Alle Artikel dieses Autors

BEST OF MUNIC

im Import Export, Dachauer Str. 114: Do. 01.02.2018 LeRoy & ANGELA AUX & Belp

LeRoy _Angela_Aux_freiEinlass: 20:30 Beginn 21:00 h  Eintritt: 8 €
„Ein Musikprojekt wie ein Sandkasten. LeRoy und Angela Aux buddeln sich durch die Genres und Dekaden, ohne dass die Zeit vergeht. Haben sie ein Loch gegraben, brauchst du dich nur einmal umzudrehen, und du findest den ganzen Sand hinter dir frisch aufgeschaufelt … ein Spiel ohne Grenzen. Das Format ist auf den ersten Blick klar überschaubar abgesteckt: Eight-Tracker-Blues, Kassetten-Sinfonien. Jeder Song ein anrüchiges Einzelbild. Tijuana Bible? Auf jeden Fall Schmuggelware. Bluesie. Diese Band ist bluesie. Rip-Off-Presser vom Vierspurband. Musik in einem Zelt, in dem die Zeit vor- und rückläuft. Freewheelin‘ durch die Zeiten driften … mit dem knatternden Bass von Something’s Goin Down so richtig auf Grund gehen. Den Grund finden wir im Arbeitstitel: eine Hymne auf das Grundeinkommen! Aufwiederhören: Comicstrip–Stimmen, die klingen wie die Freak Brothers, Donald Duck und Little Orphan Annie. Und dann wieder dieser eine Track. War es Jungle Tune? Diese göttliche Schleife. Helium, lass rieseln, lass sandeln … Popcorn!

Belp
„A dub label, from all places in the world, Munich…“ it was said in 2013 when BELP started the JAHMONI label project, and he adds: „… prior to that Munich had a crisis for at least a decade or so with people constantly moving to Berlin and leaving behind a backwards-oriented mainstream culture hanging on to Munich’s old disco days with little international relevancy.“
„In recent years UK Bass has become a real thing tho, as we see lots of young people getting together in small collectives making stuff happen DIY-style. It actually fits very well with Munich as a counter-culture to the conservative & posh surface. Right now we have this phase where little groups actively reach out trying to find like-minded people in this 2 million urban area – as things were previously hidden away deep in the underground – trying to further establish a small but growing UK Bass scene, putting Munich back on the map.“

„Sound-wise it can be said that the flavor of UK Bass coming from Munich is a bit more surreal, dreamy, experimental & flow-oriented, perhaps touching on the city’s krautrock heritage a bit…“ BELP has a rather unusual mix aesthetic giving little nods to things like noise, drone and glitch while keeping with some idea of afro-futurism and tribal spiritualism. A split 10″ with Top Shotta from Ruffhouse Munich and a full 12″ Album will be released by BELP this year.“

Kontakt



NICHT ZU VERGESSEN

ist heute der 55. Todestag von Franz Jung. Und heute vor fünf Jahren schrieb der viel zu früh verstorbene Lutz Schulenburg von Edition Nautilus, mein erster Verleger und der des Gesamtwerks von Franz Jung (1888-1963), eine Würdigung in der jungen Welt:

„… Wichtigkeit und Bedeutung sind Verabredungen. Franz Jung ist nicht der einzige, der aus der Literaturgeschichte hinausgesäubert wurde. Er wurde zu einer Randfigur gemacht, verschwand als ‚Rimbaudfigur‘ in den Fußnoten (…) Er war ein konsequenter Revolutionär – und dies nicht allein auf künstlerischem Gebiet. Dies ist, was die Professoren und Bürokraten des Literaturbetriebs in Alarmbereitschaft versetzte. Aber das Verdrängte kehrt stets zurück…“ – (und liegt in 10 Bänden und einigen Ergänzungen vor). – „Franz Jung war Schriftsteller, Wirtschaftsanalytiker, Agitator, Schiffsentführer; hatte verschiedene Pässe, Tarnadressen, staubige Büros. Sein Leben bestand aus Untertauchen, Flucht, Gefängniszellen – vier Frauen, drei Kindern und einigen verbeulten Pappkoffern. Geschrieben hat er 30 Bücher, fast ein Dutzend Theaterstücke … „

Das Trottelbuch Der Weg nach unten Debut & Finale / Edition-Nautilus.de

Franz JungFranz Jung, 1888 in Neiße, Oberschlesien, geboren. Börsenjournalist, Bohémien, Expressionist, Wirtschaftsanalytiker und revolutionärer Aktivist. Mitarbeiter der Aktion von Franz Pfemfert und des Malik-Verlags; Autor von expressionistischen und sozialkritischen Romanen und Erzählungen, schreibt für Piscator Theaterstücke. Mitinitiator der Dada-Bewegung, Teilnahme an den revolutionären Kämpfen nach 1918 und an der Entführung eines Schiffes nach Rußland. In der frühen Sowjetunion als Organisator der Hungerhilfe sowie im Wirtschaftssektor tätig. Nach 1933 von den Nazis verhaftet, illegale Tätigkeit in Genf, Wien und Budapest. 1944 Flucht nach Italien. 1947 Emigration in die USA, arbeitet in New York und San Francisco als Wirtschaftsjournalist. Ende der fünfziger Jahre Rückkehr nach Europa. 1961 erscheint erstmalig seine Autobiographie. Jung stirbt 1963 in Stuttgart.“

»Jungs Leben und Werk sind bestimmt davon, beharrlich von neuem zu beginnen, zu stürzen und aus dem Sturz neue Kraft zu gewinnen, ein beharrlicher ›Weg nach unten‹: vom gefeierten expressionistischen Autor zum verstörenden Revolutionär und schließich zum von der Literaturgeschichtsschreibung Vergessenen – und zum Glück immer wieder neu zu Entdeckenden.« Jonas Engelmann, Jungle World

»›Das Trottelbuch‹, Jungs erstes Buch, erschien 1912. Lutz Schulenburg und Hanna Mittelstädt von der Edition Nautilus haben zum 50. Todestag eine schmucke Ausgabe des frühexpressionistischen Werks herausgebracht. Sexualisierte junge Frauen, durch Alkohol brutalisierte Typen in sadomasochistisch aufeinander bezogenen Abhängigkeitsverhältnissen gehen sich an die Gurgel, schlagen sich ins Gesicht und wissen nicht, ob aus Liebe oder Hass.« Jürgen Holwein, Stuttgarter Nachrichten



KAFKA UND ICH

Wie fast immer können sich die besser gestellten, inklusive der renommierten deutschen Tageszeitungen von der Samstagsausgabe der jungen Welt eine (dicke) Scheibe abschneiden, speziell was den Kulturteil mit der Wochenendbeilage „faulheit & arbeit“ betrifft. Aktuell vertreten sind z.B. Wiglaf Droste (tägliche Kolumne), Beiträge zur „Philosophie der Revolution“ und zum neuen Album von Textor & Renz (von Christof Meueler), ein Nachruf auf Christian Burchard von Embryo (s. gestern hier), 2 Seiten über den Mitbegründer der kritischen Theorie Leo Löwenthal, 2 Seiten Interview mit Theaterregisseur Volker Lösch, wie jeden Samstag 2 Seiten Literatur (heute aus einem neuen Roman von Stefan Wimmer, Teil 1 von 3), der Cartoon von Rattelschneck, die einzigartige Film&Food-Kolumne „Pol & Pott“ von Ina Bösecke, und außerdem an jedem verdammten Samstag die Rubrik „Gedicht zeigen“, welches heute von mir gezeigt wird:

KAFKA UND ICH

Auch ich kenne

Den berühmten Satz von Kafka:

Im Kino gewesen. Geweint.

Bei mir war es neulich

Ein bisschen anders:

Im Theater gewesen. Eingeschlafen.

Es war nur ein Sekundenschlaf

Und ich dachte: Zum Heulen

Dass ich nirgendwo richtig schlafen kann.



VERDREHT (7)

Jajaja, ich weiß schon selber, dass es wahnsinnig original ist:

SCHLÄGER, DIE SIE KENNEN SOLLTEN!

Aber es ist halt doch wieder einmal ziemlich Fäsching.

Ich geh heuer als illegitimer und missratener Sohn von Bodo Strauß.



EINE GROSSE GESCHICHTE

ist mit dem Tod von Christian Burchard am 17. Januar, seit 1969 Soulman und Mastermind der Band Embryo, eine echte und internationale Legende, nicht beendet, hat aber einen langen Weg abgeschlossen.  Mitte der Achtziger hatte ich Christian oft getroffen, als wir mit einer Formation im Embryo-Haus herumprobten, aus der nichts wurde, mit einem blinden Schlagzeuger, der Blind Pete genannt wurde; an die anderen kann ich mich nicht erinnern, wie ich mich

40 2cd Retrospektive/Trikont.de

nicht an Petes richtigen Namen erinnern kann, falls ich ihn überhaupt kannte. Christian spielte nicht mit, kümmerte sich aber um Blind Pete und fragte immer nach, ob wir alles hätten, was wir brauchten, ein Kabel oder ein Bier. Er war eine Seele von Mensch. Wenn er mit Leuten spielte – und er spielte ja nicht nur mit Größen wie Mal Waldron oder Roman Bunka oder den Trommlern des Yoruba Dun Dun Orchestra, deren LP mein Freund Hubl Greiner 1985 in seinem Studio in Glashütte aufnahm (Schneeball 1043/12), wobei Yulius Golombeck Gitarre spielte, den ich etwas später in Dortmund oft getroffen habe – , die von seinen musikalischen Erfahrungen und Fähigkeiten sehr weit weg waren, was ich mehrmals erlebt habe, zum Beispiel bei einer Session mit Punks im Milbenzentrum, ließ er sie das nie spüren. Es war für Christian ein freundschaftliches Treffen, eine weitere Erfahrung und vor allem war Musikmachen eine Form von Verständigung. Er war ein idealer Bandleader (oder Regisseur), der mit den typischen Erscheinungs- und Sprachformen eines Bandleaders nichts zu tun hatte. Rest In Peace oder besser gesagt Gute Reise!

Der berühmte Dokumentarfilm von Werner Penzel:

Und eine Folge „Stadtgespräch“ mit Christian und Tochter Marja Burchard (die nicht nur seit Jahren bei Embryo spielt, sondern auch bei der Express Brass Band, die wiederum auf ihrem letzten Album Pluto kein Planet (ebenfalls auf Trikont wie Embryos It Do von 2016) Christians Embryo-Klassiker „Strasse nach Asien“ interpretiert mit ihm als Gast an den Keyboards), mit ein paar Minuten sehr interessanten historischen Bildern am Anfang:

https://www.muenchen.tv/mediathek/video/embryo-jazzrock-band/

Im ausführlichen Booklet zu Embryo 40 hat Christoph Wagner auch einige besonders treffende Aussagen von Ex-Franz Ferdinand Nick McCarthy zitiert: „Embryo – das war extrem harte Arbeit, echte Musik, viel Improvisation, keine Noten. Der Standard extrem hoch. Als ich dazukam, spielten sie diese extrem schwierigen Stücke aus Indien, der Türkei und Marokko (…) Ich war geschockt, hab´ überhaupt nichts gecheckt. (…) Embryo ist nicht so sehr ein Musikstil, als eine Haltung. Es geht um die ernsthafte Auseinandersetzung mit traditioneller Musik. Dahinter verbirgt sich ein soziales Anliegen: die Welt durch Musik zusammenbringen. (…) Viele junge Musiker aus München, meistens die besten, sind durch Embryo hindurchgegangen als eine Art Musikschule. Man lernt direkt auf der Bühne und hockt nicht die ganze Zeit im Übungsraum. (…) Christian Burchard ist der unglaublichste Musiker, den ich kenne: unglaubliches Können, unglaubliche Ohren. Der kann mit jedem mitspielen – sofort!“



ENDLICH WIEDER DROSTE

„Dies ist nun schon der 15. Band mit Kolumnen, Kritiken, feinen Beobachtungen und hymnischem Lob von Wiglaf Droste in der Edition Tiamat. Er ist unnachgiebig gegenüber politischen Hohlköpfen,

 Edition-tiamat.de

weshalb er Frauke Petry als »Mischung aus Schreckschraube und Schreckschusspistole« beschreibt und Beatrix von Storch als »aufgeblasene Ochsenfröschin«. Er entdeckt in Bamberg einen mysteriösen »Männerausverkauf«: »Es waren allerdings gar keine Männer zu sehen, jedenfalls nicht in der Auslage; aber vielleicht hinten, im Lager? Das wäre doch der perfekte Skandal: Männer werden in Lagern gehalten und aus- oder auch abverkauft!« Er beschreibt, wie er zu einer Jogginghose kam, der »Kapitulation der Zivilisation«, und wie er sie sogar anzog: »Der letzte Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle hätte sich nicht einsamer und unglücklicher fühlen können.«
Wiglaf Droste geht aufs Ganze. Kein Wunder, dass die Passauer Neue Presse konstatierte: »Lakonisch, irritierend, prügelhart, hochintelligent und punktgenau trifft Droste immer ins Schwarze.«“



EINE SCHÖNE HITPARADE

vom Zündfunk, mehr besser geht nicht  … „Bewertung: 4,87 von 5 bei 15

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/was-bayern-2017-musikalisch-drauf-hatte100.html



WARTEN AUF WUNDER

ist ein Roman von John Fante, Waitin´Around To Die ein Song von Townes Van Zandt. Beide Songs sind mir näher denn je. Zur Hölle damit, mein aktueller Song heißt Warten auf Blumberg …

314 Seiten ab Februar * www.songdog.at



WARUM ICH LIEBER ZUR HÖLLE FAHREN WÜRDE ALS JEMALS VON ULF POSCHARDT VERTEIDIGT ZU WERDEN

Diesen Kommentar habe ich am 9.1.2018 im Benno-Ohnesorg-Theater vorgetragen (mit der einleitenden Erwähnung, dass die anwesenden Kollegen Friedrich Ani und Ludwig Lugmeier wie ich rechtzeitig aus dem Wahlkreis 226 flüchten konnten):

DER TEUFEL KOMMT JETZT AUS DEM WAHLKREIS 226

Der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt aus Peißenberg, das mitten in seinem Wahlkreis 226 liegen muss, hat vor einigen Tagen in der Tageszeitung Die Welt einen „Essay“ (so wird das auf der Homepage der CSU-Landesgruppe genannt) veröffentlicht, der seitdem heftig diskutiert und vor allem zerlegt wird.

Titel: „Für eine bürgerliche Wende“, angebliche Lesezeit (das ist eine schöne Einrichtung auf Welt-Online): 9 Minuten. Da muss man sich aber schon ranhalten und sollte sich beim Lesen nicht fragen, ob es in Deutschland seit dem Krieg (ich meine den II.) jemals eine andere als eine bürgerliche Regierung gab. Bei dieser Lesezeit darf man sich gar nichts fragen, und wenn man sich dabei auch nur einmal und nur ganz flüchtig an der Nase kratzt, schafft man es nicht.

Der 47-jährige ehemalige Verkehrsminister und Diplom-Soziologe wusste natürlich, dass sein Titel „Für eine bürgerliche Wende“ die Frage aufwirft, ob auch seine letzte Tasse im Schrank schon einen Sprung hat, und deshalb meinte er was anderes – er fordert nämlich eine „konservative Revolution“.

Zitat: „Fünfzig Jahre nach 1968 wird es Zeit für eine bürgerlich konservative Wende in Deutschland. Linke Ideologien, sozialdemokratischer Etatismus und grüner Verbotismus hatten ihre Zeit. Der neue Islamismus attackiert Europas Freiheitsidee und Selbstverständnis und darf seine Zeit gar nicht erst bekommen. Darum formiert sich in Deutschland eine neue Bürgerlichkeit. Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger. Wir unterstützen diese Revolution und sind ihre Stimme in der Politik.“

Mich erinnert das zuerst daran, dass mein Vater, wenn Willy Brandt im Fernseher auftauchte (der übrigens auch im Wahlkreis 226 stand), immer „dieser Vaterlandsverräter“ brüllte, wahrscheinlich auch noch „der linke Dreckhund“ (wobei ich glaube, der „Dreckhund“ ist als Schimpfwort inzwischen nicht mehr geläufig). Ich will die Lesezeit hier im Moment nicht mit einer genauen Analyse allein dieses Abschnitts verschwenden – nur zwei Punkte: mit einem „grünen Verbotismus“ war´s offensichtlich nicht so schlimm, und „die linke Revolution der Eliten“ habe ich auch verschlafen – und auf diese also „folgt eine konservative Revolution der Bürger“, da ist sich Dobrindt ebenfalls ganz sicher, was mich auf die Idee bringt, der Mann könnte jetzt Innenminister werden wollen. Das wäre logisch: denn wenn die Bürger den Arsch nicht richtig hochkriegen, was ja mit dem Begriff Revolution zwingend verbunden ist, könnte er dann mit seinem Verfassungsschutz etwas nachhelfen. Was auch die Frage aufwirft, ob der Soziologe, der aus der Jungen Union kommt, jemals über den Unterschied zwischen Revolte und Revolution nachgedacht hat und ob er vielleicht die G20-Proteste als Aufstand bezeichnet, und ob er – noch etwas weitergedacht, soviel Lesezeit nehme ich mir jetzt, vielleicht ist das „sozialdemokratischer Etatismus“, ich habe keine Ahnung! – der Meinung ist, dass der Welt-Türkei-Korrespondent Deniz Yücel gut im Istanbuler Knast aufgehoben ist, was ja die Meinung von AfD-Leuten ist.

Der Historiker Volker Weiß, Autor des Bestsellers „Die autoritäre Revolte – Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“, hat sich durch den Dobrindt-Textdschungel geschlagen und beleuchtet im ZDF-Interview den Begriff „Konservative Revolution“: „Der Begriff der „konservativen Revolution“ ist historisch ja eindeutig bestimmt. Der gehört in die Vorgeschichte des Faschismus. Wenn Dobrindt nun damit hantiert, zeigt er deutlich, dass er sich den Wählerkreisen der AfD öffnen möchte, in denen diese Begriffe normal sind (…) Und es signalisiert auch die Bereitschaft, Politik im Stile eines Donald Trump, Viktor Orban oder Wladimir Putin zu führen. Das sind heutzutage nämlich die Träger der sogenannten „konservativen Revolution“. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass dieser Begriff lange einen festen Platz in der CSU hatte. Der Schöpfer des politischen Begriffes der „konservativen Revolution“ war Armin Mohler, und der war Berater von Franz Josef Strauß. Was Dobrindt sagt, ist also nicht neu.“

Und das gilt für den ganzen „Essay“ (so wird das auf der Homepage der CSU-Landesgruppe genannt), den man, wenn die Lesezeit abgekürzt werden muss, auf Dobrindts Lebensthemen runterbrechen könnte: a) der Schutz der deutschen Familie vor b) den 68ern. Allerdings hat Dobrindt sich noch nie so deutlich ausgedrückt und den Teufel 68 so groß an die Wand gestellt.

Übrigens ist sogar die Stelle im Text, für die Dobrindt in die Essay-Geschichte eingehen wird, nicht wirklich neu: „Deutschland ist nicht der Prenzlauer Berg“. Mit dem Nachsatz phantastisch ergänzt: „aber der Prenzlauer Berg bestimmt die öffentliche Debatte“. Schon in einem Interview 2013 hatte der Minister an dieser Theorie zu arbeiten angefangen, als er sagte: „Was modern ist, wird demokratisch bestimmt und nicht elitär. Die Modernität einer Gesellschaft ergibt sich aus den Lebensphilosophien der Mehrheit der Menschen und nicht einer Minderheit, wie sie beispielsweise im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg zu finden ist.“ Die Frage, ob der Peißenberger die Kreuzberger anstatt der Prenzlauerberger meinte, wird uns ebenfalls noch länger beschäftigen wie die Frage, wie er wohl zu seinem Soziologie-Diplom gekommen ist.

In der weitreichenden Dobrindt-Diskussion ist die Tatsache untergegangen, dass keine alte Sau die Welt liest (so nennen das im Wahlkreis 226 die Leute), und deshalb ging auch ziemlich unter, dass Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt dem Dobrindt selbst für ein Springer-Blatt besonders eifrig die Stange hielt. Poschardt war vor einigen Jahren Chef der Springer-Magazine Rolling Stone, MusikExpress und Metalhammer, und tatsächlich arbeitet er seit Jahren wie kein zweiter daran, Elemente der Popkultur nach rechts zu verschieben – könnte sein, dass er nicht nur ein Buch über den „Porsche 911“ geschrieben, sondern ihn etwas zu oft an die Wand gefahren hat.

Originalton Poschardt: „Alexander Dobrindt ist der Fritz Teufel unserer Zeit. 50 Jahre danach tritt ein CSU-Politiker das provokative Erbe der 68er an. Das empört vor allem jene, die sich als Gralshüter der Studentenrevolte verstehen (…) Wieder einmal geht ihm die Gesinnungslinke auf den Leim. Sie formiert sich freiwillig als eine Art publizistische Volksfront (…) Dobrindt ist ein Diskurspragmatiker der Mitte, der gerne mit den Linken spielt. Die reagieren wie die Spießer damals auf Fritz Teufel. Dabei ist der CSU-Politiker den 68ern in seiner Art des Aufruhrs näher als dem selbstgerechten Establishment.“

Die Springer-Presse schlägt wieder zu, könnte man daraus schließen, oder: Poschardt versucht Dobrindt im Abfeuern von Worthülsen, Verzerrungen und unsinnigen Behauptungen zu schlagen. Nach dieser Dobrindt-ist-der-Teufel-von-heute-Logik könnte ich auch behaupten, dass Dobrindt heute den Hitler macht, weil er sich in den letzten Jahren so vehement wie kein anderer für die Rechte von Autobahnen einsetzte.

Ich gehe nicht in die naheliegende Falle, zu sagen, dass nicht einmal ein Dobrindt diese Verteidigung verdient hat. Im Gegenteil: Wer, wie Dobrindt, behauptet, „die christlich-jüdische Glaubenstradition (formiere) eine Wertegemeinschaft des Abendlands“, sollte eine Weile in den Knast gesteckt werden. Es muss ja nicht in Istanbul sein.



SONDERSENDUNG

10 Jahre ARD Radio Tatort. | Bildquelle: Julia Charakter/Manuel Koch Sondersendung zum 10. Jahrestag: WDR mit Radio Bremen, MDR, BR, SR, hr, SWR, NDR, rbb * Der Jubiläumsfall: Paradise City * Im Januar feiert der ARD Radio Tatort sein Jubiläum mit einer zweistündigen Sondersendung. Und mit einem Großeinsatz aller Teams. Erstausstrahlung: 13.01.2018