STEVE TRAIN & HIS BAD HABITS

(Veröffentlicht in junge Welt v. 7.12.:)

ROCKABILLY ÜBERLEBT ALLE

In Berlin am 7.12. mit Steve Train & His Bad Habits

 Es war Rocko Schamoni, der vor einigen Jahren in einem Booklet verkündete: „Rockabilly ist das nächste große Ding!“ Dass er sich auskennt, wusste man seit Schlagern wie „Sex, Musik und Prügeleien“, doch die Vehemenz des Statements verblüffte. Oder war´s nur Rocko-Humor? Wie schon Miles Davis meinte: So what.

Sicher ist, dass Rockabilly den Superbruder Rock´n´Roll überlebt hat. Was wohl auch daran liegt, dass Rockabilly wenige dieser Megahits hatte, die das Genre Rock´n´Roll platt machten. Auf „Die Knaller der 50&60er“-Samplern findet sich kaum je ein Rockabilly-Klassiker, außer Carl Perkins´ „Blue Suede Shoes“ natürlich.

Im Grunde hat „Rockabilly´s Main Man“ Charlie Feathers alles dazu gesagt: Sowohl Rockabilly als auch Elvis waren nach Elvis´ ersten fünf Sun Records-Singles fertig. Dass der Raum hinter seiner Aussage allerdings riesig ist, sieht man schon daran, dass zu dem Zeitpunkt Feathers´ eigenes Werk gerade mal angedeutet war.

Rockabilly wurde/wird immer wieder ausgegraben und renoviert und wird alle überleben. Weil es eine offene, kompatible Form ist. In die sich jeder Ska-, Jazz-, Gypsy-, Country- oder versierte Popmusiker leicht einmischen kann. Das ist auch, aber auch gern mehr als eine Nostalgienummer; es ist Retromania, aber für manche eben eine Maschine, um weit zu reisen. Joe Strummer kann man dazu nicht mehr befragen, aber bei Konzerten von Jon Spencer oder Smokestack Lightning kriegt man´s mit.

Oder bei deren Freunden Steve Train & His Bad Habits  Freitagnacht im Berliner Bassy Cowboy Club. Wo man nicht nur zu ihrem so heißen wie eleganten Rockabilly abgehn wird, sondern auch eine gute Dosis Garagenbeat und Swingbilly bekommt. Anfang des Jahres erschien ihr erstes Album „The Lost Jack Rhodes Tapes“. Damit verbunden ist eine schöne Geschichte. Ich habe sie in den Liner Notes erzählt.

Diese Songs sind scheinbar vom Himmel gefallen. Vor vielen Jahren hat sie drüben in Texas Jack Rhodes (mit-)geschrieben. Für wen? Von mir aus vielleicht für diese Bayern, die man wegen ihrer schlechten Gewohnheiten zurecht die Texaner Germanys nennt, dachte sich Rhodes, die sollten endlich mal was Gutes tun! Dann warf er die Aufnahmen in die Luft. Eine riskante Methode: prompt wurden die meisten dieser neun Songs nie veröffentlicht. Ehe sie in der Ex-US-Militärbasis Augsburg in guten Händen landeten. Spielte keine Rolle, dass bei Jack Rhodes´ Tod 1968 keiner von Steve und seinen Freunden geboren war. Denn die wissen, was Webb Pierce einst gesagt hat: Good taste is timeless! Und Yessir, es wurden schon weniger seltsame Begebenheiten zu Wundern erklärt.

In Süddeutschland ist Steve Train als langjähriges Mitglied des DJ-Teams Go-Go-Club bekannt, und ich darf hinzufügen, dass die actionfreudige und äußerst musikinteressierte Rockabilly-Truppe im eher etwas dämlichen Augsburg eines der wenigen Highlights ist. Außerdem ist der gelernte Grafiker ein großer Plattenjäger von Geburt an. Und so entdeckte er eines Tages im Weltnetz, dass jemand Kartons mit Tonbändern aus Jack Rhodes´ Studio verscherbelte.

Train hatte kein Tonband, aber ´nen guten Instinkt. Zu der Zeit probierte der viel mehr gefragte als bühnengeile Sänger und Gitarrist mit Freunden ein bisschen rum, die sich als Band The Snaaake Charmers nennen, oder auch mal Howlin´ Max Messer oder Beef Jerky; in jedem Fall können sie dem Teufel beide Ohren abspielen. Um sie als seine Bad Habits zu rekrutieren, musste ihnen Steve nicht erklären, wer the fuck dieser Jack Rhodes war.

Der 1907 geborene Texaner ist heute ziemlich vergessen. Obwohl jeder was von ihm kennt. An der Spitze „A Satisfied Mind“, 1955 ein Nr.-1-Hit für Porter Wagoner, gecovert von Dylan bis Jonathan Richman und mit Cash in „Kill Bill 2“. Der ältere Herr konnte das neue Ding Rock´n´Roll nicht besonders leiden – und wurde einer der großen „Rockabilly Poets“. Er war eigentlich kein Musiker, sondern „Songwriter/Songplacer“ (Kevin Coffey), ein Geschäftsmann, der Songs schrieb, um sie zu verkaufen. Gene Vincent wurde sein wichtigster Abnehmer, zuerst mit „Woman Love“; nicht nur „Rock-n-Bones“ und „Action Packed“ wurden zu Klassikern.

Was Steve Train auf den Bändern mit ca. 150 Songs hörte und in hellste Aufregung versetzte, war dies: Rhodes hatte in seinem Studio nur Skizzen aufgenommen, um Plattenfirmen einen Eindruck vom Song zu vermitteln. Den man auch anders interpretieren konnte. Und genau das machen die Bad Habits, sie spielen es, mit angemessenem Respekt, so wie sie´s für richtig halten. Die meisten der Songs auf dem Album kamen sozusagen noch nie vom Band und so kann sich jetzt jeder davon überzeugen, dass Rhodes mehr Perlen als die Hits, oder was später auf die Compilations von Ace und Norton kam, geschrieben hat.

Und damit ist unsere Stunde schon wieder um – jetzt geht raus und spielt schön und streitet euch nicht. Und wage es niemand, vor Sonnenaufgang wieder daheim zu sein.

 Konzert: Berlin, 7.12. Bassy Cowboy Club 21h. LP/CD beim guten Händler. “Voodoo Love” auf Youtube

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