Seine Erzählungen „In den Straßen von Los Angeles“ erscheinen am 12.8.2013 bei Heyne Hardcore als Taschenbuch, und für deren Magazin Core habe ich diesen Text dazu geschrieben:
DER GITARRERO RY COODER: AM WORTSCHATZ
Ohne den Leser hier mit intimen Details überfordern zu wollen: als ich 1986 meine Frau heiratete, brachte sie noch etwas mit in die Ehe, für das ich ihr bis heute sehr dankbar bin, zwei Platten des mir damals unbekannten Gitarristen Ry Cooder. Was mich schon damals beschämt eingestehen ließ, dass ich beim Film Paris, Texas wohl mehr auf Nastassja Kinski als auf den Schöpfer der Filmmusik geachtet hatte. Aber wer von euch Bibelkennern wirft jetzt ´nen Stein?
Als ich dann 25 Jahre später mit Heynes Hardcover-Boss Patrick Niemeyer bei einem Kaffee am Münchner Hauptbahnhof saß, hatte ich ein paar Cooder-Platten mehr; falls jemand mehr hat, kann das nur Niemeyer sein. Wir palaverten in der Sonne so rum und ließen Gott einen guten Mann sein, als er plötzlich eine Information preisgab, die mich und den Tisch umhaute.
„Das ist ja ein verdammter Hammer!“, schrie ich.
Wir waren uns sofort einig, dass Cooders Los Angeles Stories (die zu diesem Zeitpunkt noch nichtmal im Original erschienen waren) auch bei uns veröffentlicht werden mussten, auf Biegen und Brechen und im Angesicht der Papierbuchkrise sowieso. Basta! Wir gaben uns die Hand drauf, jeden Hebel, den wir kannten, in Bewegung zu setzen. Und es kam genau so, wie wir es uns in diesen Minuten gewünscht hatten, und es war, bis hin zu dieser Hardcore-Ausgabe, eine Aktion unter Freunden.
TB
„Ziemlich bescheuert, sich sofort so weit aus dem Fenster zu lehnen, ohne das Ding gelesen zu haben!“, hätte man damals zu uns sagen können, „warum bitte soll ein 63 Jahre alter Mann, der 50 Alben eingespielt und produziert hat, ein gutes Buch schreiben, das nichtmal seine Autobiografie ist und keine wilden Details seiner frühen Jahre mit Cpt Beefheart oder den Stones und keine schönen Fotos von seinen Kuba-Abenteuern mit dem Buena Vista Social Club auffährt?!“
Aber allein die Tatsache, dass Cooders Erzählungen in Lawrence Ferlinghettis legendärem Verlag City Lights erschienen, war ein Dutzend Beweise für Qualität. Und Ry Cooder selbst hat dazu diese Anekdote: Es war Bob Dylan, der ihm klar machte, er müsse sich mehr ums Merchandising kümmern und ihn überredete, seine Stories selber drucken zu lassen und bei Konzerten zu verkaufen. Tja, das Ergebnis sei Pfusch und die Einnahmen null gewesen. Jedoch: City Lights trat in die Tür und bat, das Buch jetzt mal richtig verlegen zu dürfen.
Und nicht irgendwo, sondern in der Noir-Serie. Bei den dunklen Krimis. Die viel weniger Hoffnung enthalten als die Stories von Ry Cooder. Die allerdings alle auch von Verbrechen und Mord erzählen – viel mehr jedoch von taffen Damen, Arbeitslosen, diskriminierten Mexikanern, Gangstern, Transvestiten, Glücksrittern und Spinnern im L.A. der 40er und 50er Jahre. Die vielen Musiker nicht zu vergessen. Und mit: John Lee Hooker!
Mal ganz einfach gesagt: Es hätte mich doch etwas nachdenklich gestimmt, wenn der Mann, der den meisten Werken des großen Actionfilmers Walter Hill den Soundtrack verpasste, ein schlechtes Buch geschrieben hätte. Dass es eine Art Rückendeckung ist zu seinen neueren, im Woody Guthrie´schen Sinn gegen den reaktionären Teil der USA agitierenden Alben, hatte man erwarten können – dass es so gut ist, nicht unbedingt.
Ry Cooder selbst betrachtet sein Schreiben übrigens ohne diesen verklärten Blick, der für die meisten Autoren überlebenswichtig zu sein scheint: „It’s just me fooling around, like with music in the same way. Like writing a song.”