Ab heute auf Tournee durch Deutschland, Österreich, Schweiz! Der einzigartige jüdische Krimiautor, Countrysänger und Komiker! 15 Shows von Berlin (17.2.) über Landsberg (22.2.) bis Zürich (27.2.) und abschließend Graz (3.3.).
Hier die Erstveröffentlichung des Interviews, das ich am 2.5.2013 mit dem Texaner führen konnte – wem KF nichts sagt, der kann als Einführung meinen taz-Artikel vom 30.4.2013 lesen: http://www.taz.de/Kinky-Friedman-in-Deutschland/!115428/ Achtung: mit einem Fehler, wie sich im Interview herausstellte…
Ort: Mainz, Frankfurter Hof, Garderobe. Anwesend: Friedman, Dobler und Friedmans deutscher Verleger Klaus Bittermann (Edition Tiamat). Anlass: Friedmans einziges Konzert in Deutschland seit langem, zur Eröffnung des jüdischen Kulturfestivals „Hip im Exil“. Problem, 19h: Nicht mehr viel Zeit.
FD Ich war sehr überrascht, als ich von Ihrer langen Tournee hörte. Wie geht es Ihnen nach 30 Tagen auf Tour? Ich dachte, Sie wollten sowas nie wieder machen, nein?
KF Das habe ich noch nie gemacht, 30 Tage am Stück, ohne Offday. Jeden Tag in einer anderen Stadt, in 7 Ländern. Aber es war eine gute Veränderung und ich fühle mich jetzt stärker. Du fühlst dich stärker, wenn du überlebst.
Dann sind Sie stärker als je zuvor?
Ja, ich glaube.
Ich möchte sagen, Sie sehen aus wie 50, ehrlich, ich bin schockiert.
Das muss die Politik sein, das macht mich anscheinend jünger. Es scheint ein magisches Elixier zu sein.
Ich lese grade ein Buch über Punk und Judentum*, dazu möchte ich Sie was fragen. Ich war überrascht, wie groß der jüdische Einfluss in Punk war. Als Sie in New York lebten, waren Sie im CBGB´s und kannten Sie diese Szene in den 70-ern?
Ja, ich war da ein paar Mal, aber das war nicht meine Szene. Das war eher das Lone Star Café, Country Music. Diese Szenen liefen parallel ab. Ich kannte einige dieser Leute.
Sie kommen in diesem Buch nicht vor, aber es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Punk. Der Humor, Witze, das Auftreten. Ich dachte, das ist ziemlich ähnlich zu dem, was Sie mit Ihrer Band ein paar Jahre zuvor machten. Die Methoden, um zu provozieren.
Sie haben meinen Act geklaut.
Wollten Sie damals provozieren? Für mich sieht es so aus: Sie hatten einerseits ein Herz für Countrymusik, andererseits wollten Sie diese Leute schockieren.
Das ist schon eine Weile her. Ich glaube, ursprünglich wollte ich die Wahrheit zum Ausdruck bringen. You know, people´s motivations don´t matter, es kommt meistens nicht das raus, was sich jemand vorgenommen hat. The great american novel wird höchstwahrscheinlich nicht von jemandem geschrieben, der sich das vorgenommen hat. Ich glaube, ich wollte nicht bewusst schockieren, sondern das kam ganz natürlich durch die Kombination Cowboy und Jude und die Songs, die daraus entstanden. Ich habe einige echte Countrysongs geschrieben, die vielleicht Hits geworden wären, wenn es da nicht auch noch das andere Zeug gegeben hätte.
Der El Paso-Song zum Beispiel**. Stimmt es, dass es gefährlich war, ihn zu spielen?
Als wir das in den 70-ern spielten, haben viele Leute das nicht verstanden. Ich glaube, es ist so wie mit „Huckleberry Finn“, auf der linken wie auf der rechten Seite gibt es Leute, die es nicht mögen. Es bleiben also die Leute in der Mitte. Links und rechts sind die Leute, who want it banned. I think the country music people did not like the lyrics and ideas, and the people who did like the lyrics, who understood them, they did´nt like country music. And we were country, wir waren eine gute Countryband, wo es auch um cheatin´ and drinkin´ ging.
Soweit ich in den Dokumentationen gesehen habe, war es auch eine Art Freakshow, die für Country vollkommen untypisch war. Wie die Village People der Countrymusik.
Die Village People hatten einige größere Hits als wir. Und bei ihnen ging´s doch eher nur um Spaß. Sie haben nicht sowas wie „Ride ´em Jewboy“ (über den Holocaust) geschrieben oder „Sold American“ oder „Rapid City, South Dakota“ oder „Wild Man From Borneo“. Wahrscheinlich hätte man uns mehr beachtet, wenn ich ein mehr seriöser Songwriter gewesen wäre, wenn ich mich selbst ernster genommen hätte und nicht so sehr diese ganze jüdische Sache. Aber wenn ich das getan hätte, dann wäre das alles (er macht eine Geste, die seine Person, das Werk, sein ganzes Leben umfasst) vermutlich nie passiert. Aber wenn man sich schon mal Kinky Friedman nennt, dann geht es ja nicht anders. Als ich als Governeur kandidierte: bei Google kam ich an erster Stelle, aber dann kam sofort der ganze „Kinky“-Sexkram. Wenn du es heute eingibst, wird „kinky sex“ ganz oben sein. Sollte ich wieder kandidieren, geht’s auch um das wieder, you know, that´s a real stupid thing, you know, Hemingway sagte „der Ruhm ist die kleine Schwester des Todes”, fame is really stupid. Wenn jemand so berühmt ist wie Justin Bieber…
Haben Sie gelernt, damit klarzukommen, mit diesem Ruhm?
Ich glaube nicht, dass ich jemals genug Ruhm gehabt habe, ich bin bereit für mehr. Nein, that doesn´t bother me. Nein, ich bin da nicht hinterher, so wie es bei mir ist, ist es ein Spaß, I think I can handle it. Die eigentliche Frage wäre, könnte ich damit umgehen, wenn ich Governeur wäre, you know, could I handle winning? You know, anybody can handle losing, failure is easy. Wenn du es schaffst, oft genug zu verlieren, dann wirst du eine Legende.
Sind Sie eigentlich immer noch Politiker, heute, wie Sie hier bei uns sitzen? Oder Ex-Politiker?
Die Frage ist, ob ich je einer war. Ich glaube, ich war nie ein Politiker. Auch nicht geeignet, as I talk too much. (Womit wohl eher „Klappe zu weit aufreißen“ gemeint ist).
Aber Sie haben sich sehr bemüht, einer zu werden, oder?
Ja, I tried to win. Aber nicht bemüht, einer zu sein. Wenn Sie es als Unabhängiger versuchen, you know, selbst Jesus Christus hätte in Texas verloren, wenn er als Independent kandidiert hätte. Man würde es in 164 Jahren nicht schaffen. Vor so vielen Jahren war Sam Houston der letzte, der es geschafft hat.
Wenn Sie die Wahl gewonnen hätten, hätten Sie dann ernsthaft den Governeursjob gemacht?
Ja. Sicher anders als der Typ, den wir zur Zeit haben. Er ist sehr scheinheilig, in allen Dingen ernsthaft, geht immer den leichten Weg, und jeder kennt ihn: (er ruft ihn aus) Rick Perry ist sein Name!
Was mich überrascht hat: als er (für die Republikaner) Präsident werden wollte…
Das war ein Witz, das hat jeder gesagt.
Aber haben Sie ihn (seinen politischen Gegner bei den vorausgegangenen Gouverneurswahlen) dann tatsächlich unterstützt, wie ich gelesen habe?
No, that never happened.
Oh!
That´s the internet.
Nein! Ich war total überrascht…
Das ist eine Erfindung des Internets. Wenn es im Internet steht, it must be true. That´s not true, it was on the internet.
Das Statement, das ich gelesen habe, lautet: Sie würden Rick Perry unterstützen und Sie würden sogar einen Präsidenten Charlie Sheen Obama vorziehen.
Das zweite stimmt, I like Charlie Sheen.
Ich auch. Aber Sie haben niemals Rick Perry unterstützt.
Nein. Ich habe nie für Rick Perry getrommelt. Er sagte in der Tonight Show, ich würde ihn unterstützen, but that´s not true.
(Zwischenruf der Tourmanagerin: Er soll zum Bücherstand kommen, wenn das Interview beendet ist.)
Ok, ich unterschreibe alles, wenn´s kein übles Gesetz ist. Also, was noch?
Ich muss gestehen, dass ich das mit Perry geschrieben habe, I´m sorry.
You know, I don´t hate Rick Perry, er ist ein sympathischer Kerl, I like him.*** Er war ein schwacher Gouverneur, und selbst wenn er ein starker gewesen ware, you know, alles, was ein Gouverneur machen kann, ist, Angelegenheiten ganz oben auf die Agenda zu setzen. Für Rick Perry hat das Bildungswesen keinerlei Bedeutung, er kümmert sich nicht um die Lehrer. What he cares about is big business in Texas. He likes riding in a big limousine.
Sie waren gegen professionelle Politiker.
Er ist so lange im Amt und er war nie etwas anderes als ein Politiker. Sein ganzes Leben lang. Das ist keine gute Voraussetzung. Die besten Leute gehen nicht in die Politik. Manchmal frage ich mich , why the hell I am doing it? Ich glaube, damit junge Leute mal jemanden haben, zu dem sie aufsehen können, mit Respekt, denn so jemand ist nicht da. Ich kann in der ganzen Welt kein Land entdecken, das einen Winston Churchill hätte, oder einen JFK (John F. Kennedy), do you? You know, Will Rogers hatte recht: die größten Komiker von allen sind diese Politiker. Denn jedes Mal, wenn sie ein Gesetz rausbringen, wird ein Witz daraus, und wenn sie einen Witz machen, wird ein Gesetz daraus, that´s a problem.
Das ist es, was wir hier nicht haben: jemanden wie Sie.
Was die Leute in Texas früher sagten, war: was immer zur Hölle wir tun wollen, das tun wir. Und heute sagen sie: where do we go to give up. Wir sind so frustriert von diesen Politikern, und diese Typen sind schon so lange dran, 22 Jahre, seit Ann Richards, alles Republikaner. Es ist Zeit, dass sich das …
Und möchten Sie weitermachen?
Ich habe noch einen Versuch („one more shot“), eine Frage des Alters, dann bin ich zu alt, ich bin 68. Wenn es Sam Houston mit 71 geschafft hat, dann kann ich es mit 68 versuchen. You know, das schlimmste, was passieren kann ist, dass sie dich einen Rassisten nennen, dass sie dich einen Komiker nennen. Aber mit diesen Sachen kann ich umgehen, egal, was ihnen einfällt. Wir werden sehen.
Ist das ein Statement? Sie versuchen weiterhin Gouverneur zu werden?
Ja. Wenn ich nach Hause komme, habe ich eine Woche, um den Antrag für die Kandidatur abzugeben. You know, I wanna be a happy warrior. Es gab da diesen Mann, der zu mir gesagt hat: Kinky, ich habe dich respektiert, aber jetzt willst du Marihuana legalisieren? Oder was auch immer, Leute aus dem Gefängnis freilassen … That´s gonna be tough.****
Anmerkungen:
*Steven Lee Beeber: Die Heebie-Jeebies im CBGB´s. Die jüdischen Wurzeln des Punk. Ventil Verlag, Mainz 2008 – **Mit dem Refrain „I´m proud to be an asshole from El Paso“, eine Parodie auf den bei konservativen Patrioten beliebten 1969er Merle Haggard-Hit und seinen Refrain „I´m proud to be an Okie from Muskogee“. – *** Alle Details (die sowohl zur Verdeutlichung als auch Verwirrung beitragen können) beim Houston Chronicle: http://blog.chron.com/txpotomac/2011/08/rick-perry-gets-nod-from-kinky-friedman/ – **** Am 15.10.2013 meldete der Houston Chronicle, dass Kinky Friedman für die Demokraten erneut als Landwirtschaftsminister kandidiert: http://www.chron.com/news/houston-texas/texas/article/Kinky-Friedman-running-for-agriculture-4897742.php (mit einer sehr guten KF-Fotosammlung). Bei den Vorwahlen der Demokraten unterlag er im Mai 2014 gegen Jim Hogan, der dann gegen den republikanischen Kandidaten unterlag. Friedmans Laune war dennoch okay: http://www.chron.com/entertainment/music/article/Kinky-Friedman-on-music-politics-and-birdseed-5657896.php Mit der fulminanten Information, dass Mandela sein Sold American-Album damals in den Knast geschmuggelt bekam; man könnte sagen: that´s what it´s all about.