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WHILE THE RECORDING ENGINEER SLEEPS

ist nicht nur einer der besten Albumtitel aller Zeiten…

 staubgold 138  2015. cd . dl . lp

Staubgold proudly presents the first ever reissue of „While the recording engineer sleeps“, the first album by The Cocoon, recorded in 1985. The Cocoon was a kind of psychedelic supergroup featuring legendary figures of the German music scene of the 1960s, 1970s and 1980s: Gunter Hampel (vibraphone, piano, flute, bassclarinet, lead vocals), Jürgen Gleue (lead vocals, bass, guitar), Matthias Arfmann (guitar, bass organ, electric piano, lead vocals), Rüdiger Klose (drums, vocals) and Thomas Keyserling (flute, alto saxophone). Most songs were written by Hampel and Gleue with Gleue providing the lyrics.



ICH GEH EINFACH REIN

Neue Version der alten Geschichte aus Jesse James und andere Westerngedichte mit Christopher Kochs/dr und Bill Bley/b (von Hokum Drive) und Lou Thompson/steel und Norbert Crook/p (von Steve Train & His Bad Habits), live vom 22.5.

 



HIMMELWÄRTS

„Das erste offizielle Video zu Eric Pfeils neuem Album „Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss“ (VÖ: 29. Mai 2015, Trikont). Ein fröhliches Lied übers Sterben – nur geeignet für Menschen, die keine Angst vorm Tod haben.“

 trikont.de



WIE IMMER ÄUSSERST LESENSWERT

(falls man ein nicht ganz so naiver Musikhörer ist) die Nachrichten und Kulturkommentare des Konzertveranstalters und Journalisten Berthold Seeliger (dessen neues Buch I HAVE A STREAM im Juni bei Edition Tiamat erscheint). Hier ein besonders interessanter Punkt seines Newsletters (den Sie hier abonnieren können: bseliger.de):

„Eines der großen, legendären Festivals in Europa findet jedes Jahr in Glastonbury statt. Daß Rock-Fans nicht notwendigerweise weltoffen und kulturell neugierig sind, zeigte sich dieses Jahr, als die Festivalveranstalter einen der führenden HipHop-Künstler unserer Tage für das größte englische Festival verpflichtet hatten: Kanye West. Ein Aufschrei ging durch Großbritannien, Petitionen wurden geschrieben, es sei „eine Beleidigung für Musikfans in aller Welt“, daß Kanye West in Glastonbury auftreten dürfe, man solle ihn von der Liste streichen und durch eine Rockband ersetzen.
Rock-Fans können eben auch durchaus Reaktionäre sein, weiße Männer, die weiße Musik im Viervierteltakt hören wollen, ein Publikum wie Pegida mit zugehaltenen Ohren. Und so ergab auch eine Abstimmung auf „Spiegel Online“: 93,75% der Teilnehmer fanden, „West hat dort nichts verloren“, nur 6,25% sagten „Was soll das, laßt den Mann auf die Bühne“ (bei 15596 Gesamtbeteiligung, Stand 21.3.2015 12:19 Uhr).
Ach ja: das nach verkauften Tickets mit Abstand größte Rock-Event Deutschlands 2015 sind die vier Open-Airs, die die „Böhsen Onkelz“ auf dem Hockenheimring spielen. Der Veranstalter hat bereits 350.000 Tickets abgesetzt und rechnet mit 400.000 Zuschauern bei den vier Auftritten im Juni. Haben wir noch irgendwelche Fragen?“



O Lendário Chucrobillyman

macht Rockabilly-Garage von Outer Space aus bzw. Brasilien. Man kann im Leben so viel falsch machen, dass es zum Heulen ist, aber damit nichts: Lpcd Man-Monkey bei Offlabelrecords.de



DICHTER SAGEN

mal dies, mal das – und Dichtungskritiker sagen auch mal was. So sagte Deutschlands bekanntester Literaturkritiker, Denis Scheck, über den Dichtungspreisträger der Leipziger Buchmesse dies:

„Jan Wagner schreibt wunderbare Gedichte über so gegensätzliche Themen wie den Giersch im Garten oder Koalabären, außerdem besitzt er perfekte Umgangsformen und nutzt sein Dichtertum nicht als Ausrede für schlechtes Benehmen und mangelnde Körperhygiene. Was kann man von einem Lyriker mehr erwarten?“

Ich habe dann sofort überlegt, was man mehr erwarten könnte, aber mir ist dann auch nichts eingefallen. Dann habe ich mir den Mund mit Benzin ausgewaschen, aber dann ist mir immer noch nichts eingefallen. Dann habe ich mir eine Ausrede überlegt, warum mir nichts einfällt, aber dazu ist mir dann auch nichts eingefallen. Dann habe ich mich gefragt, wieso denkst du über diesen behämmerten Pisskram überhaupt nach? Aber eine Antwort ist mir dann auch nicht eingefallen.



A NIGHT FOR LOVERS, LOSERS & RAMBLERS

Freitag, 22.5. Donauwörth / Doubles 21h / www.doublesweb.de / Design: Illustrella.de

Steve Train & His Bad Habits bei offlabelrecords.de

Bild "steve_train_news.jpg"



NEUE ARBEITEN

von Christofer Kochs, flankiert von einem neuen 100 S.-Katalog: ab 21.5. in München/Galerie Heufelder, ab 30.5. in Bremen/Galerie Corona Unger und in Frankfurt noch bis 22.5. in der Galerie Tristan Lorenz.

Christofer Kochs, Seismograph, 2014, Öl und Lack auf Holz, 50 x 30 cm danach die stille 100x180cm, 2013.jpg Wenn er nicht mit der Kettensäge oder was auch immer arbeitet, ist er bei den Mufuti Four der Sänger, bei Hokum Drive jedoch, wie schon bei Beef Jerky, am Schlagzeug. Sein persönliches Erweckungserlebnis hatte er mit 21, als er bei einem Festival vor Curtis Mayfield spielte und ihm die Hand schüttelte. Maybe der Kick für eine Menge tolle Kunst. Hier die Weirdo-Variante: https://www.youtube.com/watch?v=rNWQodnczsU



DIE LETZTE TOURNEE

Zum Portrait von Guido Sieber schrieb ich für unseren Katalog Rock´n´Roll Fever 2010 dies:

B. B. KING (Abb. 83) war 1950 von Ike Turner entdeckt worden. Für ihn, wie für die meisten R&B-Künstler, die vom R&R nicht weggefegt wurden, bedeutete Erfolg harte Arbeit, genauer gesagt „an endless round of one-nighters in joints not much better than the country shacks in which he had startet out, culminating in 342 engagements in 1956 alone“, schreibt Peter Guralnick, und meint, der Cousin von Bukka White „introduced the blues to white America“ fast im Alleingang. Als Radio-DJ in Memphis hatte er zuerst gelernt, die Kulturen miteinander zu verbinden. Könnte sein, dass er im Moment einmal mehr eine „Abschiedstournee“ vorbereitet.

One Kind Favor (Grammy Award Winning CD) Indianola Mississippi Seeds Live In Cook County Jail

Mr. King passed peacefully in his sleep at 9:40 pm Pacific time May 14 2015 (bbking.com)



PAAR NOTIZEN POST GÜNTER GRASS

(erschienen in der jungen Welt vom 12.5.2015 mit dem Titel Ungeheuer oben)

Ich habe so mit achtzehn Die Blechtrommel gelesen, vermutlich weil ich gehört hatte, der Roman wäre nicht nur bedeutend, sondern skandalös. Ich las nie wieder ein Buch von Grass. Von Neuerscheinungen habe ich mal paar Seiten gelesen, weil man manchmal wissen will, wie der deutsche Topautor so schreibt; ich war immer desinteressiert bis fassungslos. Ereignisse wie Nobelpreis, SS-Geständnis, Israel-Gedicht bekam ich natürlich mit.

In dreißig Jahren Betriebszugehörigkeit habe ich eine Menge Schriftsteller kennengelernt. Egal, ob sie underground oder etabliert waren: ich kann mich nicht an eine einzige Stimme erinnern, die gesagt hätte, wenn´s drüber ging, wen von den Älteren man gut findet: Grass! Was mir seltsam vorkommt, wenn man sich die riesige Resonanz zu jedem Grassbuch oder nach seinem Tod ansieht. Sagen nur befreundete Autoren und Empfänger eines Grass-Stipendiums was Nettes? Und ist die irre Beachtung des Feuilletons nur ein besonders krasses Beispiel für die Kluft zwischen Literaten und Literaturverwaltung/-kritik? Keine Ahnung.

Warum ich´s nie schaffte, nochmal mehr Grass zu lesen, ist mit dem gesagt, was Gerhard Henschel zu dessen Autobiographie Beim Häuten der Zwiebel 2006 schrieb (nachzulesen in Henschels Sammlung Beim Zwiebeln des Häuters): „Als die Geschichte“ mit der Waffen-SS „an den Tag gekommen war, verfinsterte sich für leichtfertige Medienkonsumenten selbst die Aussicht auf ein grassfreies Viertelstündchen.“ Während Grass verkündete, „dass die Kontroverse für ihn selbst >existentiell bedrohliche Ausmaße angenommen< habe“. Kommentar Henschel: „Es gibt nicht viele Menschen auf Erden, die existentiell weniger bedroht sind als Günter Grass. Ungeheuer oben thronend aber greint er, sobald ihm jemand widerspricht, dass man ihn zu vernichten trachte.“

Und dann die Grass-Zitate, nur ein Beispiel: „Danach ist immer davor. Was wir Gegenwart nennen, dieses flüchtige Jetztjetztjetzt, wird stets von einem vergangenen Jetzt beschattet, so dass auch der Fluchtweg nach vorne, Zukunft genannt, nur auf Bleisohlen zu erlaufen ist.“ Henschel stimmt der Einschätzung von Eckhard Henscheid zu (die sich übrigens von der Jörg Fausers nicht unterscheidet), dass „ausgerechnet der altbackenste, penibelste, moralinhaltigste, vereinsmeierlichste, autoritätsfixierteste und ängstlichst hierarchiebedachteste Schriftsteller der zweiten Jahrhunderthälfte (…) als barock und berserkerhaft, als üppig und revoluzzig, als anarchisch und häretisch, in summa: als humoristisch fehlkatalogisiert wurde und mitunter noch wird …“ (Mitunter ist gut, sage ich heute.) Und Grass hatte auch noch Martin Walser als Verteidiger: „Der Mündigste aller Zeitgenossen kann sechzig Jahre lang nicht mitteilen, dass er ohne eigenes Zutun in die Waffen-SS geraten ist. Das wirft ein vernichtendes Licht auf unser Bewältigungsklima mit seinem normierten Denk- und Sprachgebrauch.“ Worum´s tatsächlich geht, erwähnt Henschel am Anfang: „In welcher Uniform er im Frühjahr 1945 herumgelaufen ist, wäre unerheblich, wenn er selbst bis zum Versand der Rezensionsexemplare kein Geheimnis daraus … gemacht hätte.“

Nicht bei Grass´ Tod, sondern nach dem Lesen von paar Nachrufen erinnerte ich mich ganz vage an Geschichten, von denen da nichts erwähnt wurde und dachte, da suchst du mal rum. Hätte ich wohl nicht tun müssen, wenn ich die von Klaus Bittermann herausgegebene Sammlung Literatur als Qual und Gequalle. Über den Kulturbetriebsintriganten Günter Grass. Unser Ständchen zum 80. Geburtstag kennen würde. War da nicht was mit Heinar Kipphardt? Der im Verlagstext zu diesem Anti-Grass-Buch so zitiert wird: G.G. sei einer, „der mit der SPD in alle Arschlöcher kriecht, in das des Papstes inklusive“. Hart, aber warum?

Auf der Webseite der Münchner Kammerspiele ist der Fall dokumentiert (http://100mk.de/dra_dra.html): 1971 wurde dort das Biermann-Stück Dra-Dra aufgeführt; die „Drachentöterparabel handelt von einem furchterregenden Drachen, der das ganze Land arm frisst und das Volk terrorisiert“. Chefdramaturg Heinar Kipphardt war für das Programmheft presserechtlich verantwortlich, in dem Dramaturg H. und Regie-Assistent G. „24 Fotos von westdeutschen Machthabern aus Wirtschaft, Politik und Publizistik als symbolische Drachen“ abbilden wollten, darunter Münchens SPD-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel. Diese Idee wurde jedoch „aus juristischen Bedenken“ nicht ausgeführt – und kam dennoch an die Öffentlichkeit, zum Bürgermeister, zu Grass, der zum Hauptredner der folgenden Debatte wurde. „Am Ende wurde Kipphardts Vertrag mit den Kammerspielen vom Münchner Kulturausschuss nicht verlängert, obwohl August Everding (damals Generalintendant, A.d.V.) ihn gerne in seinem Haus behalten hätte. Die Drachen spielten ihre Macht aus. Der Denunziant ist bis heute nicht bekannt. Kipphardt musste unter großem Protest des Ensembles und von Kollegen die Kammerspiele verlassen.“

Kipphardt hatte in der Debatte geschrieben: „Jemand könnte fragen: Wenn nun diese gemeingefährliche Bekanntgabe von Kapitalmacht und deren Interessenvertretung glücklicherweise gar nicht veröffentlicht wurde, warum veröffentlichte das dann Günter Grass, und wieso hat er gekannt, was nicht erschienen ist?“ Laut Spiegel 22/1971 hatte Grass in der Süddeutschen Zeitung geschrieben: „Mein Schriftstellerkollege Heinar Kipphardt (…) ist unter die Hexenjäger gegangen“, er sei „dumm und gemeingefährlich“ und „ein Denunziant“, der „schlimmste deutsche Tradition“ fortsetze. Grass machte damit „etwas existent, das zuvor nicht existierte“, hieß es im Spiegel – etwas, das nicht existierte, interpretierte Hans-Jochen Vogel als Aufforderung „zur Ermordung des Oberbürgermeisters“. Ist lange her (und es war noch lang hin bis zu Grass´ SS-Outing), jedoch: „bis heute etwa behauptet Günter Grass wider besseres Wissen, dass Kipphardt Anfang der 70er Jahre zur Ermordung von SPD-Politikern aufgefordert habe“, schrieb Jörg Sundermaier in der taz vom 30.3.2013.

Ich hatte noch eine (womöglich verdrehte) Erinnerung: war da nicht was mit dem Zeichner Ernst Kahl? Hatte er den (sicher unterschätzten) Künstler bzw. Aquarellisten Grass nicht mal parodiert? Ich machte mich an die Arbeit, in meiner mies geordneten Bibliothek nach Kahl-Veröffentlichungen zu suchen. Kam einiges raus; und dass ich die S.3 von Konkret, die jahrelang ein Kahl-Werk brachte, jahrelang kopiert und gesammelt habe (ha, du hast deine Freizeit gelegentlich sinnvoll genutzt!). Schließlich, als ich schon dachte, okay, dein Gedächtnis kannste jetzt langsam auch vergessen, konnte ich mich mit dem Katalog Kahlschläge von 1991 beruhigen.

Auf S.104 präsentiert Ernst Kahl den „Volkshochschulkurs >Zeichnen wie G. Grass in Kalkutta<„: Das erste von sechs Panels ist ein Zeitungsfoto: auf dem Schoß einer Madonna-ähnlichen Frau sitzt ein sichtlich halbverhungertes Kind, auf dessen Kopf ihre schützenden Hände liegen. Darunter beginnt der Zeichenschule-Text: „Nicht jede(r) hat Zeit, bzw Geld, sich vor Ort ein Bild zu machen. Ihr (ihm) sei empfohlen, eine Vorlage aus der Zeitung zu benutzen.“ Dieses Foto wird im zweiten Panel mit den ersten Strichen nachgemalt: „Wir beginnen mit der zarten Umrisszeichnung auf handgeschöpftem Bütten. Dazu verwenden wir den Stift mit Rattenkötelmine … “ Mit jedem Panel wird das Bild sozusagen fertiger, bis am Ende ein Aquarell á la Grass, das obendrein Geschriebenes enthält, vollendet ist: „Um Papier zu sparen und um dem Ganzen formalen Halt zu geben, schreiben wir uns unsere Betroffenheit von der Seele direkt in´s Bild. Nun geben wir es in einen schlichten Goldrahmen und lassen´s etwas ziehen. Fertig!“

Ich habe Günter Grass literarisch nicht das geringste zu verdanken, aber ich bin ihm dankbar, dass ich jetzt mal wieder einen glücklichen Nachmittag mit Ernst Kahl verbringen durfte.

Deshalb möchte ich zum versöhnlichen Abschluss, für wen auch immer, erwähnen, dass ich einmal an meiner literarischen Einschätzung von Günter Grass für Sekunden gezweifelt habe. In der umfangreichen Darstellung Die Beat Generation von Steven Watson ist auf S.295 diese Liste von ca. 1963 kommentarlos abgedruckt: „Die Neon-Revolution, laut Ken Kesey: Lenny Bruce, William Burroughs, Ornette Coleman, Günter Grass, Anna Halprin, Wally Hedrick, Joseph Heller, New-Wave-Filmemacher, John Rechy“.

Darauf einen Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“