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SOLIDARITÄT MIT ISRAEL

und kein Verständnis für die verdammte BDS-Kampagne und ihre Anhänger*innen (die sich anscheinend besonders gerne im Kulturbetrieb breitmachen) in den Beiträgen bei taz und anderen:

„Und in der progressiven Partywelt, die sich sonst so gerne und lautstark zum Nahostkonflikt äußert, um den einzigen jüdischen Staat der Welt zu dämonisieren? Die BDS-Hashtags teilt, Tel Aviv boykottiert, Israel „Pinkwashing“ vorwirft und israelische Künst­le­r*in­nen wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht buchen will? Die deutsche Technoclubs ins Visier nimmt, wenn diese als zu „proisraelisch“ empfunden werden? Ohrenbetäubendes Schweigen.“

https://taz.de/Schweigen-der-Club-Szene-zu-Hamas-Terror/!5962392/

„Im Tagesspiegel rekonstruiert Katrin Sohns den jüngsten Vorfall um Kuratoren der documenta 15, die auch ein Jahr nach ihrer Austragung für Schlagzeilen sorgt. Am Montag war bekannt geworden, dass Reza Afisina und Iswanto Hartono, beide Teil des indonesischen Kuratorenteams, ein Video geliket hatten, das feiernde Hamasfans auf der Berliner Sonnenanllee zeigt. „Wie die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) berichtet, wurde Jonas Dörge vom Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus auf die Likes aufmerksam und informierte den Hamburger Antisemitismusbeauftragten Stefan Hensel. (…)“ Auch der weitere Verlauf der Geschichte kommt einem aus dem letzten Jahr bekannt vor: „Inzwischen haben sich Afisina und Hartono öffentlich geäußert und ihre likes zurückgenommen. Wie die HNA berichtet, seien sie der Annahme gewesen, mit ihren Likes auf ein Video von einer Demo in Neukölln Ende September reagiert zu haben. Dies sei ein Fehler gewesen, so Afisina und Hartono. Sie distanzierten sich zudem von jeder Form der Gewalt.““

https://www.perlentaucher.de/efeu/2023-10-11.html

„Auch die Theaterszene findet kaum zu Solidaritätsbekundungen mit Israel. Die Gründe dafür liegen wohl in dem politischen Ballast, den der Nahostkonflikt automatisch aufruft, vermutet Janis el Bira in der nachtkritik: „Aber die Stille ist doch laut, mit der auch in weiten Teilen der Theaterszene dem Horror der vergangenen Tage begegnet oder vielmehr lieber nicht begegnet wird. Auf den Social-Media-Profilen der meisten großen Häuser jedenfalls scheint die Welt in Ordnung, oder wenigstens nicht schlechter dran als vor dem Wochenende. Ausgerechnet die Theater, die sonst groß sind in Solidaritätsbekundungen, im Mahnen und Einmischen (…)“

https://www.perlentaucher.de/efeu/2023-10-11.html



GRÜSS GOTT BAYERNLAND

= gute Nacht



DEUTSCHEN ALLES GESAGT

„Und im Westen? Da dachten wir, dass ihr froh seid, dass die ganze Welt euch Deutschen geholfen hat. Die Alliierten kamen und haben euch mit Bomben zu einer freien Presse überreden müssen. Ihr habt das vergessen. Aber ihr wart wirklich nur mit Bomben zu stoppen. Demokratie war noch nie euer Ding. Kunst, Freiheit, Juden. Wird euch immer alles schnell zuviel.“

(Die großartige Mely Kiyak Ende September in ihrer good-bye Gorki-Kolumne („Ich veröffentliche unten den Zeit Online Text, wo ich Abschied vom politischen Schreiben nehme“):

Es ist alles gesagt

 



VERKLAGEN ODER ABTRETEN

Wenn einem Politiker von einer Tageszeitung attestiert wird, dass er in einem kurzen Satz 3 Lügen verbreitet hat, muss er doch handeln: entweder die Zeitung verklagen oder abtreten. (Ist kein Widerspruch dazu, dass Friedrich Merz von der Linken-Politikerin Daphne Weber verklagt wurde).

nd: „Friedrich Merz sollte sich ernsthaft Gedanken machen, sein CDU-Parteibuch abzugeben. Schließlich drischt er Eins-a-Stammtischparolen, die auch ein Hubert Aiwanger im Bierzelt oder ein Björn Höcke beim gemütlichen Kaffeekränzchen mit seinen Nazi-Freunden nicht besser drauf haben.“

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176620.asylpolitik-friedrich-merz-ein-satz-drei-luegen.html?sstr=friedrich|merz

Da geht´s auch gegen die Merz-Typen:

München, 4.10., 18h Odeonsplatz: ZAMMREISSEN! BAYERN GEGEN RECHTS



IN ERINNERUNG AN BERT PAPENFUß

einen der größten Dichter der letzten fünfzig Jahre, der am 26. August im Alter von 67 Jahren verstorben ist:

Berlin, Fr. 6. Okt, 21.00 Uhr im großen Saal der Volksbühne:
„AN MIR SOLLS NICHT LIEGEN, ICH BIN NICHT TOTZUKRIEGEN“
Mit Volker Braun, Ann Cotten, Jan Faktor, Peter Geist, Annett Gröschner,
Bernd Jestram, Jürgen Kuttner, Ines Burdow, Guillaume Paoli, Thorwald Proll, Ron Winkler, Jürgen Schneider, Tone Avenstroup, Florian Neuner, Peter Wawerzinek, den Bands ORNAMENT UND VERBRECHEN, HERBST IN PEKING u.a.
Volksbühne: „Der Lyriker Bert Papenfuß wirkte anders, nicht durch Veröffentlichungen in großen Verlagen, dem Mainstream ergeben. Er ignorierte den Literaturbetrieb und fand in seinen Kneipen TORPEDOKÄFER, in der Tanzwirtschaft KAFFEE BURGER, in der Kulturspelunke RUMBALOTTE CONTINUA die Orte, Leute zusammen zu bringen und seine Gedichte und Texte zu verbreiten. Kleine, unabhängige Verlage passten gut, und er legte selbst Hand an, als Herausgeber der kulturpolitischen Zeitschriften SKLAVEN, GEGNER oder ABWÄRTS!In der Prenzlauer Berg Connection versammeln sich Nonkonforme, Linksalternative und manch Ungehorsame, eine Vereinigung von Dichter:innen, Musiker:innen, Maler:innen – Charaktere, die wie Papenfuß Ruhm, Geld und Ehre verweigerten. Ausnahmen inbegriffen.

Bert Papenfuß und ORNAMENT & VERBRECHEN z.B., traten mehrmals in der Volksbühne auf, sporadisch, alle paar Jahre. Doch bedeutet er mehr für das Haus am Fuße des Prenzlauer Bergs als ein willkommener Künstler zu sein. Seine Eigenheit, sich sowohl dem Lauf der sozialistischen als auch der kapitalistischen Weise zu verweigern, passte für dieses Theater. So ist es plausibel, dass aus dem Videoschnipselvortrag ein Abend für Bert Papenfuß wird, von Kuttner moderiert. Für alle, die ihn nicht vergessen werden und die ihn jetzt schon vermissen.“

Der Nachruf von Kai Pohl:

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175868.nachruf-bert-papenfuss-abend-ueber-daechern.html



ES IST DOCH WUNDERBAR

dass es in der Kriminalliteratur ein neues Genre gibt: „Gartenkrimi“. Weil Intelligenz mehr Platz braucht, hat jemand sauber nachgedacht. Ich bleibe dennoch im Bereich „Politik & Verbrechen“ und schreibe jetzt über volldeutsche Männer wie Merrz und Oiwanger. Weil sie noch mieser sind als ein Typ, der einem armen Opa alles klaut, bekommen sie kein Bar- und anderes Geld mehr und sind lebenslänglich in Zahnarztpraxen angekettet. Nächste Recherche:

4.10. München: 18h Odeonsplatz: Große Kundgebung

ZAMMREISSEN! BAYERN GEGEN RECHTS



7,5 VON ZEHN PUNKTEN!

bekommt das neue Album „Unten im Süden“ von A Million Mercies vom BR-Zündfunk. Das ist beachtlich, weil das neue von The National ebenfalls 7,5 bekommt, während das neue von Roosevelt nur 7,4 bekommt. Hier die Aussage zu diesem Hammer:

„Es gibt was Neues vom geschätzten Independent-Label Hausmusik und seinem Gründer Wolfgang Petters. Mit seinem Projekt A Million Mercies hat er jetzt Gedichte vertont. Und zwar vom Schriftsteller, DJ und Schauspieler Franz Dobler. Herausgekommen ist das Doppelalbum „Unten im Südem Westerngedichte & Weg zur Hölle. Während der Pandemie hat sich Wolfgang Petters jeden Samstag ein Franz Dobler Gedicht vorgenommen und in einen Song verwandelt. Das klingt oft nach Country, aber auch mal punkig oder New Wavig. Ein sympathisches Lo-Fi Projekt für alle, die ein Herz für Underdogs haben.“ (Die „Underdogs“ haben sicher 1 Punkt gekostet)

Hörenkaufen: https://amillionmercies.bandcamp.com/

Details im Gespräch+Titeltrack uva: https://www.youtube.com/@hausmusik3210

Live: München Optimal Record Shop 11.11.2023



BAYERN SCHAFFT SICH AB

ist der Titel eines sehr guten Essays von Ambros Waibel: „Die Gegend zwischen Lech und Inn war stets Projektionsfläche für Derbes und Zünftiges. Mit Söder und Aiwanger ist die Sache leider nicht mehr lustig.“

https://taz.de/Braune-Tradition-zwischen-Main-und-Alpen/!5956403/

Aber „mia gem ums varrecka need auf“ hatte schon Carl-Ludwig Reichert mit seiner Band Sparifankal ausgerufen. Carl-Ludwig ist Anfang September mit 77 verstorben, er hat als Dichter, Sänger und langjähriger BR-Popjournalist mich und viele geprägt und auf den Weg gebracht und wir werden die Erinnerung an ihn genau in diesem und seinem Sinn gegen den „braunen baaz“ hochhalten.

Der Nachruf von Christof Meueler:

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176197.rebellion-in-bayern-carl-ludwig-reichert-sie-nannten-es-ruebeln.html



ZUM KULTUR-KAHLSCHLAG DES BAYR RUNDFUNKS

hat Thomas von Steinaecker in der FAZ vom 19.9. einen weit ausholenden Protest veröffentlicht, den wir in voller Länge dokumentieren:

„Ein Gespenst geht um in den ­Radiosendern Deutschlands. Es heißt: der Hörer. Er ist der vorgebliche Grund, warum in den letzten Jahren in allen neun Sendern der ARD grundsätzliche Reformen an­gestoßen wurden, die sich momentan in unterschiedlichen Stadien der Umsetzung befinden. Aktuell sorgt die Ankündigung des Bayerischen Rundfunks einer „echten Kulturoffensive“ im Radioprogramm Bayern 2 für Aufregung, hinter der viele das genaue Gegenteil, nämlich einen „Kahlschlag“ befürchten. Keine unbegründete Sorge, betrachtet man die lange Liste von Sendungen, die ersatzlos gestrichen werden sollen: von „Diwan, das Büchermagazin“ über „Kinokultur“, „Jazz und Politik“ und das „Nachtstudio“ bis hin zum „Kulturjournal – Kritik. Dialog. Essay“.

Bemerkenswerterweise ist es bei all diesen Umstrukturierungen, ob nun bei HR, WDR oder eben jüngst BR, immer die Kultur, die den härtesten Kürzungen unterzogen wird. Im Jargon des BR-Kulturdirektors, Björn Wilhelm, heißt es dann, man wolle „noch mehr Hörerinnen und Hörer“ gewinnen, sprich: Bisher waren es ihm viel zu wenige. Und angesichts der Streichungen scheint das Vertrauen eines Kulturdirektors in das öffentliche Interesse an Lesungen, Kulturkritik und Essays, die länger als die magische Häppchenzeit von drei Minuten dreißig dauern, auch verschwindend gering zu sein.

Wie aber nur erreicht man den Hörer? Wie begeistert man ihn für mehr Kultur im Radio? Was will er? Wie sieht er aus? Ja, wer ist er überhaupt? Nur so viel scheint für Intendanten und Direktoren klar: Man muss ihm mehr entgegenkommen. Der zauberwortartige Begriff, der dann regelmäßig in diesem Zusammenhang in Programmplanungen fällt, lautet „niedrigschwellig“. Woher jedoch kommt eigentlich dieses auffallende Unbehagen an der Kultur? Und woher die Vorstellung, es einem Hörer recht und immer noch rechter zu machen?

„Das Volk, jedermann, hat sich gefälligst zur Kunst hinzubemühen“

Die Kultursendungen hierzulande traten mit einem Anspruch an, der sich nicht krasser von jenem, der von den ­aktuellen Programmverantwortlichen ins Feld geführt wird, unterscheiden könnte. An einem kühl-regnerischen Aprilabend des Jahres 1953 wurden die Hörerinnen und Hörer des Süddeutschen Rundfunks zu einer Zeit, die man heute als Primetime bezeichnen würde, mit den wenig einladenden Worten begrüßt: „Der Dichter, den wir in der nun folgenden halben Stunde vorstellen möchten, gehört nicht zu denen, die viel von sich reden machen.“ Es dauerte auch nicht lange, und man bekam eine Ahnung davon, warum. Der damalige no ­name Arno Schmidt las zunächst experimentelle Prosa, um dann vorsichtig-höflich vom Redakteur der Sen­dung, einem noch unbekannten ­Autor namens Martin Walser, darauf hingewiesen zu werden, dass das alles ja nun doch harter Tobak und recht unverständlich sei, worauf sein Gast trocken entgegnete, er halte nun mal nichts von dem Satz „Kunst dem Volke“, stattdessen: „Das Volk, jedermann, hat sich gefälligst zur Kunst hinzubemühen!“

Wirft man einen Blick zurück, auf jene Fünfzigerjahre, in denen das Radio noch Leitmedium und „jedermann“ mehr oder weniger gezwungen war, das zu hören, was ihm vorgesetzt wurde, stellt sich rasch ein Eindruck ein, für den die Begriffe „abgehoben“ oder „elitär“ noch fast zu schwach erscheinen. Besagter Arno Schmidt zeigte sich in Stundensendungen begeistert von obskuren Barockdichtern, und in „Radio-Essays“ baten die damaligen Redakteure, die Alfred Andersch, Hans Magnus Enzensberger und Helmut Heißenbüttel hießen, Kolleginnen und Kollegen wie Ingeborg Bachmann oder Heinrich Böll, in „Sprach­laboratorien“ über „geistige Probleme“ nachzudenken. Das „Abendstudio“ des Hessischen Rundfunks hatte das stolze Motto „Zumutung höchster Ansprüche“, und der NWDR leistete es sich, ein teures elektronisches Studio mit den modern­sten Apparaten auszustatten und Karlheinz Stockhausen für Avantgarde-Kompositionen ein ordentliches monat­liches Salär zu zahlen. Die Stücke wurden dann bei hauseigenen Festivals unter ­besten technischen Bedingungen auf ­geführt und in langen Sendungen nicht nur vor­gestellt, sondern eingehend analysiert.

Nicht selten zog das Reaktionen nach sich wie die nach der Ursendung eines der wichtigsten und immer noch schönsten Hörspiele der Geschichte, Günter Eichs „Träume“, das auf eine damals, 1951, unerhört experimentelle Weise akustisch surreale Welten entstehen ließ. Man solle doch diesen Eich bitte ein­sperren, so ein Hörer. Und im Übrigen: Wo man schon dabei sei, dieser Stockhausen (dessen Mutter von den Nazis euthanasiert wurde), der gehöre „vergast“. Die Redaktionen hielten trotz dieser prädigitalen Shitstorms an ihren Künstlern fest, ja, fast hat man den Eindruck, man verstand diese Empörung sogar als eine Art Bestätigung und Güte­siegel.

Ein Mittel zur Ausbildung kritischen Denkens

Es war die Hochzeit des Radios. Nach den Propagandaschlachten im Äther, in denen die BBC aufseiten der Alliierten federführend gewesen war, war nun dieser britische Sender das Vorbild für die Neugestaltung der Programme in der neuen Bundes­repu­blik. Und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Radiolandschaft hierzulande in den Fünfzigerjahren nicht nur zur kulturell anspruchsvollsten und vielfältigsten in Europa, sondern auf der Welt wurde. Deutschland wurde zum international einzigartigen Radioland.

Das erklärt sich vor allem aus der historisch einmaligen Situation. Nach dem Krieg und der behaupteten Stunde null beschloss die westliche Welt, die besiegte Nation einer kompletten geistigen Erneuerung zu unterziehen. Alle sozialen Schichten sollten erreicht und die Ideologien des Dritten Reichs aus den Köpfen vertrieben werden. Die Siegermächte, vor allem die USA, investierten sehr bald Un­summen in das, was sie Reeducation nannten. War doch klar: Es ging um nichts weniger als die Um- oder Neu-Erziehung eines ganzen Volkes, bei der der Verbreitung von Kultur eine essenzielle Rolle zufiel. Ja, Kultur, auch und insbesondere solche, die Widerstände hervorrief, das war nach den Jahren der totalitären Ideologie und dem damit ­verbundenen Populismus ein Mittel zur Ausbildung kritischen Denkens und der Demokratie. Dabei handelte es sich letztlich um eine Fortsetzung des Projekts der Aufklärung mit deren Idealen und Methoden.

Natürlich wäre es naiv, diesem Programm hehre Uneigennützigkeit zu un­terstellen. Zur Wahrheit gehört auch, dass das analysierende Argumentieren, das so etwas wie das kühle Herz dieser Sendungen ausmacht, oft mit schwer verdau­licher Trockenheit einherging. Humor oder Lebendigkeit des Vortrags gehörten, vorsichtig formuliert, nicht zu den Kernkompetenzen dieser Generation von Radiomachern. Und ja, wo wir dabei sind: Das alles war, eben zeittypisch, eine ziemlich misogyne Männerwirtschaft, die sich nicht selten durch Selbstgefälligkeit und Klüngelei auszeichnete. Und ­sicher: An manchen Stellen lief dieses Projekt der Aufklärung Gefahr, zu einem ­exklusiven Klub der Besserwisser zu werden. Von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit war man ohnehin noch entfernt.

Wir wollen überwältigt werden

Trotzdem: Dieser unschöne Begleit­akkord kann nicht den Kern dessen verdecken, was Kultur in der Gründungszeit der Bundesrepublik und seines Radios ausmachte und sich aus heutiger Sicht mit Begriffen belegen ließe, die aktuell bei Programmmachern mindestens ein Stirnrunzeln und Augenrollen hervor­rufen würden, darunter vor allem die Nummer eins auf einer imaginären Shitlist des Uncoolen: „intellektuell“. Intellektuell? Kanon? Bildung? Das Radio als kulturelle Anstalt zur Erziehung des Menschengeschlechts? Echt jetzt? Kann schon sein, dass manch einem da ein „Ist mir zu deep, Digga!“ auf der Zunge liegt.

Schaut man auf den aktuellen Zustand des Radios, stechen jedenfalls die Unterschiede umso deutlicher ins Auge. Nicht nur bei den Kulturprogrammen selbst. Wenn sich die Sender in Zukunft etwa bei Literaturkritiken aus einem einzigen, für die gesamte ARD errichteten „Regal“ bedienen sollen, wird im Großen an jenem Gefüge gerüttelt, das die Einzigartigkeit der Radiolandschaft hierzulande ausgemacht hat: die Vielfalt der Stimmen und Ansichten. Ein Buch, eine Meinung. Im Kleinen, in den Beiträgen selbst, gilt das Gebot der Stunde: Emotion sticht Analyse. Wir wollen überwältigt werden. Ich habe da ganz viel gespürt! Und was macht das jetzt mit dir? Wir, die wir mit unseren Rundfunkbeiträgen die Programme ermöglichen, sollen doch bitte selbst bestimmen, was wir hören wollen.

Im aktuellen Positionspapier des BR, die Antwort auf die breite öffentliche Kritik an der geplanten Reform des Kulturprogramms Bayern 2, heißt es, es seien ganz neue Formate geplant, traditionelle Literaturkritiken würden ersetzt durch Sendungen, in denen Hörer ihre Lieblingsbücher empfehlen – ein ziemlich altes Format, nebenbei bemerkt, das seit Jahren im „Tagesgespräch“ auf ­Bayern 2 vor den Sommerferien und vor Weihnachten gepflegt wird. Und was mag der Hörer so? Oder besser: der ­Hörer aus der Gruppe der legenden­umwoben ominösen und von allen Seiten auf anbiedernde Weise umworbenen postmateriellen und neoökologischen Millennials, die wohlgemerkt letztlich gegenüber den sogenannten Boomern den weitaus geringeren Teil der Hörer ausmachen? „Zumutung höchster Ansprüche“? Nein, gerade diesem Hörer einer jüngeren Generation darf offenbar nur wenig zugemutet werden. Er scheint nicht sonderlich intelligent, gebildet oder sonst irgendetwas, eigentlich sogar ziemlich faul, schwer von Begriff, ja höhlen­menschartig, vor allem interessiert an Essen, Schlafen und Sex. Er hat Angst vor Ansprüchen. Eventuell existiert er gar nicht.

Grundsätzlich und gefährlich

Aber vielleicht existiert er ja doch in naher Zukunft. Jedes Medium produziert seine Rezipienten. „Am Versiegen“ der „rationalisierenden Kraft der öffent­lichen Auseinandersetzungen“, schrieb einer der letzten alten Intellektuellen dieses Landes, Jürgen Habermas, 2022, „bemisst sich die politische Regression, in deren Sog seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts fast alle Demokratien des Westens geraten sind.“ Die Kulturprogramme des Radios sind dabei, genau jenen Wunsch- oder besser Albtraum­hörer Wirklichkeit werden zu lassen, der als selbst erschaffener Geist nun seit Jahren durch ihre Köpfe spukt. Dahinter ­offenbart sich eine paradoxe Unlust der Programmverantwortlichen am Radiomachen und eine Totalverweigerung ge­genüber jenem Kultur- und Bildungsauftrag, den der Rundfunkstaatsvertrag vorschreibt und der eine Finanzierung durch Gebühren rechtfertigt, in Abgrenzung zu den durch Werbeeinnahmen finanzierten privaten Sendern. Aber wen juckt schon so ein Vertrag? Bildung, wozu?

Am Kipppunkt in der Entwicklung eines trotz Fernsehen und Internet immer noch maßgeblichen ­Mediums kann es aber durchaus sinnvoll sein, auf seine Geschichte zu blicken. Es geht hier nicht nur um die mutwillig herbeigeführte Zerstörung des kulturellen Erbes dieses Landes, das über viele Jahrzehnte aufgebaut wurde. Es geht um viel Grundsätzlicheres und Gefährlicheres: Ohne Not wird hier Abschied genommen von der Idee, dass Komplexes, Herausforderndes, Nicht-sofort-Verständliches, Intellektuelles, ja Abseitiges notwendig für die geistige Entwicklung einer Gesellschaft ist – und dass ein Land, in dem dafür kaum noch Platz ist, auf jenen Punkt einer populistischen Katastrophe zusteuert, aus deren Trümmern das öffentlich-rechtliche Radio als Medium der Demokratisierung in den Fünfzigern seinen Ausgang nahm. Es fehlt nicht mehr viel. Und was macht das mit dir?

Thomas von Steinaecker, geboren 1977, ist Schriftsteller. Gerade erschien sein Roman „Die Privilegierten“ (S. Fischer). Er ist Mitinitiator des Künstlerprotestes gegen die geplante Kulturprogrammreform des BR.“



WEG ZUR HÖLLE

„Hier das Gespräch zwischen Franz Dobler und Wolfgang Petters zur neuen Platte von A Million Mercies Unten im Süden (Westerngedichte & Weg zur Hölle). Wolfgang Petters hat auf diesem Doppelalbum mit seinem Projekt A Million Mercies 22 Gedichte von Franz Dobler vertont. Das Cover hat Jim Avignon gestaltet und auf www.hausmusik.com kann man das wertvolle Teil ab dem 21.09. als Doppelvinyl bestellen.“ Gefilmt und geschnitten von Ricardo Molina, der schon die große „Hausmusik“-Dokumentation gemacht hat.

Beide live am 23.9. in Landsbergs Stadttheater beim „machen3“-Festival: A Million Mercies (Quartett!) mit Wolfgang Petters / Franz Dobler mit Das Hobos (plus Leichtmetall und Akte G)

 

: m a c h e n 3