sondern zählen nur auf, was sie grade sehen: links neben mir der Liegestuhl, ich gehe jetzt am Steg entlang, der ein Viereck um das Bett bildet und so fort.

Dabei hat Laberenz ein Talent für Slapstick, und das wäre ein mutiger Ansatz für einen 31-jährigen Regisseur gewesen. Aus dem ikonografischen Vesper-Bild mit fetter Sonnenbrille macht er echte Nummern, überwältigend, wenn aus der Familienschatzkiste nicht nur die riesige Naziflagge des Vaters kommt und sich die Bernwards nicht nur anklagen, sondern einer die anderen niederbrüllt, er habe doch nur nach seiner Sonnenbrille gesucht! Und zuletzt kommt auch endlich mal  die volle Wucht, ein echter Anschlag aufs Gemüt: Vesper in der Geschlossenen, fragt sich, ob „die Psychose praktisch die Antwort auf den Bewusstwerdungsprozess“ ist, ob er, als Nazikind, das bis ans Ende aller Fragen geht, so enden muss. Dann holen ihn Gestalten in weißen Raumanzügen ab. Eine Szene, die in den Magen geht. Deshalb kommt auch sofort nochmal Gewitzel und zuletzt die komplett sinnfreie Anmerkung, man werde als nächsten dann John Lennon ins Totenreich holen.

Nur die Nebelmaschine hat von Anfang bis Ende exzellente Arbeit geleistet. Habe noch nie einen so wunderbaren Bühnennebel gesehen. Mit einem Soundtrack von Friederike Bernhardt, der auf Tonträger erscheinen sollte. Neben Details zwei starke Gründe, sich die Verstückung anzusehen. Echt jetzt!



FACE BOOK IST

der Titel des neuen Katalogs der Münchner Künstlerin, Illustratorin und Sängerin der Damenkapelle Julia Pfaller und eingebaut hat sie in ihr Werk einige Gedichte aus meinem Band Jesse James und andere Westerngedichte, über den das Deutschlandradio damals sagte, ich hätte damit die deutschsprachige Lyrik rehabilitiert. Während sich die Gedichte durch die Aufnahme in den J.P. the kid-Katalog regeneriert vorkommen, wenn nicht sogar renoviert, in gewisser Weise auch, falls man den Ausdruck recyclen möchte, remixed.

Mehr dazu und Bestellung und Tonnen besten Stoffs hier: http://www.juliapfaller.de/category/publications/

julia-pfaller-facebook-1 ca. 80 S./bunt



THE BOY NAMED SUE

dobler Neu bei Edition Tiamat, 192 S.

Inhalt: Zwischen Country und Free Jazz, Johnny Cash und 39 Clocks und einem Konzert in Dachau, geht es selten um das Abhaken von Aktuellem, aber immer um das Schreiben an sich, als wäre der Musikbericht eine Short Story oder das Kapitel eines Romans. Ein Lesebuch für alle, die nicht eine Schublade, sondern Musik lieben.

AUS DEN MEMOIREN EINES ZERSTREUTEN MUSIKLIEBHABERS – der Untertitel mit seinem „Aus den…“ ist nicht nur eine ironische Anspielung auf einen romantischen Standardtitel, sondern trifft zu: In der Einleitung steht der erste Musikartikel, den ich am 12.8.1978 veröffentlichte. Die folgenden Texte sind chronologisch/thematisch angeordnet. Etwa 40 Seiten davon sind neu bzw. unveröffentlicht.

Die veröffentlichten Texte erschienen in Tageszeitungen und Magazinen, einige hier im Block, und ergeben auch einen Zeit- und Lebensspiegel. Der in einigen Fußnoten ergänzt wird. Hier z.B. die Fußnote 17:

„Ich erinnerte mich, dass mich zwei Jahre zuvor ein Rolling Stone-Redakteur auf der Buchmesse gefragt hatte, ob ich wieder einmal für das Magazin was schreiben wolle. Ich wollte nichts versprechen, auch nicht, als ich hörte, dass sie für eine Seite 150.- zahlen würden. 1995 hatte ich meinen einzigen Artikel für den RS geschrieben,“ – (der übrigens nicht im Buch ist) – „auf Einladung von Redakteur Benjamin von Stuckrad-Barre. Er hielt sein Versprechen, dass niemand den Artikel „bearbeiten“ würde, und erzählte dann, er hätte ihn gegen alle verteidigen und durchboxen müssen. Vorwurf: das sei alter Spex-Jargon, unverständlich. Daran erinnerte ich mich. Unsicher, ob ich was dazugelernt hatte.“



DEM ATLANTIKSCHWIMMER

und Maler Heinz Braun (1938-86) ist in Regensburg, noch bis Sonntag, 20.10., eine Ausstellung gewidmet. Was eine Seltenheit ist. Wie die ersten Filme von Herbert Achternbusch, in denen er als Schauspieler tätig war. Falls er nicht als Postbote tätig war. Angeblich hat er, als ihm das mit der Post zuviel wurde, angefangen, Pakete zu bemalen. Auch den Katalog von der Ausstellung im Münchner Stadtmuseum 1988 gibt es noch.

 Katalog

Auf der Seite auch ein TV-Beitrag von damals:

http://www.kunst-und-gewerbeverein.de/programm.html



WAS DENN MEIN

Lieblingslied wäre, wurde ich auf der Buchmesse gefragt, allerdings war das nicht die Frage, die mir mein alter Freund Lorenz Schröter am Mikrofon stellte, seine Fragen betrafen den Ort und die Massen und die Büchermasse, verdammt schwierige Fragen bzw. Überlegungen, und diese Antwort wäre auf jede seiner Fragen  unpassend gewesen…

What shall we do with a drunken sailor?

Ich kann nicht glauben, dass jemand etwas anderes erwartet hätte. Denn ich bin weder hier noch dort zum Spaß unterwegs. Nie gewesen. Oder jedenfalls schon lange nicht mehr. Ohne zu behaupten, es wäre wichtig. Das ist es schon lange nicht mehr. Also was das Verständnis betrifft – nicht den Song.



GRABREDE FÜR NILS KOPPRUCH (25.10.1965 – 10.10.2012)

(Anrede) – Heute ist ein trauriger Tag für uns alle – einer mehr in einer Kette von traurigen Tagen, seit unser Nils vor zwei Wochen, am 10. Oktober, so überraschend verstorben ist. Wir alle hätten lieber gestern seinen 47. Geburtstag mit ihm gefeiert. Nils war ein Mensch mit einer starken zuversichtlichen Ausstrahlung. Und deshalb möchte ich mich jetzt hier bemühen, zumindest ein wenig von seiner Haltung zu übernehmen.

Wir alle können selbst an diesem traurigen Tag nicht ganz vergessen, dass wir so viel von Nils bekommen haben, das uns inspiriert, unterhalten, zum Denken angeregt, unser Leben auf irgendeine Art immer bereichert hat. Wir schätzen uns glücklich, so viele groß- und einzigartige Bilder, Songs, Schallplatten, Konzerte von ihm bekommen zu haben. Und einige, eher wenige von uns kamen angeblich sogar in den Genuss seiner Kochkünste.

Nils Koppruch wurde 1965 in Hamburg geboren, und er war schon als Kind, wie mir seine Mutter erzählte, so eigensinnig, wie wir es uns schon immer erträumt hatten: Eine seiner Höchstleistungen in der Disziplin Eigensinn war, eines Tages in der Pijamajacke seines Vaters zum Schulausflug zu erscheinen; was den Vater allerdings nicht so sehr verärgern konnte, dass er nicht viele Jahre später zusammen mit Nils bei einigen Gelegenheiten plattdeutsche Volkslieder vorgetragen hätte. Nach seinem Realschulabschluss absolvierte Nils eine dreijährige Kochlehre, ohne sich jedoch mit dem Beruf anfreunden zu können. Anschließend machte er das Abitur nach und studierte einige Semester Sport und Germanistik – ehe er herausfand, was seine Berufung war und bleiben sollte: Malerei und Musik.

Es war etwa 1990, als Nils Koppruch mit dem Alias „Sam.“ seine Bilder präsentierte; wobei es übrigens, wie mir Käthe gestern erzählte (und davon hatte ich noch nie gehört), noch eine allererste Phase zuvor gab, in der Nils Tierbilder malte und mit dem Namen „Gunnar Wiklund“ signierte. Als „Sam.“ malte er erstmal im Genre der Cheap Art. In seinem Katalog „Dilettant“ sagte er später dazu: „Natürlich wird es immer Kunst geben, die sich darüber hinwegsetzt, ihre Legitimation über hohe Preise einzufordern.“ Und beschrieb seine Position so: „Ich versuche, mich nicht zu sehr von Strömungen, Trends und vermeintlichen Erfolgsrezepten einschüchtern zu lassen. Kunst sollte selbst etwas behaupten und nicht nur auf schon bestehende Behauptungen eingehen (…) Der Anspruch, etwas wirklich ‚Neues‘ zu machen, ist, glaube ich (…) längst überholt. Also begnüge ich mich damit, etwas Eigenes zu machen.“

Ich kannte den Singer-Songwriter Nils viel besser als den Maler Sam. – aber ich kannte die Bilder, noch bevor ich Nils, nach der ersten Platte mit Fink, 1997 kennenlernte, denn zumindest bei meinen Hamburger Freunden hing ein Sam.-Bild in fast jeder Wohnung.

Ich mochte beide Männer – (und natürlich wünschte ich heute, sie wären tatsächlich zwei Menschen) –, die übrigens nicht ganz identisch waren, wie mir Nils einmal erklärte: mit Sam lebte Nils verstärkt seine fröhliche, komische, auch kindgebliebene Ader aus. Die auch beim Songschreiber vorhanden, aber doch weniger präsent war.

Als ich mich jetzt wieder einmal durch sein ganzes Werk hörte, war ich erstaunt, wie viele Songs Nils geschrieben hat, die irgendwas mit Sterben und Tod zu tun hatten. „Wir reisen hier nur durch und nehmen nichts mit… die Reise geht nur hin und nicht zurück“, heißt es in „Durchreise“, und das ist nur eins von vielen Beispielen.

Dass diese Thematik bei Nils so stark vorhanden ist, heißt jedoch nicht, dass das mit Verzweiflung oder Lebensunlust zu tun gehabt hätte, sondern mit dem Willen, Wahrhaftiges über Menschen und Leben zu erzählen, ganz im Sinn des Hank Williams-Klassikers „I´ll Never Get Out Of This World Alive“, auch wenn Tag und Stunde niemand weiß.

Neben anderen solche Songs zu schreiben und zunächst mit seiner Band Fink, dann mit Hotel Rex oder Der Wald und zuletzt mit Kid Kopphausen in dieser Art zu spielen, solche Songs in unserer Sprache so zu schreiben und so zu spielen – das hat ihm keiner vorgemacht. Das hat mich damals mit der ersten Fink-Platte buchstäblich umgehauen. Und ich schrieb damals auch dazu, es sei zugleich der Gedichtband des Jahres 1997.

Nils war – das mag zunächst wie selbstverständlich klingen – Nils war ein Mensch.

Ein Ausdruck, der im Jiddischen viel mehr als nur die Verbindung von Haut und Knochen und Gehirn bedeutet: Jeder ist menschlich, aber nicht jeder Mensch ist ein Mensch  ein  Mensch ist einer, der ein großes Herz hat. Nicht nur für seine Familie, sondern für alle sozusagen, für alles, was lebt.

Viele der vielen Einträge im Kondolenzbuch erzählen genau davon. Oder auch Tino Hanekamp in seinem bewegenden Nachruf, wenn er erzählt, wie er Nils kennenlernte: Er kam nicht in ein ausverkauftes Konzert rein, in das er unbedingt wollte, und redete mit ein paar Typen am Fenster, die er nicht kannte, und einer der Typen brachte ihm dann einen Backstagepass, und dieser Typ entpuppte sich dann als der Sänger der ihm unbekannten Vorband – das war Nils. Ein Mensch eben.

Und einer mit viel Humor. Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern, dass er bei einer unserer nicht wenigen Begegnungen jemals miese Laune verbreitet hätte. Was ja nicht heißt, dass wir immer mit guter Laune herumgelaufen wären.

Wir stehen an diesem traurigen Tag, jetzt, in diesen Minuten, an einer besonderen Stelle und befinden uns an einem besonderen Schnittpunkt: In unserer Kultur gibt es vielleicht doch zu wenig Hilfe für uns, wenn wir einen unserer Nächsten zu betrauern und zu beerdigen haben. Speziell in der afroamerikanischen Beerdigungskultur und speziell in der von New Orleans gibt es eine Sitte, an die zu denken uns heute vielleicht ein wenig hilft.

Was wir hinter uns haben, ist die 1st Line, den Gang zum Grab. Mit trauriger Musik. In Trauer. So stehen wir jetzt hier. Was wir nun vor uns haben, ist die 2nd Line, den zweiten Gang, den vom Grab weg. In New Orleans ist dieser ebenfalls unvermeidliche zweite Weg zunächst etwas fröhlicher, um dann immer mehr ein wenig noch fröhlicher zu werden, begleitet von einer Musik, die zunehmend funky wird.

Dieses Ritual dient keineswegs dazu, um möglichst schnell wieder zum normalen Leben oder sogar Partyleben übergehen zu können, sondern hat einen, wie ich finde, über alle geografischen oder religiösen Grenzen hinweg verständlichen, einfachen Grund: Die Hinterbliebenen möchten mit dieser Fröhlichkeit nach der Bestattung dem Verstorbenen den Weg in die andere Welt erleichtern, ja, sie fühlen sich sogar verpflichtet dazu. Und daran wollen wir zumindest ein wenig denken, jetzt, an diesem traurigen Tag.

Lieber Nils: Wir alle sagen: Danke für Alles! Und um es zum Abschied mit deinen eigenen Worten zu sagen: Na dann, guten Flug!

Hamburg, 26.10.2012



DIE AKTION / FINALE NR. 220

Die Ordnung des Profanen

hat sich aufzurichten an der Idee des Glücks / Zum Gedenken an Lutz Schulenburg

Die Aktion Nr. 220 - Die Ordnung des ProfanenEdition Nautilus, 128 S., 10.- Hrsg. von Hanna Mittelstädt

Nach dem gänzlich unerwarteten Tod des Herausgebers dieser Zeitschrift, die seit 1981 erschienen ist, veröffentlichen wir zum Gedenken an Lutz Schulenburg eine letzte Ausgabe mit Nachrufen und Würdigungen dieses unbeugsamen Verlegers und Freundes.

Mit Beiträgen von: Manfred Ach, Ingvar Ambjørnsen, Uli Becker, Wolfgang Bortlik, Robert Brack, Uta Brandes und Michael Erlhoff, Manfred Chobot, Martin Dieckmann, Franz Dobler, KP Flügel, Pierre Gallissaires, Tobias Gohlis, Annett Gröschner, Gerald Grüneklee, Egon Günther, Frank Horstmann, Peter Laudenbach, Andreas Löhrer, Sieglinde und Fritz Mierau, Hanna Mittelstädt, Rainer Nitsche, Karen Nölle, Roberto Orth, Jürgen Otte, Sabine Peters, Katharina Picandet, Thorwald Proll, Jorinde Reznikoff, Horst Rosenberger, Karl Heinz Roth, Jochen Schimmang, Jürgen Schneider, Hans Schulz, Corinna T. Sievers, Konrad Singer, Hajo Steinert, Ulf Tralau, Christoph Twickel, Matthias Wittekindt, Herbert Woyke



WAS DANN KOMMT

 VÖ: 3.10.2013 Edition Tiamat

THE BOY NAMED SUE – AUS DEN MEMOIREN EINES ZERSTREUTEN MUSIKLIEBHABERS

192 S., 14.- (Hier noch der alte Titel, mit „A“ statt „THE“)

Details dazu demnächst hier…



ICH DACHTE JETZT DIE TAGE

also bei den Nachrufen auf den bedeutenden Mann fehlen ja schon immer ein paar Details, gerade dort, wo in Sachen Kritik nur die üblichen Klischees verbraten wurden. An ein sehr gutes Detail konnte ich mich erinnern und habe es gefunden, in einem Buch des großartigen Gerhard Henschel: Beim Zwiebeln des Häuters / Glossen und Verrisse 1992-2012 (Edition Tiamat). Am Ende eines kurzen Beitrags für Titanic mit dem Titel „Reich-Ranicki und Kraus revisited“ bringt Henschel ein Reich-Ranicki-Zitat, mit dem eine echte Kritik, die von Ignoranz und Unkenntnis handeln würde, schon perfekt skizziert ist:

„Das viertletzte Wort hat Marcel Reich-Ranicki: <Der letzte große humoristische Roman in deutscher Sprache war, wenn ich mich nicht irre, Der Erwählte von Thomas Mann.> Irrtum. Setzen. Sechs.“

Henschels gesammelte Kritiken: von kurz und heftig bis ausführlich und geradezu hypergenau. Seine bevorzugte Methode ist die beste: zitieren und Zitate unter die Lupe nehmen, bis der Quatsch runtertrieft. Seine „Opfer“ sind nicht nur leichte Beute (Grass, Käßmann), sondern auch Champions: allein schon seine Parodie auf Brechts Keuner-Geschichten kann mit den größten humoristischen Romanen seit Thomas Mann mithalten. Auch ein Zeitspiegel: Vom brüllend komischen „Telefonat“ mit dem 100-jährigen Ernst Jünger bis zum neusten Kracht.

Wer sich am Wahltag ins Bett legt und nichts anderes tut als diese 240 Seiten zu lesen, wird den Tag nicht sinnvoller verbracht haben können.

Nachtrag1: Wer sich jetzt an die Arbeit macht, diesen Essay – wie sollte man es sonst nennen? – zu schreiben, bekommt von mir noch diese Unterstützung: „Ich ging langsam nach hinten. Als ich nahe genug ran war, konnte ich sehen, was er las. Thomas Mann. Der Zauberberg. – <Der hier hat ein Problem>, sagte er und hielt das Buch hoch. <Und zwar?> – <Er hält Langeweile für Kunst.>“ War Bukowskis Kommentar zum letzten Pulp-Roman in deutscher Sprache (Ausgeträumt, S.14).

Nachtrag2: Marcel Reich-Ranicki über Jörg Fauser, Klagenfurt 1984: http://www.youtube.com/watch?v=Dov06nMeiCU



SERVUS, BAYERN

Quelle: Gute-Nacht-Baiern.de