MÄNNER HUT MODE

Wenige Minuten vor Einfahrt des ICE war er eingekeilt im Gedränge. Hatte ihm noch nie gepasst, und jetzt konnte er es nicht mehr ertragen, die erste Stufe von Folter. Damit hatte er an einem Dienstagmittag nicht gerechnet.

Was wollten die alle in Berlin? War´s ein Feiertag, den er vergessen hatte? Fielen Pendler an einem Dienstag schon mittags über einen großen Zug her, flankiert von Frühbucherhorden? War das irgendwo hinter ihm nicht die Stimme seiner Ärztin? Und neben ihm eine junge Frau, die lautlos weinte. Er musste hier raus, ans Ende der wartenden Masse. Und neben der traurigen jungen Frau stand, mit dem Rücken zu ihm, anscheinend ihr Freund.

Er trug einen dieser Hüte, die eigentlich nur zu alten oder altmodischen Männern gehörten, in den letzten Jahren jedoch von besonders schlauen Popjungs auch auf den Köpfen osteuropäischer Emigranten entdeckt und dann auf die eigenen gepflanzt worden waren – sollte er nicht doch besser nach Hamburg als nach Berlin fahren? – und das sah nun wahnsinnig witzig aus und sollte wohl auch eine problematische Flüchtlingsexistenz vortäuschen.

Gebildete junge weiße Männer hatten bekanntlich gern eine Sehnsucht nach schwierigen Erfahrungen, die man sich mit einfachen Symbolen kaufen konnte, und sie glaubten, dass jeder Bulle nicht ganz dicht war und von den Dingen, die um ihre Hüte kreisten, keine Ahnung hatte.

 

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