Die Einleitung zum Newsletter für das Neue Deutschland vom 31.3. ist schon so gut wie ein guter Artikel:
„Liebe Leser*innen, dieser Newsletter ist persönlich. Die Coronakrise kommt näher. „Bill“ war ein toller Professor, hat mir New York City gezeigt. Er liebte die Stadt, war ein Chronist des Straßenlebens. Am Samstag ist Wilhelm Helmreich an Covid19 gestorben. Er ist einer von über 700 Toten in der Stadt, die normalerweise wirklich niemals schläft und jetzt in Angst erstarrt ist, weil sie ein Epizentrum der Coronavirus-Pandemie geworden ist.
Es ist eine Stadt, in der jetzt Feldlazarette mit Zelten im Central Park gebaut werden und in der Krankenschwestern sich behelfsmäßig mit Mülltüten schützen, weil es nicht genug Schutzausrüstung gibt – und das Schlimmste kommt erst noch. Doch New York City ist auch eine Stadt der Resilienz, die New Yorker lassen sich nicht unterkriegen, reagieren mit Trotz auf Bedrohung von außen, rücken zusammen und helfen sich.
Keiner wusste das besser als Wilhelm Helmreich. Der Sohn schweizerischer Holocaustüberlebender schrieb Bücher über die jüdische Community in der Stadt und auch solche mit Titeln wie „Die dummen Dinge, die wir tun, und wie wir sie vermeiden können“. Vor allem aber war der Stadtsoziologe ein fitter Wanderer, lief in jahrelanger Kleinarbeit jede Straße der Stadt ab und interviewte Passanten über das, was sie bewegte. Keiner konnte das so geschickt wie er.
Das Ergebnis seines vierjährigen Fußmarsches über 6000 Meilen durch die Stadt war ein Buch mit dem Namen „The New York Nobody Knows“. Bill hatte diese verschmitzte Selbstironie vieler liberaler New Yorker Juden, war „street smart“ und er ermutigte uns „rauszugehen“ und durch die Stadt zu streifen. Er wurde 74 Jahre alt. Sein Spirit wird weiterleben in der Stadt aller Städte.