AUS DEM TAGEBUCH EINES ÜBEREIFRIGEN MUSIKSTUDENTEN (25)

Can und Heiner Müller – hätte ich nicht vermutet; auch nicht erhofft. Im September 1969 kams dazu, Zürich, Theater! Schon erstaunlich, dass der damals 40-jährige DDR-Mann Müller die West-Can mitbekommen hatte, die noch nicht mehr als Monster Movie veröffentlicht hatten (oder kannte er die obskure Single mit Rosy Rosy?, geradezu undenkbar).

„Can werden gebeten, die Musik für das Theaterstück ‚Prometheus‘ von Heiner Müller zu liefern, das drei Monate lang im Zürcher Schauspielhaus gespielt werden soll. Kurz vor der Premiere läßt der Regisseur seine ursprüngliche Idee einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Schauspielern und Musikern fallen und bittet Can, diskrete Hintergrundmusik zu spielen. Als Reaktion darauf treten die Musiker voller Wut auf die Bühne, und Malcolm Mooney schreit in sein Mikrophon: ‚Das Schauspielhaus ist Scheiße!‘ Anschließend spielen sie so laut, wie sie nur können. Später einigen sie sich mit dem Management des Theaters darauf, daß sie den Theatersaal nach der eigentlichen Aufführung für ein Freikonzert nutzen dürfen. An einigen Abenden ziehen Can ein größeres Publikum an als der ‚Prometheus‘. [Wird nicht klar, ob sie nun bei den Aufführungen dabei waren…] Außerdem wird ihnen gestattet, an einem Abend ein extralanges Konzert zu geben, das von sechs Uhr abends bis ein Uhr morgens dauert (…) Die Zürcher Lokalzeitung ‚Die Tat‘ kommentiert: ‚Diese Burschen sitzen auf hölzernen Stühlen und spielen elektrische Instrumente. Es wäre besser, wenn sie auf elektrischen Stühlen säßen und hölzerne Instrumente spielen würden.‘ Ein Zitat, das Can [verständlicherweise!] in der Zukunft für Promotionzwecke verwenden werden.“ (Bussy/Hall: Das Can Buch, Sonnentanz Verlag 1992)

Weil ich in einer dämlichen Kleinstadt wohnhaft bin, deren Kinos den Irmin Schmidt-Can-Dokfilm ignorieren (weil Lars Eidinger nicht mitspielt, okay, kann man nachvollziehen), und weil ich kürzlich ein großartiges Interview mit ihm las, und weil ich mit MegaCanFan Thomas Weber/Kammerflimmer Kollektief (auch und sogar) Can-Botschaften austausche, habe ich das Buch rausgezogen und geblättert und bin gleich auf diesen Glanzpunkt der Theatergeschichte gestoßen … Habe dann gleich Müllers Textsammlung Rotwelsch rausgezogen und geblättert und wieder auf den schönen Zufall gehofft, sowas wie: dass diese Can-Wessis vielleicht für miese Actionfilme wie Deadlock Musik machen können, aber fürs Theater nichts taugen … aber Essig, nix gefunden.

Ich gehe davon aus, dass der Ossi-Müller sein Leben lang gehofft hat, dass seine Can-Nummer vergessen wird, und er sollte recht behalten (siehe myself). Dass der vielseitig interessierte/informierte Theaterstar (und DJ, aber hallo, ich habe ihn erlebt ca. 10 Min.) Lars E. von Can garantiert mehr Ahnung hat als Irmin Schmidt selber, steht natürlich auf nem ganz anderen Blatt … (Idee ausbaun! the man who can not can-can oder son shit) – 14:23 „Ich schlüpfe in die bereitgestellten Filzpantoffeln. Eine Duftkerze flackert im Frühlingswind.“ (Dirk von Lowtzow) Zum Glück muss man sich nicht immer alles selber ausdenken – wenn man aus Büchern klaun kann, die man nicht gelesen haben will.

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