Eingeladen bei „Augsburger Gespräche zu Literatur, Theater und Engagement 2024“, die seit 2018 unter dem Label des jährlichen Hohen Friedensfests veranstaltet werden, hatte ich auch einen Text zum diesjährigen Thema „Demokratie“ einzureichen und schrieb dies:
Merksatz Demokratie
Einen starken Satz über die Demokratie und ihren Killer, die Diktatur, bekam ich erstmals mit etwa acht Jahren zu hören. Ich verstand natürlich kaum was von dem ganzen Ausmaß, das in diesem Satz steckt; in dem neben der klaren Haltung schon viele Probleme angedeutet sind und der dennoch so prägnant und einfach ist, dass ich ihn mir sofort und für immer merken konnte.
Mit meinem Vater fuhr die ganze Familie einmal im Jahr in seine alte Heimat Niederösterreich und dann besuchten wir auch seinen alten Freund Hans. Sie kamen aus demselben Dorf, hatten alle Schuljahre nebeneinander gesessen und waren im Zweiten Weltkrieg Soldaten in der Wehrmacht. Mein Vater war aus dem Krieg (zumindest scheinbar) unverletzt zurückgekommen, der Hans nach einer Schussverletzung mit einem kaputten Bein, er konnte nur noch mühsam mit Krücken gehen.
Diese Männer waren in einem Weinanbaugebiet aufgewachsen. Wenn die Familien zusammensaßen, wurde viel Wein getrunken. Ich verfolgte das Gespräch der Männer, sie waren keine stillen Typen. Sie fingen immer mit ihren Schulgeschichten an und dann kamen der Krieg und die Nazizeit. Die Nazizeit beurteilten sie 25 Jahre danach unterschiedlich, und dabei ging es immer auch um die Frage, ob es gewisse Probleme von heute damals nicht gegeben hätte und ob denn damals absolut alles schlecht gewesen wäre … Die Diskussion wurde lauter. Wenn wir in oder vor einem Wirtshaus saßen, sagten die Frauen irgendwann, sie sollten jetzt aber mal wieder aufhören mit dieser Politik.
Früher oder später (laut oder lauter) sagte der Hans dann jedes Mal, als wäre es sein Schlachtruf: „Die schlechtestfunkionierende Demokratie ist mir immer noch lieber als die bestfunktionierende Diktatur!“
<<<
Bei Starfruit Publications erschien 2021 der 386 S. starke Sammelband „Ruiniert euch!“ mit Beiträgen der bisherigen Teilnehmer*innen der Gesprächsreihe (und einigen Autoren des Verlags, weshalb ich mit meinem Gedicht „Pasolini und ich“ dabei bin):
https://www.starfruit-publications.de/buecher/ruiniert-euch