UND JETZT ABER WAGNER

Ohne den Wagnersound anyway faszinierend oder auch nur im Geringsten fucking erträglich zu finden, bin ich doch anscheinend – in dem Fall würde ich wirklich lieber „scheinbar“ verwenden können – auch von diesem Giganten des deutschen Erdbodens beeinflusst (geprägt wäre dann hoffentlich wohl doch zu stark). Also durchaus auch passend zur Zeit. Obwohl ich mich in der aktuellen Diskussion, man sollte Bayreuth nach Offenbach verlegen, noch zu keiner Meinung durchringen konnte. Denn schließlich ist ganz Deutschland ein Offenbach.

„Faschistisches Kabuki in Bayreuth“ ist der Titel des Texts von Harry Mulisch, ein Auszug aus seinem Buch „Die Zukunft von gestern. Betrachtungen über einen ungeschriebenen Roman“ (Edition Tiamat, 1995), der sich im Tiamat-Reader „Perlen & Trüffel. Eine kleine Reise durch 25 Jahre Verlagsgeschichte“ (erschienen 2004) findet. Beide Bücher schwer zu empfehlen.

Harry Mulisch: „Im August 1971 kam ich in Gesellschaft einiger Freunde zu den Festspielen. Ich fühlte mich wie ein Ethnologe, der ins Inland von Neuguinea gereist ist, um die letzten Überreste kannibalischer Rituale zu studieren. (…) Die achtzehnhundert Zuschauer wurden so still wie bei einer Totenfeier – mit dem Unterschied, daß es hier die Totschläger waren, die verstummten. Ich hätte gern gewußt, ob das Theater auch ausgereicht hätte, die Menschen zu fassen, die von den Anwesenden umgebracht worden waren. (…) Wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte, wäre es dort genauso gewesen, wie es jetzt ist – nur ohne mich und noch ein paar andere Menschen.“

Und selbst für die Ankündigung im Edition Tiamat-Katalog Herbst 2013 für mein neues Buch „The Boy named Sue. Aus den Memoiren eines zerstreuten Musikliebhabers“ kam ich ums Rumwagnerianern nicht rum:

„Ich würde mich in meinen dreckigsten Stiefeln auf den Schminktisch von jedem aus der Liga dieser von und zu Guttenbergs stellen und ihnen erklären, warum ich mich lieber im Schlamm zu den Gesängen von Woodstock wälzen würde, als an ihrem Arm durch die Hallen Bayreuths bis an den Rand des Orchestergrabens zu wandeln, obwohl mich auch das nicht glücklich machen würde.“

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